Auf dem Weg zu Lukas Krauß passieren wir Grünkohlfelder und Wirsing, fahren vorbei an Streuobstwiesen und Getreideäckern, aber vom Wein fehlt jede Spur. Offenbar gibt es sie doch, die Pfalzregionen, die mit Wein nicht allzu viel zu tun haben. Zumindest für die Gemeinde Lambsheim ist Lukas Krauß im Begriff, das zu verändern.
Sein Vater ist geborener Lambsheimer, vor 28 Jahren ist seine Mutter zugezogen und nun im Lambsheimer Turnverein aktiv. Alle beide spielen sie im Lambsheimer Theaterverein und sein Bruder ist Vorstand im Lambsheimer Fußballverein. „Ich mache jetzt nichts als hier herum zu winzern, aber mit Lambsheim verbunden sind wir allesamt.“ Und so hat auch jeder der Familienteilnehmer einen eigenen Kerwewagen. An diesem Wochenende ist in Lambsheim nämlich Kerwefest. Und was das für die Lambsheimer Gemeinde bedeutet, ist eine klare Sache.
Lukas: „Man muss es so sagen: Kerwe ist einfach das Geilste. Wenn man in Lambsheim wohnt, saugt man die Kerwe schon mit der Muttermilch ein und sie ist auf jeden Fall ein Jahreshöhepunkt. Die Eltern sind gut drauf, weil sie während des Umzuges schon getrunken haben, weil sie danach getrunken haben und wir Kinder, weil wir ewig draußen bleiben durften.“
Noch einmal kurz – „Kerwefest“: das hat vermutlich mit Wein zu tun?
Lukas: „Wir sind in der Pfalz, hier hat grundlegend immer alles mit Wein zu tun. Das Fest jetzt aber an und für sich nicht. Das sind vor allem die Vereine, die sich da zusammentun. Und als das Fest vor 15 Jahren kurz vor dem Aussterben war, haben meine Jungs und ich uns entschieden, jedes Jahr einen Wagen beizusteuern. Und der wiederum, hat jedes Jahr mit „Woi“ – also Wein [Anm. d. Redaktion] – zu tun. Wir waren schon die Woihnachtsmänner, wir waren Waschwoiber, die Woimarer Republik und auch der Woiropäische Rettungsschirm.“
Lukas ist lustig. Sein Markenzeichen ist sein Hut und sein Ausdruck authentisch. So heißt einer seiner Weine auch „Chapeau Krauß“. Lukas ist keiner, der unbedingt gefallen will. Wir trinken seinen Riesling aus dem Jahr 2014, der in zwei Fässern gereift ist, eines davon ist aus neuem Holz. Der Wein vergärt dort trüb und warm, was ihm eine Menge Frucht nimmt, dafür ätherische Öle und Würze verleiht. Er ist bei weitem nicht so gefällig wie Lukas´ „Pornfelder“. Nein, das ist kein Tippfehler: Pornfelder.
Lukas: „Der Pornfelder ist viel einfacher zu trinken und schmeckt vielen. Allerdings kommt er in großen Städten wie Hamburg oder Berlin nicht gut an. Vielleicht ist man da einfach over-sexed. Andererseits würde er in genau solche Städte gut passen: er ist leicht, fruchtig, der Pornfelder ist ein Spaßwein. Wer sich mit seinem Wein beschäftigen möchte, wer es schwerer und komplexer möchte, der soll seinen „Kraußer Schwarzer“ nehmen, ein paar Euros mehr ausgeben und damit seine Freude haben.“
Dass Lukas Freude an Wortspielen hat, ist mittlerweile deutlich geworden. Wie witzig jedoch, finden Eltern Späße der Natur „Pornfelder“? Lukas dreht sich eine Zigarette, wie er verschmitzt unter seiner Hutkrempe hervorlugt, als hätte er gerade etwas aus der Küche stibitzt.
Lukas: „Mein Vater hat meine erste Zeit hier sehr skeptisch beäugt. Ich habe bewusst nicht hier gelernt, denn so, wie mein Vater Wein gemacht hat, wollte ich das nie weiter machen. Der mochte immer die einfacheren Weine gern – Weine, die wir hier heute Abend beim Kerwefest literweise trinken werden. Zugegebenermaßen kam hinzu, dass ich keine Lust mehr hatte, die Schule weiterzumachen und die Berufsberatung zu einem Beruf im Grünen riet. Warum also nicht Winzer? Mein Vater war sehr ungläubig, zunächst. Mit Recht – die ersten beiden Jahre habe ich mit mehr Glück als Verstand überstanden und ich kann mir nicht vorstellen, dass es besonders viel Spaß gemacht hat, mich auszubilden. Dann kam ein neuer Ausbilder, Martin Franzen. Ich weiß nicht, wie er es gemacht hat, aber es hat es geschafft, dass ich plötzlich sehr große Lust auf all das hatte.“
Und wenn Lukas Lust auf etwas hat, klappt es auch. Anders als bei vielen anderen Jungwinzern, fand bei Lukas und seinem Vater keine klassische Übergabe statt, sein Vater macht nach wie vor Wein. Der Vorteil: es gibt keine Überschneidungen. Ihr gemeinsamer Raum ist der väterliche Betrieb und ihre gemeinsame Basis der Fakt, das sie völlig Verschiedenes machen wollen. Die Bedenken seines Vaters, dass man sich hinsichtlich der Kunden in die Quere kommen könnte, hat sich als unnötig erwiesen. Eine andere Hürde allerdings, war das Etikett des Pornfelders: ein Hut, viele Trauben und zwei spärlich bekleidete Mädchen, die sich an den Trauben räkeln.
Lukas: „Im Grunde wollten wir mit ein paar Flaschen anfangen und haben im ersten Jahr statt der geplanten dreieinhalb Tausend fünfzehn Tausend Flaschen verkauft. Der Wein kam im Mai heraus, es gab eine kleine Medienwelle und dann kam die Nominierung zum Goldenen Kaktus – eine Nominierung von Terre de Femmes für besonders sexistische Werbung. Darauf hat sich die Presse dann richtig gestürzt. Im Grunde ist es ja gut, dass es Menschen gibt, die sich um frauenverachtende Werbung kümmern – gleichwohl ich dieses Etikett nicht unter Sexismus verbuche. Denn da gibt es auch ganz andere Kaliber. Und wenn in der Pampa eines Nirgendwo eine schreckliche Werbung steht, ist das bescheuert. Die jedoch abzufotografieren und online zu stellen, ist beinah schlimmer. Eine Gleichstellungsbeauftragte in Landau wurde zu dieser Zeit interviewt und sagte, auf die Frage, was sie gerne zu ihrem Jubiläum bekäme: bloß keinen Pornfelder! Und was war wohl die Überschrift des Interviews?“
Nun,„Hauptsache keinen Pornfelder“.Eine sehr gute, vor allem aber bequeme Publicity. Mit uns war es nicht ganz so bequem, da musste sich Lukas tatsächlich Zeit nehmen, erzählen und uns seinen Wein ausschenken. Er spricht über seine Kampagne „Wein gegen Rassismus“, von seinem Netzwerk von Weingütern, das er so gegründet hat und dem Weinpaket, das man unter diesem Namen bestellen kann. Die aktuelle Stimmung ist nach wie vor so, dass ein solches Paket keinesfalls schaden kann.
Und um die Sexismus-Debattierrunde zu besänftigen, gibt es den Pornfelder nun außerdem auch mit nackten Männern. Geht doch.
Text: Juliane E. Reichert