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Gin mit Gurke war gestern - Man trinkt jetzt Gurkenwasser zum Whiskey

Gurken im Glas - die einen essen sie bloß, weil sie Hunger haben, die anderen lassen sie direkt mit dem letzten Eiswürfel im Gin-Tonic-Glas. Schließlich geht man „etwas trinken", nicht „auf 'ne Gurke raus". Trotzdem findet sich auf immer mehr Menükarten in Bars der sogenannte "Pickleback" - ein Shot Gurkenwasser, den man zum Whiskey trinkt. Aber nicht irgendeinem Gurkenwasser, sondern dem Würzwasser von Essiggurken, also versetzt mit Dill, gelben Senfkörnern, Zwiebeln, Salz und Zucker.

Was hierzulande weniger gängig ist, ist in Polen kein Novum. Man trinkt Gurkenwasser dort wirklich, um einen Kater zu vereiteln. Nach entsprechenden Mengen Slivovic und Żubrówka entbehrte alles andere als ein Zaubermittel auch jedweder Logik. Wissenschaftlich erklärt man das so, dass die Essiggurkenlake sehr viel Vitamin C und Kalium enthalte - gut gegen Kater. Liegt eigentlich auf der Hand, Eingelegtes hat schon immer und überall geholfen - ob als Rollmops in Deutschland oder als „umeboshi" (eingelegte saure Pflaume) in Japan.

Ist der Pickleback nur ein alberner "Kampfsauf-Shot"?

Nun ist der Pickleback - selbstredend aus den USA - also auch hier Trend. Mitten in Neukölln. Sven, Inhaber der schon so oft als „Szenebar" bezichtige Bar TiER, ist sich unsicher, was es mit den Trends auf sich hat. Zum einen gibt es den Pickleback bereits seit sieben (!) Jahren im TiER. Zum anderen hatte er ihn sonst bislang nirgends gesehen. Über Hugo und Aperol-Spritz lässt Sven Lästerei gern zu, aber den Pickleback hält er für einen ordentlichen Shot. „Letztlich geht es bei dem Pickleback-Trick darum, den harten Alkohol durch Salz und Essig zu neutralisieren, dann kann man mehr trinken", erklärt er. Für ihn daher ein klares Indiz für die Kategorie „alberner Kampfsauf-Shot" und für das feine TiER daher ungeeignet. „Ich mag's trotzdem. Geschmackssache!"

Letztlich geht es bei dem Pickleback-Trick darum, den harten Alkohol durch Salz und Essig zu neutralisieren, dann kann man mehr trinken.

In der Neuköllner Keith Bar im Schillerkiez wird der Pickleback zuhauf bestellt. Der Bourbon ist ein Bulleit Bourbon und somit nicht einmal ein Brand, der eine Nachspülung zwingend fordernd. Bei der Paarung geht es aber auch eh um das große Sinngefüge, welches Bourbon und Gurkenwasser verbindet. Gurkenwasser ist nicht einfach nur noch der nicht-essbare Rest eines Glases saurer Gurken. In der Keith Bar werden eigens Gurken eingelegt, um an das Wasser zu kommen!

Aus keiner Not trotzdem eine Tugend machen

Man könnte ja meinen, dass auch der Pickleback, wie unzählige andere eigentümliche Erfindungen, aus der Prohibitionszeit stammt. Der Whiskey könnte, da schwarz und unter unguten Umständen gebrannt, so ungenießbar gewesen sein, dass eine Einnahme ohne Nachspülen nicht möglich war. Und weil man Gürkchen ohnehin immer im Haus hat, wie eben der Amerikaner an sich immer alle Burger-Zutaten im Haus habe, nähme er praktischerweise Gurkenwasser. Schöne und vor allem sehr amerikanische Geschichte, war leider nicht so.

Aus den USA kommt er allerdings, nämlich aus Williamsburg. Und zwar wirklich in Bars, und nicht von Menschen, die anderen Probleme hatten, als „Igitt, Gurkenwasser". Im Gegenteil, die hatten ausschließlich Probleme wie „Womit überraschen wir unsere gelangweilten Geschmacksknospen als nächstes?" Entschieden hatte man sich damals für den Bourbon Old Crow und das Wasser der McClure's Gürkchen. Wir denken aber, ein Scotch und Spreewald tut es zur Not auch.

„First der brown one," erklärt die Bedienung im Keith, selbst Australierin. Mehr müssen die Leute auch nicht wissen, denn wenn man sich einmal überwunden hat, ist der Entdeckerrausch groß und der Preis nicht hoch genug, ihm Einhalt zu gebieten. Wer dem süßsauren Wässerchen erstmal eine Chance gegeben hat, schwimmt selig davon - zum Beispiel in der besagten Keith Bar.

Keith Bar | Schillerpromenade 2, 12049 Berlin-Neukölln | Montag - Sonntag: 18-3 Uhr | mehr Info

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