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Tito & A Tabacaria

Es war zu vermuten, dass Lissabon mehr zu bieten hat als Portwein. A Tabacaria zwischen Fado, Feijoada und dem touristischen Treiben um den Torre de Belém ist der beste Beweis. In der kleinen Bar-Perle spannt Tito Carona einen sehr persönlichen Bogen zwischen Tradition und Innovation.

Es ist nicht schwierig, gegen 22 Uhr in Lissabon einen Tresen zu finden, an dem sich der Abend ausklingen und der letzte Bissen Bacalhau verdauen lässt. Die Promenade des Tejo ist voll von einander ähnelnder Bars, viel weiß, ein bisschen Korb und der Portugalabend passt. Stadteinwärts wird es bunter und der alltäglich gemütliche Gang auf einen Bica weicht der nächtlichen Suche des richtigen Verhältnisses einer adäquaten Bardichte und der hinreichenden Abgeschiedenheit, so dass nur so viele Touristen den Ort zu erschließen imstande sind, wie man sie als Tourist eben selbst erträgt.

Das macht die Sache ein klein wenig anspruchsvoller. Doch gerade auf dem Weg vom tendenziell zu teuren Tejo-Chic ins ungleich buntere, dafür aber auch bevölkerte Bairro Alto, mitten auf der Rua de Sao Paulo im Bezirk Chiado, befindet sich ein Schaufenster, umrahmt von grünem Azulejo. Ab 18 Uhr öffnet es seine Rollos, beleuchtet artifiziell das Arsenal geschwungener Apotheken-Flakons und lässt das Lissabonner Nachtleben an fünf Tischen teilhaben, was immer Tito ihm anbietet.


Mit Tom Cruise in die Tabacaria

Tito, das ist Tito Carona, der im letzten Februar anfing, in A Tabacaria zu arbeiten - einem Gebäude, das im Jahr 1885 zunächst eine Lotterie und dann einen Tabakladen beherbergt hatte, bis Mikas ihn übernommen hatte. Mikas hatte nach jemandem gesucht, der exakt in seine Bar passen würde, und so ließ er sich über diverse Freunde und Brand Amabassadors schließlich Titos Kontakt geben. Tito passte in der Tat und so hörte Mikas Suche auf. Das passte auch für Tito, der zu dieser Zeit als Sozialarbeiter tätig, vor allem aber in dem Film "Cocktail" verliebt war. Man erinnere sich an jenen Film, in dem Tom Cruise in aufgeknöpftem Hemd unter jamaikanischen Strohdachbars Frauen verführt, verärgert und zurückgewinnt. Angezogen von einem Lebensstil mit Menschen und bei Nacht, absolvierte er eine dreijährige Ausbildung zum Bartender und ließ sich viele Jahre später von Mikas abwerben. Da steht er nun hinterm Tresen aus Holz mit Hut, Weste und festem Händedruck, wenn Besucher ihn nach eine Karte fragen. „I´m Tito, hi." Und weil andere auch finden, dass das sehr gut passt, bekommt Tito immer wieder Modelaufträge, in denen er genauso aussieht wie in A Tabacaria. Mikas mag also recht richtig gelegen haben.

Das Gros der Gäste ist portugiesisch - was nicht bedeutet, dass keine Touristen unterwegs sind, wie jeder Berliner, der sich an der Bar umsieht und sich dem Dialekten-Medley ergibt, weiß. Und man weiß auch, dass ein Gros Einheimischer nicht vor Erasmus-Großgruppen schützt. Was da allerdings hilft, ist das nicht existente Menü. Zu Tito kann man natürlich gehen, um sich zu betrinken. Allerdings wird das nicht günstig und herzlich anstrengend; immerzu will er wissen, was man mag, und dann erzählt er auch noch, was er da nun kreiert hat. Bringt man allerdings ein bisschen Zeit und Neugier mit, hat man zweifach gewonnen. Zum einen überdauert man die kurz vorbei strömenden Gruppen, die nach „Anything with Vodka?!" fragen, und zum anderen die eigene, stets beschränkte Cocktailkarte im Kopf. Tito hat kaum einen klassischen Drink in petto, immer aber eine Alternative parat. Den Whiskey Sour zum Beispiel macht er mit einem Nikka Blend und Rose Petal Syrup.


Sours statt Sozialstunden

Tito hält sich nicht für einen klassischen Bartender. Ihm geht es weder darum, dass seine Drinks Berühmtheit erlangen, noch dass sie besonders beladen sind. Sondern einzig darum, dass es seinen Gästen gut geht. Das sagt er, und serviert einen seiner namenlosen Drinks aus Gin, St. Germain, Eiweiß und getrockneten Rosenblättern im Goldrandglas. Er mag es, mit diesen Dingen zu hantieren und freut sich, wenn die anderen sich freuen. Quasi ein Sozialarbeiter, der mit Sours hantiert, anstelle von Gesprächssitzungen.

Der Trend zum klassischen Bartender, der seine eigenen Cocktails designt, gleichwohl die Klassiker zu mixen imstande ist, habe in den letzten Jahren stark angezogen, erzählt Tito. Dabei war die Lisbon Barshow natürlich nicht unbeteiligt und wie überall werden auch hier neue Rezepte kreiert, Techniken ausgetauscht und Leidenschaften von Bartendern aus der ganzen Welt geteilt. Zwar kennt er die Barshow, das Lissabonner Nachtleben allerdings besteht für Tito vor allem aus seiner sechstägigen Arbeitszeit in der Tabacaria. „Wenn ich schließe, haben die meisten anderen Bars, die mich interessieren würden, schon zu, und am Ende sitze ich eben in irgendeinem zwielichtigen Club und trinke noch ein Bier," so Tito.

Einer seiner eigenen derzeitigen Lieblingsdrinks ist der „Pirate´s Mojito" mit dunklem Rum, vermengt mit Ingwer und Limette und einem Tabaksirup. Letzteres scheint in Lissabon derzeit ein großer Geheimtipp zu sein und ist ein mit Tabakblättern eingelegter Zuckersirup. Eine eigene Bar aufzumachen kann sich Tito durchaus vorstellen. Oder einen Rock Club; aber erst einmal bleibt alles, wie es ist. Tabakblätter passen ja auch ganz gut in eine Tabacaria.


Photo credit: Foto via Goncalo Villaverde.

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