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Überstunden auszahlen: Diese Regeln müssen Arbeitnehmer beachten - WELT

„Grundsätzlich müssen Überstunden bezahlt oder ausgeglichen werden"

Überstunden sind für viele Arbeitnehmer Alltag. Aber wer hat wirklich Anspruch auf einen Ausgleich? Zwar gibt es gesetzliche Regelungen, doch es gibt einige Ausnahmen. WELT stellt die wichtigsten Regeln vor.

Ob Homeoffice, mobiles Arbeiten oder Projekttätigkeit - neue Formen der Arbeit bringen flexiblere Arbeitszeitmodelle mit sich. Die strikte Anwesenheit zwischen 9 und 17 Uhr rückt dabei in den Hintergrund. Stattdessen müssen Arbeitnehmer sich der Auftragslage und wechselnden Begebenheiten bei der Arbeit anpassen.

Flexibel zu sein bedeutet aber auch: Ist die Auftragslage gut, fallen auch mal Überstunden an. „Grundsätzlich müssen Überstunden bezahlt oder ausgeglichen werden", sagt Arbeitsrechtler Alexander Birkhahn. Doch es gibt Ausnahmen. Zunächst lohnt ein Blick in den Arbeitsvertrag: Häufig finden sich darin Klauseln, mit denen eine bestimmte Stundenzahl von Extra-Arbeit bereits abgegolten ist.

„Bis zu zehn Prozent der Arbeitszeit als unbezahlte Überstunden sind üblich. Dann werden nur die Stunden vergütet, die über die abgegoltenen Stunden hinausgehen", erklärt Birkhahn.

Eine Alternative zum Auszahlen von Überstunden ist das Arbeitszeitkonto. Dabei werden zusätzlich gearbeitete Stunden auf dieses Konto „eingezahlt" und können später durch Freizeit wieder „ausgezahlt" werden.

Mehr als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet laut Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) heute mit einem solchen Konto.

Die zunehmende Beliebtheit dieses Modells hat laut einer Analyse des IAB, dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit (BA), dazu geführt, dass in Deutschland insgesamt weniger bezahlte Überstunden geleistet werden.

Der Chef muss über die Überstunden Bescheid wissen

Wer sich seine Überstunden auszahlen lassen oder abfeiern möchte, sollte sicher gehen, dass der Chef von der Mehrarbeit weiß. Denn der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht gegenüber den Angestellten.

Er muss darauf achten, dass Mitarbeiter die im Arbeitszeitgesetz festgeschriebene Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche und die Pausenzeiten einhalten.

Überstunden werden oft erst zum Problem, wenn der Jobwechsel bevorsteht und der Arbeitnehmer seine Überstunden ausbezahlt haben möchte. „Dann muss er vor Gericht darlegen können, wann und wie viele Stunden er zusätzlich gearbeitet hat", erklärt Arbeitsrechtler Birkhahn.

Denn die Überstunden müssen ausdrücklich - und am besten schriftlich - angeordnet werden. „Wer absichtlich länger bleibt, um Überstunden anzusparen, kann nicht damit rechnen, dass diese bezahlt werden", sagt der Rechtsanwalt.

Vereinbarter Stundenlohn gilt auch für Überstunden

Ebenfalls wenig Hoffnung auf bezahlte Überstunden können sich häufig leitende Angestellte und Führungskräfte machen. Wer mit seinem Verdienst über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegt - aktuell 6700 Euro im Westen und 6150 Euro im Osten -, hat nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2012 keinen Anspruch auf bezahlte Überstunden. Gleiches gilt für Beamte im höheren Dienst.

Wer pro Stunde bezahlt wird, bekommt diesen Stundenlohn auch für die Überstunden. Arbeitnehmer mit festem Gehalt können hingegen in der Regel mit dem entsprechenden Anteil vom monatlichen Gehalt rechnen.

„Als Faustformel gilt: Monatsgehalt mal drei, geteilt durch 13, geteilt durch die Anzahl der Wochenarbeitsstunden", sagt IAB-Forscher Weber.

Arbeitnehmer dürfen die Überstunden auch ablehnen, denn vertraglich verpflichtet ist man nur zu den Stunden, die im Arbeitsvertrag festgelegt sind.

„Wenn der Arbeitsvertrag keine Regelung zu Überstunden enthält, muss der Chef die Mehrarbeit ausdrücklich anordnen und auch bezahlen", stellt Arbeitsrechtler Birkhahn klar. Gibt es im Unternehmen einen Betriebsrat, muss auch dieser den Überstunden zustimmen.

Arbeitgeber darf Freizeitausgleich nicht erzwingen

„Auch wenn ein Freizeitausgleich angeboten wird, darf man darauf bestehen, dass die Stunden bezahlt werden", sagt Birkhahn. Denn grundsätzlich darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter nicht dazu zwingen, Überstunden abzufeiern.

„In manchen Fällen kann der Arbeitgeber den Zeitausgleich attraktiver machen, indem er beispielsweise pro geleisteter Überstunde 1,5 Stunden Zeitausgleich anbietet."

Es kann sich allerdings auch finanziell lohnen, auf eine Auszahlung zu verzichten und stattdessen die Stunden durch freie Tage auszugleichen. Denn laut Gesetzgeber gehören bezahlte Überstunden zum Lohn dazu.

Das zusätzlich verdiente Geld erhöht den Jahresverdienst und kann zu einer höheren Steuerbelastung führen. Es lohnt sich also, vorher genau zu prüfen, ob eine Auszahlung von Überstunden sinnvoll ist.

Arbeitnehmer sollten auch genau in ihren Arbeitsvertrag schauen, ob es dort eine sogenannte Ausschlussfrist gibt. Diese legt fest, dass Ansprüche aus Überstunden innerhalb eines bestimmten Zeitraums - meist drei Monate - geltend gemacht werden müssen, erklärt Arbeitsrechtler Birkhahn: „Andernfalls verfällt der Anspruch auf eine Auszahlung von Überstunden nach drei Jahren".

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