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Schicksalswochen für die Groko: Warum die Wahl in Bayern für ganz Deutschland wichtig ist

Vieles ist noch spekulativ, eines aber ist sicher: Die Landtagswahl in Bayern wird eine Zäsur. Die CSU dümpelt in den finalen Umfragen zwischen 33 und 35 Prozent, eine absolute Mehrheit der Mandate ist so gut wie ausgeschlossen. Damit endet eine Ära: Mit einer einzigen Ausnahme, von 2008 bis 2013, konnten die Christsozialen immer allein regieren - und das seit 1962. Jetzt wird sich die einst so mächtige und kraftstrotzende Volkspartei möglicherweise gleich mehrere Koalitionspartner suchen müssen. Dass die Grünen zweitstärkste Kraft werden und mit der CSU ein Bündnis eingehen könnten, scheint nicht mehr ausgeschlossen - auch wenn das viele Christsoziale befremden würde, allen voran den Berliner Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt. Er hat die Grünen zu seinem persönlichen Feindbild erklärt. Doch Schwarz-Grün wäre noch nicht einmal das Schlimmste. Möglicherweise könnte sogar eine Regierung gegen die CSU gebildet werden - auch ohne die AfD.

Merkel muss bangen

Zweifellos wird das Wahlergebnis zu Verwerfungen innerhalb der CSU führen. Doch die Erschütterungen der Wahl dürften auch in Berlin deutlich zu spüren sein. Merkel selbst gibt sich am Freitag gewohnt zurückhaltend: Sie wünsche sich natürlich ein gutes Ergebnis für die CSU, sagt die Kanzlerin ausweichend auf die Frage, ob sie Konsequenzen aus Bayern für die Stabilität der großen Koalition in Berlin befürchte. Und fügt trocken hinzu: „Ich weiß, dass wir in nicht ganz einfachen Zeiten leben. Und ansonsten warte ich auf das Ergebnis."

Doch hinter der kühlen Fassade der Kanzlerin dürfte es brodeln. Merkel weiß: Egal, wie die Wahl letztlich ausgehen wird - für sie werden ungemütliche Zeiten anbrechen. In der großen Schwesterpartei stellt man sich bereits auf zwei Szenarien ein, von denen keines Anlass zur Beruhigung bieten dürfte.

Da wäre zunächst die Möglichkeit, dass die CSU entgegen der Prognosen doch noch ein recht respektables Ergebnis erzielt- auch wegen der hohen Zahl an noch unentschlossenen Wählern. CDU-Fachleute halten ein CSU-Ergebnis von 31 Prozent genauso für möglich wie eines von 38 oder 39 Prozent. Als magisch gilt in der CSU die 35-Prozent-Marke - stürzt die Partei nicht weiter ab, könnten sich Söder und Seehofer womöglich sogar beide halten, heißt es. Und Seehofer könnte für die CSU in München weiter die Rolle des Sündenbocks in Berlin ausfüllen.

Sollten die Christsozialen also weniger schlecht abschneiden als befürchtet, so die Befürchtung in der CDU, dann würde Seehofer in der Hauptstadt womöglich noch stärker als Querulant in Erscheinung treten als ohnehin schon - auch, um der bundespolitischen Sonderrolle der CSU weiter gerecht zu werden: in Bayern Regionalmacht und im Bund Machtfaktor. Diese Haltung würde die Zusammenarbeit mit der CDU aber auch die gesamte Regierungsarbeit der großen Koalition weiter erschweren.

Sollte hingegen das prognostizierte Wahldebakel Realität werden, dürfte sich die Krise in der Union erst recht weiter verschärfen. Merkel ist klar: Für den Erfolg der Union ist eine starke CSU unabdingbar. Welche verheerenden Auswirkungen schlechte Wahlergebnisse der bayerischen Schwesterpartei für die gesamte Union haben können, zeigte sich schon bei der vergangenen Bundestagswahl. 2017 kam die Union auf desaströse 32,9 Prozent, ein historischer Tiefstand, der nicht zuletzt auch mit dem schwächsten Wert der CSU seit 1953 zu erklären ist: 38,8 Prozent. Dass die Union momentan bundesweit nur auf etwa 26 Prozent kommt, liegt nicht zuletzt auch an der CSU.

Doch auch eine demoralisierte CSU könnte zu einem schwierigen Partner werden. Unter den Christsozialen würden dann womöglich wieder Stimmen laut, die das Heil der CSU nur in einer Abspaltung von der Schwesterpartei sehen, auch wenn das bedeuten würde, dass die CSU damit zur Regionalpartei schrumpfen würde. Eine große Koalition wäre dann jedenfalls am Ende. Außerdem wird eine abgestrafte und gedemütigte CSU eifrig nach Schuldigen für die Misere suchen - und der Name Angela Merkel wird dabei sicher fallen.

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