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The best a Brand can be? Gillette und die Aneignung gesellschaftlicher Bewegungen

Die Rasierer-Marke Gillette hat seinen 30 Jahre alten Slogan „The best a man can get" neu interpretiert und sich mit „The best a man can be" mit der Me-Too-Kampagne solidarisiert. Zentral ist ein Video, in dem zunächst typische Männlichkeitsklischees gezeigt werden wie zum Beispiel sich prügelnde Jungs, sowie die typischen Entschuldigungen für solches Verhalten. „Boys will be boys" eben. Doch gehe es darum, das Beste zu sein, was ein Mann sein kann, nämlich toxisches Verhalten nicht zu tolerieren, sich lautstark dagegen zu äußern und aktiv zu werden. Schließlich sehen die Söhne, wie sich ihre Väter verhalten, und das werden die Männer von morgen sein.

Eine schöne Message, klar. Überhaupt entscheiden sich in den letzten Jahren viele große Marken und Unternehmen dafür, sich für liberale gesellschafts- und identitätspolitische Ziele einzusetzen und lassen aufwendige Kampagnen entwickeln. So wollte Edeka beispielsweise 2017 für gesellschaftliche Vielfalt ein Zeichen setzen, in dem sämtliche ausländische Produkte aus einer Filiale entfernt wurden, um zu zeigen: Ohne Vielfalt ist nicht viel los.

Wieder: Eine schöne Message. Doch nicht immer sind solche Image-Kampagnen unproblematisch. 2018 ließ der Getränkehersteller Schweppes Frauen in einem mit Touch-Sensoren ausgestatteten Kleid durch Nachtclubs laufen, um zu messen, wie oft sie ungewollt an einem einzigen Abend von Männern berührt, angetanzt oder begrapscht werden und warb damit für... Ja, für was eigentlich? Für oder gegen etwas, das Frauen schon immer gewusst und auf das sie schon immer hingewiesen haben? Stattdessen gibt Schweppes den Anwalt für weibliche Selbstbestimmung ( impliziert aber indirekt, dass es schon die „wissenschaftlichen" Beweise dieses „Smart Dresses" braucht, um endlich anzuerkennen, ob und wie oft Frauen denn nun betatscht werden). Aber wir sind ja selbst schuld: Anstatt Frauen endlich zuzuhören, kreditieren wir lieber einen Getränkehersteller für die „investigative" Methode, mit der sie diese „schockierende" Tatsache aufgedeckt haben.

Oft wird nicht mitbedacht, dass Marken durch die kommerzielle Verwertung von Slogans oder Bewegungen wie Me Too, sich diese auch immer ein Stück weit aneignen und sie für den eigenen Vorteil ausnutzen. Und das können sie, ohne viel befürchten zu müssen: Themen wie Umweltschutz oder Gleichberechtigung sind beliebt, da kann man ohne viel Risiko wunderbar auf den Medientrend aufspringen.

Gillette kassiert wohl derzeit einen Shitstorm von sogenannten Männerrechtlern für den Werbespot, den diese für „feministische Propaganda" halten. Und natürlich wusste man bei Gillette, dass da was kommen würde. Nichts anderes meint Chef Gary Coombe, wenn er davon spricht, „ am Dialog um ‚moderne Männlichkeit'" teilzunehmen und von der leicht getroffenen „Entscheidung, die etwas bewirkt". Die Frage ist: Hilft es der Sache, wenn sich Unternehmen und Marken als Weltretter inszenieren, denen oft nicht mehr daran gelegen ist, als kurzzeitig Talk of the Town zu sein?

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