An den Eingangstüren von Schnellrestaurants, Cafés und Supermärkten in den USA finden sich meistens zwei Arten von Hinweisschildern: Jene, die über "Kostenloses WLAN" informieren und jene, die "Bitte keine Waffen" fordern. Denn so selbstverständlich wie der Zugang zu kostenlosem Internet ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten auch die Präsenz von Feuerwaffen.
Für europäische Beobachter oft unverständlich, sind es die liberalen Waffengesetze der USA, die diese Omnipräsenz befördern. Die National Rifle Association (NRA) will, dass das so bleibt. Und sie kämpft dafür an vorderster Fron - als größte Waffen-Interessenvertretung der USA. Den Zweiten Zusatzartikel der Verfassung versteht die Organisation als "garantiertes individuelles Recht aller US-Bürger auf Erwerb, Besitz, Tragen, Transport, Weitergabe und legitimen Gebrauch von Waffen". Sie betreibt Lobbying, unterstützt politische Parteien finanziell und wirbt für den Waffenbesitz, etwa in landesweiten TV-Spots.
Vom Schützenverein zum politischen Machtfaktor1871 nach dem Vorbild der britischen NRA als Schützenverein gegründet, begann die Organisation Anfang des 20. Jahrhunderts, latente Ängste innerhalb der Bevölkerung zu schüren: US-Bürgern sollte es jederzeit erlaubt sein, sich zu bewaffnen, um in "gesetzlosen" Zeiten nicht schutzlos ausgeliefert zu sein. Treffsicherheit und Kriegsbereitschaft sollten auch in Friedenszeiten gewahrt werden.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt jedoch, dass ihr Einfluss nicht immer so groß und ihre Ansichten nicht immer so radikal waren wie heute: In den 1930er Jahren war sie selbst noch für eine Beschränkung des Zugangs zu Waffen eingetreten. "Ich habe nie an die generelle Praxis des Waffentragens geglaubt," sagte der damalige NRA-Präsident und Olympionike Karl Telford Frederick. "Ich denke, es sollte streng eingeschränkt und nur unter Auflagen erlaubt werden."
Radikalisierung in den 1970er JahrenNach dem Zweiten Weltkrieg verdreifachte sich ihre Mitgliedszahl durch die Aufnahme heimgekehrter US-Soldaten. In dieser Zeit transformierte sich die Organisation von einer regierungsnahen, paramilitärischen Trainingsorganisation zu einer Interessenvertretung aller privaten Waffenbesitzer in den USA.
Infolge des Gun Control Act von 1968 radikalisierte sich die Interessenvertretung zunehmend: In den Nachwehen der Bürgerrechtsbewegung, in denen unter anderem Martin Luther King erschossen wurde, sowie infolge der Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy und dessen Bruder Robert, verschärfte sich die Gangart der Organisation. Ab den 1970er Jahren entwickelte sich die NRA zu jener professionellen Waffen-Lobby, die sie heute ist. In einem aktuellen Werbe-Video wirbt sie aggressiv um die Beibehaltung des "Second Amendment", das den Waffengebrauch legalisiert:
Trump erhielt 30 Millionen Dollar für KampagneHeute ist sie eine der größten Interessengruppen für Waffenbesitzer in den USA und unterstützt zahlreiche (meist republikanische) Wahlkämpfe - sowohl finanziell als auch ideologisch. Auch US-Präsident Donald Trump gilt als Befürworter der lockeren Waffengesetze. Seine Präsidentschaftskampagne wurde von der NRA mit rund 30 Millionen Dollar (25 Millionen Euro) gesponsert. Erst Anfang Mai hatte Trump seine bedingungslose Unterstützung erneut betont: Solange er Präsident sei, werde der zweite Verfassungszusatz, der das Recht auf Waffenbesitz garantiert, nie in Gefahr sein, sagte er zum Auftakt des Jahrestreffens der NRA.
In der Zeitleiste wird sichtbar, wie sich die US-Waffengesetze zunehmend gelockert haben. Von den restriktiven Anfängen bis zur Gegenwart, in der Waffen zum Alltag vieler US-Bürger gehören. Seit der Bush-Administration Anfang der 2000er Jahre erlebten Bestrebungen nach strikteren Waffengesetzen zahlreiche Rückschläge. In Anbetracht der unzähligen Amokläufe, versuchte US-Präsident Barack Obama eine Verschärfung der Waffengesetze. Eine derartige Gesetzesinitiative scheiterte 2013 an der Abstimmung im Senat: Sie wurde mit 60/40 Stimmen abgelehnt.