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Warum Sterbehilfe Schweizer Steuergeld kostet

Immer mehr Menschen nehmen in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch – Christian Jungwirth

Artikel 115 im Strafgesetzbuch macht es möglich: In der Schweiz ist Sterbehilfe seit 1918 per Gesetz erlaubt. Hilfe zum Selbstmord ist legal - auch für Ausländer - solange keine "selbstsüchtigen Motive" bestehen. Insgesamt sechs Organisationen bieten den ärztlich begleiteten Freitod an.

Obwohl bereits so lange legalisiert, bleibt die Sterbehilfe in der Schweiz umstritten. Der Suizid des 104-jährigen australischen Botanikers David Goodall, der sich letzte Woche unter großem Medieninteresse mithilfe des Vereins "Eternal Spirit" das Leben nahm, entfachte eine politische Diskussion um das Recht auf Sterben und dessen Kosten. Goodall selbst forderte, Sterbehilfe in den Status eines Bürgerrechts zu heben. In seiner Heimat Australien war es ihm nicht erlaubt gewesen, selbstbestimmt zu sterben. Deshalb inszenierte er seinen Freitod medial, um Aufmerksamkeit für sein Anliegen zu generieren.

Sterbehilfe: Mehr Frauen als Männer
In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der Sterbehilfefälle enorm gestiegen, wie aktuelle Zahlen des Schweizer Bundesamts für Statistik zeigen. Im Jahr 2015 starben in der Schweiz 999 Menschen in Folge eines begleiteten Suizids, das sind 1,5 Prozent aller Todesfälle. 2001 waren es noch unter 200 Fälle. In der Statistik werden allerdings nur jene Personen erfasst, die zuvor wohnhaft in der Schweiz waren. Ausländer wie David Goodall sind in dieser nicht berücksichtigt.


Die Sterbehilfe-Vereine erleben aber auch aus dem Ausland enormen Zulauf. "Exit" zählt in der Romandie und Deutschschweiz mittlerweile etwa 130.000 Mitglieder und ist damit der größte Verein für Sterbehilfe in der Schweiz. Die Mitgliedsbeiträge variieren stark, bei "Exit" zahlt man 45 Franken im Jahr oder einmalig 900. Als Grund für die Entscheidung zum Freitod geben Betroffene meist schwere Krebsleiden an. Bei "Exit" berät eine eigene Ethikkomission fallweise, ob Sterbehilfe ethisch vertretbar ist.

Hohe Folgekosten durch Behördenaufwand
Die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis zu sterben, verursacht allerdings enorme Folgekosten. Polizei, Staatsanwalt und Gerichtsmedizin rücken bei jedem dieser Fälle aus, um eine sogenannte "Legalinspektion" vorzunehmen. Diese soll die genaue Todesursache klären und für eine etwaige Entlastung der jeweiligen Organisation sorgen, um bei potentiellen Klagen von Angehörigen die Rechtmäßigkeit der Sterbefälle belegen zu können. Wie viele Personen an den Inspektionen beteiligt sind, ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich geregelt. Während im Kanton Zürich zwei Polizisten, ein Arzt und ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft zur Inspektion ausrücken, sind es im Kanton Bern bis zu acht Personen.


Der Personalaufwand für die routinemäßige Untersuchung der Suizide kostet jedoch Steuergeld. Allein im Kanton Baselland, wo "Exit" ansässig ist, entstanden für das Jahr 2017 Kosten von etwa 180.000 Franken. Thomas Lyssy, Sprecher der Staatsanwaltschaft Baselland, spricht von 1820 Franken pro Fall. "Es kann sein, dass das andere Kantone anders regeln. Das ist in der Schweiz immer etwas schwierig, bundesweite Zahlen zu bekommen". Bei 26 Kantonen lässt sich diese Zahl jedoch schätzen: Jährlich sind es bis zu 5 Millionen Franken an Folgekosten, die die Steuerzahler übernehmen müssen.

Folgekosten vermeidbar?
Die rechtsnationale Schweizer Volkspartei (SVP) zeigt sich empört ob der finanziellen Belastung. Zwar kommen die Sterbewilligen für ihre Sterbebegleitung selbst auf, die Behördenkosten werden davon allerdings nicht gedeckt. Die SVP forderte zuletzt neue Gesetze, die auch Ausländer, die zum Sterben in die Schweiz reisen, an den Folgekosten beteiligen sollen.


Moritz Gall, Jurist bei "Eternal Spirit", findet den großen behördlichen Aufwand jedoch überflüssig: "Die mit einem derart großen Einsatz verbundenen Kosten sind entbehrlich, zumal die Stiftung die notwendigen Dokumente vorliegen hat", sagte er in der "Basler Zeitung". Seine Organisation prüfe alle Unterlagen, man brauche keine Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichtsmedizin um die Legalität der Suizide zu prüfen.


Die Inspektionen seien schlichtweg nicht notwendig: Den Beweis der Todesursache (Öffnen einer Infusion durch eine urteilsfähige und sterbewillige Person) könne durch Videomaterial bewiesen werden. Jeder Todesfall werde aufgezeichnet. Gall wünscht sich eine bundeseinheitliche Lösung: Die hohen Kosten könnten nur schwer reduziert werden, wenn jeder Kanton eigene Bestimmungen habe.

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