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Ein ganzes Dorf kämpft mit Ben

Wegberger sammeln Spenden für Medikament: Ben leidet an spinaler Muskelatrophie (SMA) Typ 2. Das Medikament, das die Erkrankung stoppen könnte, gilt als das teuerste der Welt.

Wo man zurzeit in Wegberg hingeht, überall lächelt einen ein blonder Lockenkopf an. Plakate, Flyer und Spendenboxen sind in Ladenlokalen und bei Einzelhändlern. Sie alle machen auf den 15 Monate alten Ben Herrmann aus Klinkum aufmerksam. Ben hat einen Gendefekt, das starken Muskelschwund verursacht. Noch kann er sitzen, seinen Kopf aufrecht halten und mit den Beinen strampeln. Aber er kann sich nicht rollen, krabbeln oder die Trinkflasche greifen. Laut Ärzten wird Ben nicht laufen können.

Als Ben neun Monate alt war haben seine Eltern Malgorzata und Christian Herrmann gemerkt, dass etwas nicht stimmt. „Er hat den Ball nicht mehr richtig werfen können, da sind bei mir direkt alle Alarmglocken angegangen", erinnert sich Malgorzata. Kurz vor Weihnachten dann kam die Diagnose: Spinale Muskelatrophie (SMA) Typ 2. SMA wird in vier Typen eingeteilt, Ben hat die zweitstärkste. Seine Lebenserwartung wird auf 20 Jahre geschätzt.

Das ist die Aktion „Kämpft mit Ben!"

Dankeschön-Konzert Samstag, 29. Februar, ab 17 Uhr, Forum, Wegberg

Spenden Kontoinhaber: Deutsche Muskelstiftung, IBAN: DE97 6602 0500 0008 7390 04, Verwendung: Ben Herrmann

Kontakt E-Mail: info@kaempft-mit-ben.de, Website: www.kaempft-mit-ben.de, Instagram: @kaempft_mit_ben, Facebook: kaempft-mit-Ben

Die erste Reaktion auf diese Nachricht war der Kauf eines elektrischen Kinderautos. Es ist ein schwarzer Geländewagen mit Beleuchtung, Musik und lauter Hupe, indem Ben zwischen Kissen sitzen und von seinen Eltern gesteuert werden kann. „Ben brettert damit durch die Felder. Er hat so viel Spaß", sagt Malgorzata. Ben lacht viel, wenn er einen guten Tag hat. Er planscht gerne im Wasser und liebt auch Musik. Zu Hause sind die Boxen immer laut aufgedreht.

Zweimal in der Woche geht Ben zur Physio, um seine Muskeln zu reizen und trainieren. Um den Krankheitsverlauf zu hemmen und den Muskelverfall zu stoppen, wird Ben mit dem Medikament „Spinraza" behandelt. Es ist das einzige in Deutschland zugelassene Medikament zur Therapie von Muskelschwund. Innerhalb von zwei Monaten hat Ben vier Spritzen ins Rückenmark bekommen. Das ist erschöpfend und schmerzhaft. „Wir sind froh, dass Ben das Medikament bekommt", sagt Malgorzata. Allerdings wird Ben auch mit diesem Medikament nicht laufen können.

Die große Hoffnung ist ein neuer Therapieansatz aus den USA, um ein lebenslanges Erfolgsergebnis für SMA-Patienten zu ermöglichen. Das Medikament „Zolgensma" von dem Pharma-Unternehmen Novartis kostet 1,9 Millionen Euro und gilt als „das teuerste Medikament der Welt". Der Hersteller hat vor wenigen Monaten eine Lotterie gestartet, die das Medikament 100 Mal weltweit verlost. Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM) kritisiert dieses Verfahren als „unethisch". Bens Eltern aber haben sich entschieden: „Wie alle Eltern wollen wir, dass unser Kind uns überdauert."

Muss Spinraza ein Leben lang eingenommen werden, damit die Krankheit gehemmt wird, so wird Zolgensma lediglich einmal gespritzt und ein lebenslanger Erfolg versprochen. Vorausgesetzt, das erkrankte Kind bekommt dieses Medikament noch vor dem zweiten Geburtstag verabreicht. „Die Zeit drängt. Nicht nur wegen Bens zweitem Geburtstags im November, wir wollen nicht, dass noch mehr kaputtgeht", sagt Bens Vater Christian.

Bislang ist das Medikament aus den USA in Deutschland nicht zugelassen. Das heißt, dass die Krankenkassen die Therapie nicht unterstützen. Die Herrmanns stehen vor einer weiteren Hürde: Weil Zolgensma so neu und wenig erforscht ist, wollen kaum Ärzte behandeln. Die Nebenwirkungen sind noch unerforscht und die Dauer des Erfolgs wurde nicht belegt. „Wir blenden mögliche Nebenwirkungen aus. Aber es gibt Momente, in denen wir auch zweifeln", gibt Christian zu. „Aber die Hoffnung ist größer als die Angst." Obwohl Ben mit SMA Typ 2 an der Lotterie nicht teilnehmen kann, geben die Herrmanns nicht auf und starten die Spendenaktion „Kämpft mit Ben!", um Geld für das Medikament zu sammeln, das Lebensqualität verspricht.

Dabei stoßen sie auf überwältigende Unterstützung. Vereine und Mitbürger haben sich zusammengerottet, die Anteilnahme ist riesengroß - auch weit über die Dorfgrenzen hinaus. So konnten nach nur zwei Wochen über 100.000 Euro an Spenden gesammelt werden. Dennoch ist das nur ein kleiner Teil von dem 1,9-Millionen-Euro-Batzen. So ist zwischen dem 23. und 27.März ein Spendenlauf geplant, bei dem schon über 4000 Teilnehmer zugesagt haben. Am Samstag, 29. Februar, findet im Forum in Wegberg ein Dankeschön-Konzert für alle Spender statt bei dem unter anderem fünf Bands mit Bens Lieblingsmusik auftreten werden, Kinderaktivitäten geplant sind und Borussias Maskottchen Jünter zu Gast ist. Für den 2. Mai wird ein ComedyAbend für Ben organisiert. Familie Herrmann bleibt weiterhin unbeugsam positiv.

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