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Chemieunfälle: Mit Wasserschleier und Schutzanzug

Als am Dienstagmittag der Alarm im Industriepark Höchst ausgelöst wurde, wussten die Anwohner, was zu tun ist. Fenster zu, Türen zu, Belüftungssysteme ausschalten. Etwa eine Stunde dauerte der Alarm an, bis die Feuerwehr Entwarnung gab. Wieder einmal war giftiger Chlorwasserstoff aus einem Chemiebetrieb entwichen. Ein Vorfall, wie er in Frankfurt im Durchschnitt einmal im Jahr vorkommt - in der Regel mit harmlosen Folgen.

Doch auch, wenn Chemie-Unfälle eher selten vorkommen, so ist die Feuerwehr auf solche Szenarien besonders gut vorbereitet. Innerhalb von Minuten muss sie verhindern, dass sich die Wolke ausbreitet. Zudem gilt es, die Bevölkerung so schnell wie möglich zu warnen.

Bei Unfällen im Industriepark Höchst entscheidet zunächst die Werkfeuerwehr, ob der Vorfall auch die umliegenden Stadtteile betreffen könnte. Ist das der Fall, wird der Sirenenalarm ausgelöst, wie es auch am Dienstag der Fall war. Der Industriepark kann ihn für jeden einzelnen anliegenden Stadtteil auslösen.

Nachdem die Anwohner gewarnt sind, werden die Behörden informiert. Bei Unfällen in Betrieben, die keine Werkfeuerwehr haben, erfolgt dies sofort, damit die Berufsfeuerwehr übernehmen kann. Die Feuerwehr behandle so einen Notruf zunächst wie jeden anderen, erläutert Markus Röck, Sprecher der Frankfurter Berufsfeuerwehr. Die zentrale Leitstelle trage die Informationen in ein Computersystem ein. Dieses alarmiere dann automatisch die notwendige Zahl an Einsatzfahrzeugen. Währenddessen bilde sich ein Führungsstab, der koordiniere, was in diesem Fall zu tun sei, um die Situation so schnell wie möglich wieder in den Griff zu bekommen. Ein solcher Katastrophenstab werde immer in größeren Gefahrensituationen organisiert, damit die zentrale Leitstelle sich weiter um den Alltag kümmern könne, sagt Röck. „Nur weil in Höchst ein Gefahrenstoff austritt, hat Oma Herta trotzdem noch einen Herzinfarkt."

In der Messzentrale im Hauptgebäude der Feuerwehr wird zuallererst berechnet, wohin sich die Chemikalie ausbreitet. Zum einen, um die Situation einschätzen zu können, zum anderen, damit die Einsatzfahrzeuge nicht in die giftige Wolke hineinfahren. Neben Standardfahrzeugen, die eine Grundausstattung für unterschiedliche Notfälle mit sich führen, werden bei Chemie-Unfällen auch spezielle Fahrzeuge eingesetzt. So zum Beispiel ein sogenannter Abrollbehälter, der spezielle Geräte wie eine Gefahrenstoffpumpe sowie Schutzkleidung transportiert. Oder ein fahrendes Labor, das direkt am Unglücksort Analysen vornehmen kann. Das sei zwar nicht so gut wie ein großes Universitätslabor, aber könne die Gefahr dennoch sehr schnell und gut einschätzen, sagt Röck. Zudem fahren spezielle Fahrzeuge an Messpunkte in der Nähe und nehmen Luftmessungen vor, um genauer zu bestimmen, bis wohin sich der Gefahrenstoff ausgebreitet hat.

Am Einsatzort steht die Berufsfeuerwehr im ständigen Kontakt mit der Werkfeuerwehr. Im Falle einer austretenden Chemikalie gehe es darum, diese einzufangen, um eine weitere Verbreitung zu verhindern, erläutert Röck. Dazu wird ein sogenannter Wasserschleier gelegt, indem Wassernebel gesprüht wird. Fast alle chemischen Stoffe werden in Wasser gebunden. Aus dem Gas wird ein flüssiger Stoff, der dann abregnet und beseitigt werden kann. Die Berufsfeuerwehr selbst wird erst dann tätig, sobald die Gefahr sich auf die umliegenden Wohngebiete ausbreitet. Solange bleibt sie in Bereitschaft.

Bei dem Chemie-Unfall diese Woche wurde keine Gefahr für die Anwohner festgestellt. Auch im Industriepark gab es keine großen Schäden. „Der Gasaustritt konnte sehr schnell gestoppt werden", sagt Michael Müller, Sprecher des Parkbetreibers Infraserv Höchst. Deshalb sei auch nur eine geringe Menge des Chlorwasserstoffs entwichen.

Auch, wenn in diesem Fall die Gefahr schnell gebannt war, warnt Röck davor, solche Alarme nicht ernst zu nehmen. Er appelliert an die Bevölkerung, sich in solchen Situationen an die Regeln zu halten; auch im Sinne einer Vorbildfunktion. „Das ist wie mit einer roten Ampel. Sobald einer einfach losgeht, gehen alle".

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