Es ist natürlich eine zweischneidige Sache. Einerseits ist es schade, dass man immer noch darüber als Problem reden muss. Andererseits ist es super, dass es sich als Label für Alltagssexismus etabliert hat und immer noch benutzt wird. Es ist auch klar, dass so ein komplexes Problem wie Sexismus nicht innerhalb von eineinhalb Jahren durch ein Hashtag abgeschafft werden kann. Aber wenn es dazu beitragen kann, das Problem zu bekämpfen, ist das natürlich toll.
Verfolgst du noch, was unter deinem Hashtag getwittert wird?Seltener, muss ich gestehen. Aber das liegt auch daran, dass ich das sozusagen in die Welt entlassen habe, in der Nacht, als das losging. Es wäre auch ein bisschen anstrengend, wenn ich das noch weiter verfolgen würde.
Mit #aufschrei hast du geschafft, dass wieder viel über Sexismus geredet wird. Aber hast du auch das Gefühl, dass sich dadurch politisch etwas bewegt in Sachen Gleichheit der Geschlechter oder gegen Diskriminierung?Nein, wegen der Tweets alleine nicht, aber aufgrund der entstandenen Debatte ist das Thema wieder präsenter. Zum Beispiel auch in den Medien. Vielleicht nicht in der Heftigkeit, wie es Anfang 2013 der Fall war, aber es ist immer noch spürbar und viel mehr Menschen haben jetzt ein Auge dafür. Politisch kann da noch sehr viel mehr gemacht werden, da finde ich es immer noch sehr erbärmlich, dass da nicht soviele Statements kamen, als die Debatte losging. Jetzt denke ich aber, wir sind auf einem ganz guten Weg mit Manuela Schwesig als Frauenministerin. Die hat da durchaus einige Visionen. Aber da ist definitiv noch Luft nach oben.
Deswegen hast du ja wahrscheinlich auch das Buch geschrieben, "Weil ein Aufschrei nicht reicht". Was muss in Deutschland in Sachen Gleichberechtigung dringend angepackt werden?Da ist natürlich das Thema sexuelle Selbstbestimmung ein Klassiker, im Bezug auf die "Pille danach" oder den Paragraphen 218. Da steht immer noch, dass Schwangerschaftsabbruch strafbar und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei ist. Und es gibt einfach schon ein paar Länder, die Abtreibung als Menschenrecht anerkannt haben. Und die "Pille danach" wird ganz stark von den meist männlichen Politikern der Union blockiert, die der Meinung sind, sie wissen besser, was für Frauen gut ist, und ihnen damit eine sinnvolle und notwendige Notfallverhütung verweigern.
Siehst du dich denn als Feministin?Absolut, ja! Ich hoffe, nach dem Lesen meines Buchs tun das auch noch ein paar mehr.
Feministin ist ja immer noch ein Schimpfwort, das nicht so gut ankommt bei den meisten. Das hat die Rede von Emma Watson vor der UNO auch gezeigt, da ging ein Shitstorm los. Warum hat Feminismus so ein schlechtes Image?Weil wir an den Grundfesten rütteln, auf denen unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Unsere Gesellschaft ist sexistisch, diskriminierend, verwoben mit Homophobie, Transphobie oder auch Rassismus. Das sind Dinge, die so in uns drin sind. Und wenn man sich davon befreit, indem man sich stärker mit Feminismus auseinandersetzt, merkt man: Eine gerechte Gesellschaft sollte eigentlich ganz anders aussehen. Dann rüttelt das an den Grundfesten. Es gibt immer Leute, für die das schwer zu verstehen ist, und die müssten dann einfach bestimmte machtvolle Positionen aufgeben. Deswegen hören die das nicht gerne, wenn man das kritisiert.
Dein Titel "Weil ein Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute" legt nahe, dass du mit dem Buch mehr als eine Debatte anstoßen willst. Was ist dein Ziel?Mein Ziel ist es, dass Leute besser verstehen, worum es beim Feminismus geht, dass sie in die aktuellen Debatten einsteigen, aber ihnen auch eine Handhabe gegeben wird, was sie selber tun können - im Kleinen wie im Großen. Also vielleicht nicht gleich die große Demo organisieren, sondern erstmal im Familienkreis anfangen, darüber zu reden und zu schauen, was auch andere dazu zu sagen haben. Dazu habe ich verschiedene Ressourcen zusammengetragen, die hoffentlich dazu inspirieren, selbst aktiv zu werden.
Dein Buch ist ein bisschen wie ein Blog geschrieben: viele Absätze, Großbuchstaben und zum Beispiel "Moooment" mit vielen Os. Macht das das Lesen leichter - oder was hast du damit bezwecken wollen?Ja, das ist mir sehr wichtig und so schreibe ich auch, weil ich eben mittlerweile schon seit 2006 blogge. Insofern war es mir wichtig, das für das Buch genauso zu machen.