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Der Bilderpapst und das Amt

Ein Solo auf der selbstgebastelten Schrott-Gitarre

Der Bilderpapst und das Amt


Als Aktions- und Installationskünstler sorgte Markus Metz unter anderem auf der documenta für Aufsehen. In seiner Heimatstadt Wiesbaden hingegen bekam er weitaus weniger Anerkennung. Jetzt hat der Mann mit der bunten Schrottkunst ihr den Rücken gekehrt.



Markus Metz oder Max Bienefeld, wie er sich selbst nennt, macht Kunst aus Schrott und Schmuck aus Kronkorken. Unmengen davon hat Metz plattgeklopft, mit lustigen Comicbildern oder indischen Gottheiten beklebt oder bemalt und zur Probe auf Kleinkunstmärkten wie dem Wiesbadener Blaue Orangen Kreativmarkt angeboten. Aus alten Kassettenrekordern, Handyplatinen oder Tennisschlägern fertigt der als freier Künstler lebende Sozialpädagoge Gitarren an. Ob man auf denen auch spielen kann? „Aber klar doch", verkündet er stolz und legt sogleich auf einem dieser instrumentalen Frankensteins eine Demo ein. Während er spielt, leuchten LED-Lämpchen.

Bei Metz regiert das künstlerische Chaos. Das Fehlen von Möbeln in seiner Wohnung fällt erst gar nicht auf. „Tja, das meiste ist schon weg, ich bin gerade mitten im Umzug. Mit Wiesbaden bin ich fertig." Nach fast vierzig Jahren kehrt der Autodidakt seiner Heimatstadt enttäuscht den Rücken. „Es sind hier so viele miese Geschichten gegen mich gelaufen. Eigentlich ist es fast ein Wunder, dass wir uns hier so unterhalten können." Die Geschichte, die Metz inmitten vom upcycelten Schmuck und Schrottgitarren erzählt, ist teils tragisch. Denn für ihn wurde die im Volksmund amüsante Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?" bittere Realität: Vor sieben Jahren wurden seine gesamten Kunstwerke, die er in drei Überseecontainern auf dem Schlachthofgelände lagerte, abtransportiert und auf einer Mülldeponie vernichtet. „Ich werde hier als Künstler nicht anerkannt und fühle mich von denen gemobbt." Mit „denen" meint er die Mitarbeiter des Kulturamtes der Stadt Wiesbaden. Seit Jahren würden seine Anträge nicht bearbeitet, so Metz, und er als Künstler einfach ignoriert: „Und das, obwohl ich schon viel erreicht habe."


Der Uneingeladene 

 Dabei schien das Glück anfangs auf seiner Seite. Nach einer Ausbildung zum Drucker studiert Metz Sozialwesen an der FH Wiesbaden. Doch schon bald merkt er, dass eine andere Seele in ihm wohnt - die eines Künstlers. Er sucht Räume und wird auf dem alten Sarotti-Gelände in Hattersheim fündig. Dort eröffnet er sein Atelier „Der Quasar". Seine Kreativität scheint unbegrenzt. Anfangs malt er ganz klassisch auf Leinwand. Irgendwann beginnt er, andere Untergründe auszuprobieren, entwickelt Konzepte für Aktions- und Installationskunst, musiziert. Ein Kreativer durch und durch, ein „Bilderpapst", wie er sich später nennt. Als 2002 die documenta in Kassel eröffnet, beschließt er „spontan", dort mitzumachen. Er packt sein aktuelles Projekt, ein Dutzend buntbemalter Schultische und -stühle und stellt sie vor dem Hauptplatz der documenta auf. Da er nicht eingeladen ist, fordert ihn die Ausstellungsleitung unter „Polizeiandrohung" auf, die Tische vom Gelände zu entfernen. Doch die Besucher sind begeistert. Bei der Erinnerung daran muss Metz lachen. „Plötzlich kamen Menschen auf mich zu und fragten mich, ob sie auch was darauf malen könnten." Metz willigte ein, das Projekt wurde zum Selbstläufer. Immer mehr Besucher kamen und brachten noch mehr Tische mit. „Am Ende standen da hundert bemalte Tische", lacht Metz. Die Aktion lohnte sich für ihn auch finanziell: Jerry Speyer, ein Kunstsammler aus New York, kaufte zehn seiner Tische auf. Sie zieren heute einen Raum des Rockefeller Centers in New York.


Als bekannt wurde, dass die Fabrik - und somit sein Atelier - abgerissen werden soll, weigerte er sich, auszuziehen. „Ich sah es nicht ein, dass sie ein so großes Gebäude abreißen wollen. Ich versuchte, die Fabrik zu retten." Er schrieb an die Nestlé AG, der die Sarotti-Fabrik gehörte, und stellte sogar Konzepte vor, wie man die Räume für Kunstschaffende nutzen könnte. „Vergebens", sagt Metz und klingt auch heute noch resigniert. „Es ist komisch in diesem Land, es ist alles da, aber es wird Energie darauf verwendet, zu verhindern, dass damit was gemacht wird." Also zog Metz zurück nach Wiesbaden. Zur Aufbewahrung seiner gesamten Kunstwerke bekam er vom Fabrikeigentümer drei Überseecontainer als „Entschädigung". Metz mietete einen Stellplatz auf dem Schlachthofgelände und sann darüber nach, wie es weitergehen soll.

Zur gleichen Zeit begann der Wiesbadener Kunstsommer. 


Diese vom Kulturamt ausgerichtete Veranstaltung, in der zeitgenössische Künstler an öffentlichen Orten ihre Projekte ausstellen, sollte in jenem Jahr auf dem Schlachthofgelände stattfinden, unweit der Container. „Ich ging hin und schaute mir das ein paar Tage lang an", erzählt Metz. „Es waren keine Künstler vor Ort", kritisiert er. „Drei Monate standen irgendwelche Sachen da, fünf Leute liefen vorbei und bekamen von einem Führer erzählt, warum das jetzt Kunst ist." Dies entsprach so gar nicht seinem Selbstverständnis als Künstler, für den es zur Kunst gehört, auch Spontaneität und Interaktion mit den Besuchern zuzulassen. Aus diesem Grund, wohl aber auch in der Hoffnung, auf sich aufmerksam zu machen, habe er sich in den Kunstsommer „eingemischt". Nachdem ein Sturm einige der Kunstwerke zerstört hatte, fertigte Metz aus den Überresten eine neue „Skulptur": ein Aussichtsplateau, das er mit beschädigten Styroporplatten des Künstlers Takafumi Hara bekleidete.


Die Zeitung nennt es Vandalismus 

Doch der documenta-Erfolg ließ sich nicht wiederholen, denn seine Installation auf dem Kunstsommer wurde als Kunst nicht erkannt. „Viele der Installationen sind Opfer von Vandalismus", vermeldete etwa ein Wiesbadener Lokalblatt. „Das hat einfach nicht gestimmt", empört sich Metz, „das ist Kunst!" Eines erreichte der nonkonforme Künstler schon: Er war in den Medien, man redete über ihn. „Subtil weisen die Zeichen seiner Anwesenheit auf die Leerstellen des Kunstsommers und der dafür Verantwortlichen hin", schrieb damals dasselbe Blatt über den ungeladenen Künstler. „Vielleicht war es ja naiv von mir, aber ich hoffte wirklich, dass die Kulturämter vielleicht jetzt, wo die Zeitungen über mich schrieben, auf mich aufmerksam werden", räumt Metz heute etwas selbstkritisch ein. Noch immer hoffte er, etwa seine Idee eines interaktiven Ateliers mit Unterstützung des Kulturamtes zu verwirklichen. Doch es blieb still. Seitdem ist sich Metz sicher: Als Künstler hat er in Wiesbaden keine Chance, das Kulturamt ignoriert ihn absichtlich.

„Wir sind eigentlich sehr überrascht, von ihm zu hören, er werde als Künstler nicht anerkannt", reagiert Jörg-Uwe Funk, stellvertretender Amtsleiter vom Kulturamt Wiesbaden, auf die Vorwürfe. „Als Herr Metz damals auf uns zukam, lief der Kunstsommer bereits. Er wurde ja kuratiert, alle Künstler wurden schon vorher ausgesucht. Andererseits war das, was er angeboten hatte, etwas, bei dem wir auch sagen mussten, das ist nicht die Qualität, die wir in diesem Zusammenhang ausstellen wollten. Das hatte mit ihm als Person erst mal gar nichts zu tun." Markus Metz sieht das Problem woanders und kritisiert stattdessen die „Verbürokratisierung" der Kunst. „Das ist doch total unfrei!", regt er sich auf. „Im Endeffekt geht's nur um Geld-hin-und-her-Schieberei und darum, dass man weiß, was man dem Amt schreibt, damit sie beruhigt sind." Dass seine Anträge nicht bearbeitet wurden, kann Vize-Amtsleiter Funk allerdings nicht bestätigen. „Ehrlich gesagt haben wir seit dem Sommer 2006 von Herrn Metz gar nichts gehört."


Wenn Kunst zu Schrott wird 

Die Berichterstattung rund um Metz und den Kunstsommer trat eine Lawine los. „Die Zeitungen schrieben, ich hätte diese Container bereits als Atelier genutzt, was aber nicht stimmte." Schon bald bekam er Post vom Stellplatzbetreiber mit der Aufforderung, er müsse die Container entfernen, da er sie missbräuchlich als Arbeitsplatz nutze. Alle Versuche seinerseits, diese „Falschmeldung" richtig zu stellen, seien ohne Erfolg geblieben, sagt Metz. Als er sich eines Tages, wie gewohnt, zu seinen Containern begab, war alles, was er vorfand, ein leerer Parkplatz. „Sie hatten meine Kunstwerke auf eine Mülldeponie gebracht", erinnert er sich und lacht resigniert. „Es wurde alles zerstört. Da waren die documenta-Schulmöbel drin, Gitarren, Mischpulte und Gemälde - das war mein Lebenswerk! Ich sagte ihnen noch, das können sie doch nicht machen, das sind meine Kunstwerke. Aber sie meinten, Kunst sei es nicht." Handelte die Stadt Wiesbaden wirklich illegal und ließ den Inhalt der Container, ungeachtet dessen, dass es sich um Kunstwerke handelte, zerstören? Zumindest aus einem Amtsschreiben vom 19. Januar 2007 an Markus Metz geht hervor, dass das Amt für Wirtschaft und Liegenschaften die Stadt Wiesbaden darum bat, gerichtliche Schritte gegen den Künstler einzuleiten, weil dieser der Aufforderung nicht nachkomme, die Container vom Gelände zu entfernen. „Sollte die Frist fruchtlos verstreichen, werden wir ohne weitere Ankündigung eine Räumungsklage erheben."


Neuer Dom für den Bilderpapst 

„Diese Geschichte hat mich fast das Leben gekostet", gesteht Metz. Es folgten Gerichtsverfahren gegen die Logistikfirma, Abrutsch in die Sozialhilfe, Depression. Das Gericht gab dem Künstler recht, doch bis heute ist die Höhe des Schadensersatzes unklar. „Mit Tricksereien versuchen sie, mich um den Schadenersatz zu bringen und behaupten, das, was da drin war, war keine Kunst." Den Ausgang des Rechtstreits wartet der Bilderpapst nun in seinem neuen Atelier an der Ostsee ab, wohin er im Mai dieses Jahres zog. Hier hat er einen Mäzen gefunden, dem seine Kunst gefällt und der ihn fördert. „Die Schmuckkollektion mit den Kronkorken will ich auf jeden Fall weitermachen und sie demnächst über einen Online-Shop verkaufen. Und ich habe noch viele weitere Ideen", verrät Metz und klingt hoffnungsvoll. Der Bilderpapst ist wieder mittendrin in seinem Schrottkunstimperium.

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