Özlem, dem Text, den du in Klagenfurt lesen wirst, dient der Brandanschlag von Solingen aus dem Jahr 1993 als Ausgangspunkt, bei dem fünf Menschen starben und 17 zum Teil bleibende Verletzungen erlitten.
Ich komme selbst aus Solingen und war zehn, als der Anschlag passierte. Fürs Studium zog ich in der Zeit nach Leipzig, in der viele Brandanschläge auf Flüchtlingsheime verübt wurden, und begegnete dort zusätzlich den Demos von Legida und Pegida, die mich an diesen spezifischen und weitere rassistisch motivierte Brandanschläge in den Neunzigerjahren in Deutschland erinnerten. Das Thema hat mich schon lange beschäftigt, aber ich wollte es auch von mir selbst fernhalten - aus Angst, dass es mir zu viel ist, und weil ich nicht wusste, wie ich dem literarisch überhaupt gerecht werden kann. Die ersten beiden Monologe lagen zweieinhalb Jahre in meiner Schublade, bis ich wusste, wie ich weiter an dem Text arbeiten kann, und eine Sprache für das gefunden hatte, was ich erzählen will - damit es nicht unpassend klingt, aber trotzdem künstlerisch funktionieren kann. Als Autorin übersetzt man immer die eigene Wahrnehmung und Stimmung mit.
Hilft das Fiktive, um darüber zu schreiben?
Ja, weil man nicht dokumentarisch abbilden muss, sondern sich die Freiheit nehmen kann zu zeigen: Diese Situation hätte überall passieren können, auch bei anderen Brandanschlägen. Wenn ich nicht aus Solingen käme und keine Türkin wäre, wäre das schwer einzuordnen, weil sich im weiteren Verlauf der Handlung Fakten und Fiktives vermischen. Denn mir geht's nicht explizit um diesen einen Brandanschlag, sondern um die Wiederholung davon und dass sie scheinbar nicht aufzuhalten ist. Auch heute werden Flüchtlingsheime angezündet. Die Täter legen da nicht zum Spaß Feuer - sondern wollen Leute töten. Ich weiß nicht, wieso das so unterschätzt wird. Es ist Teil der Welt, in der wir leben.