Georg Thiersch vom Münchner Büro 1zu33 im Gespräch
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von Judith Jenner, 21.10.2020
1zu33 wurde 1999 von Hendrik Müller gegründet. Acht Jahre später stieß sein Büropartner Georg Thiersch hinzu. Beide studierten in Stuttgart bei David Chipperfield, der jedes Projekt vom Möbel bis zum Hochbau immer im Maßstab 1:33 plante. Den ungewöhnlichen Namen für ihr Büro wählten die Architekten, weil er auf ideale Weise Architektur und Innenarchitektur verbindet. Darüber hinaus verstehen sie sich inzwischen auch zunehmend als Kommunikations- und Beratungsagentur. Zu ihren Projekten gehören Showrooms und Messestände für Kunden wie Aesop oder Gaggenau, aber auch private Immobilien im gehobenen Segment.
Herr Thiersch, Sie haben gemeinsam mit Wilkhahn das Konzept „Human Centered Workspace" realisiert. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Georg Thiersch: Wilkhahn hatte uns angefragt, Bildmaterial für seine Markenwelt zu entwickeln. Mit unserer Konzeption haben wir angeregt, den Rahmen etwas größer zu fassen und ein virtuelles Projekt für einen fiktiven Bauherrn mit einem sehr weit gestreckten Anforderungsprofil zu entwickeln. So werden die Produkte in dem Rahmen gezeigt, in dem sie auch tatsächlich verwendet werden. Herausgekommen ist eine beispielgebende Planung für neue Arbeitswelten, an der sich andere Planer orientieren können. Was bedeutet „Human centered Workplace"? Der Begriff beschreibt die Überzeugung von Wilkhahn, eine Büro nicht nur nach pragmatischen, sondern vor allem nach menschlichen Dimensionen zu planen. Das ist auch der Grund, warum dieses Projekt im Kopenhagener Stadtteil Nordhavn verortet ist. Wie kaum eine andere Gegend könnte dieses Viertel in der Stadtentwicklung in Europa eine Vorreiterrolle haben, wie man Leben und Arbeiten gut vermischt mit einer Architektursprache, die beispielgebend ist. Mit den sehr spannenden Gebäuden auf dem eigenen Campus hat Wilkhahn eine starke Beziehung zu beispielgebender Architektur, sie steckt in der DNA des Unternehmens. So haben wir versucht, ein Umfeld zu finden, das dem ebenbürtig ist. In Nordhavn gibt es ja nicht nur Neubauten, sondern auch Bestand wie Lagerhallen, die auf eine sehr schöne Weise genutzt und neu zum Leben erweckt werden. Ich halte das auch im Sinne der Nachhaltigkeit für einen wichtigen Punkt.
Spielt das auch bei Ihrer Arbeit für andere Kunden eine wichtige Rolle? Ja. Auch wenn wir überwiegend im Innenraum tätig sind, bringt das immer eine Auseinandersetzung mit dem Bau mit sich. Gerade in Zeiten von Corona, in denen viele Unternehmen große Investitionen scheuen, spielt es eine wichtige Rolle, wie bestehende Gebäude reaktiviert werden können, ohne sofort über Neubauten nachzudenken. Wie war es für Sie, ein Projekt ausschließlich virtuell zu entwickeln? Es gab keinen Unterschied zu einem realen Projekt. Vorbereitend haben wir uns einen imaginären Bauherrn geschaffen für ein realitätsnahes Anforderungsprofil mit dem Ziel, ein möglichst breites Bild von unterschiedlichen Büroszenarien und Funktionen abzubilden wie Bereichen für Schulungen, Think Tanks, Einzelbüros und vielem mehr. Die Planung haben wir dann sehr realistisch und detailreich angepackt.
Was war die größte Herausforderung? Die Möglichkeiten der Kommunikation in der Architektur stecken zum einen in der Form, aber noch wesentlicher im Material. Hier eine Welt virtuell entstehen zu lassen, die dennoch Materialität spüren lässt, war eigentlich die größte Herausforderung. Viele unserer Projekte haben einen kommunikativen Strang, mit dem wir die Firmen-DNA über die Anwendung bestimmter Materialien transportieren. Das in einem Rendering darzustellen, hat sehr viel Einzelabstimmung erfordert. Welche Rolle spielten Materialien? Eine sehr wichtige Rolle. Es ist sozusagen eine Art Kanon, der dort entstanden ist, weil Farben und Materialien bestimmte kommunikative Eigenschaften haben, wie die Räume zu verwenden sind. Holz mit Maserung ist beispielsweise immer etwas sehr Persönliches. Wenn Flächen farbiger gestaltet sind, hat es eher den Charakter eines Präsentationsmöbels. Diese Eigenschaften galt es mit den Eigenschaften von Wilkhahn in Einklang zu bringen. Der Aufwand steckte darin, wirklich Wohlbefinden zu erzeugen. Ein Tisch, der sich zusammenklappen lässt oder auch als Whiteboard verwendet werden kann, ist einfach sehr nah am Menschen und seinen Bedürfnissen dran.
Sind Büros in Zeiten, in denen das Recht auf Homeoffice diskutiert wird, nicht eine aussterbende Gattung? Ich denke eher, dass die Wertschätzung des Büros steigen wird. Das Büro wird sich zu einem Ort entwickeln, an den ich nicht gehen muss, sondern gehen darf. Der Kontakt zu Kollegen ist wichtig für die Identifikation mit dem Unternehmen. Wir haben alle erlebt, wie schwierig es ist, in Videokonferenzen einen Funken, eine Begeisterung überspringen zu lassen. Es ist wichtig, dass wir Büros neu denken sollten im Sinne von: Wie müssen wir Arbeitsplätze gestalten, damit wir mit solchen Situationen wie einer Pandemie flexibel umgehen können? Ist es eine Lösung, dass die Mitarbeiter nur in einem bestimmten Zeitraum kommen? Dafür gilt es, Konzepte zu schaffen.