Irgendwann sagt der sonst so wortkarge Jung-su in „Burning" diesen einen Satz, mit dem er den ganzen Film, ja, eine ganze Weltsicht in einem Atemzug zusammenfasst. Warum er, der er doch Schriftsteller werden will, nicht wisse, worüber er schreiben soll. Er entgegnet: „Weil mir die Welt ein Rätsel ist." Man möchte ihm beipflichten. Denn als ein solches Rätsel präsentiert sich die Welt im sechsten Film des südkoreanischen Altmeisters Lee Chang-dong, der sich zunächst als Schriftsteller einen Namen gemacht hat und in seinen poetischen, präzise beobachteten Sozialdramen seine Heimat Südkorea in den Lebensläufen ihrer Außenseiter verdichtet.
Mit „Burning" ist ihm sein Meisterwerk gelungen. Es ist einer jener seltenen Filme, deren hypnotische Wirkung ihren Höhepunkt erreicht, wenn der Abspann längst vorbei ist. Liest man im Nachhinein in den Bildern und Gesten, den Worten und Bewegungen, beginnt sich in scheinbar unbedeutenden Gesichtsausdrücken und beiläufigen Bemerkungen ein Abgrund aufzutun, der einen anstarrt.
Es beginnt in den Straßen von Seoul. Die Kamera folgt dem jungen Jong-su, der einsam und unbeholfen durch die Welt strauchelt. Vielleicht ist er auch schon gescheitert. Nach seinem Creative-Writing-Studium hält er sich mit Teilzeitjobs über Wasser und muss in sein provinzielles Elternhaus zurückkehren, weil sein verschuldeter Vater vor Gericht steht. Dort trifft er nach Jahren Hae-mi wieder. Die beiden gehen etwas trinken, Hae-mi erzählt, dass sie bald nach Afrika reist, und bittet Jong-su in ihrer Abwesenheit, ihre Katze zu füttern. Vor ihrer Abreise schlafen sie miteinander.
Auch Hae-mi, die als Hostess arbeitet, ist gestrandet. Doch noch viel mehr ist sie eine Suchende. Sie verzehrt sich geradezu danach, einen Sinn, einen Zweck im Leben zu finden. Manchmal, wenn die innere Leere besonders tief sitzt und die Sehnsucht, diese zu füllen, umso stärker brennt, möchte sie einfach verschwinden. Jeon Jong-seos Gesichtsausdruck ist dieses Drängen so eindrücklich eingeschrieben, dass man kaum glauben kann, dass es sich um ihr Schauspieldebüt handelt.