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Frauenfußball: Verschobene Machtverhältnisse

Potsdam und Frankfurt waren lange die deutschen Topteams, doch Bayern und Wolfsburg sind enteilt. Wie haben sich die Machtverhältnisse so deutlich verschoben?

An diesem Sonntag spielen die Vergangenheit und Gegenwart des deutschen Frauenfußballs gegeneinander: Der 1. FFC Frankfurt empfängt Turbine Potsdam (13 Uhr), der VfL Wolfsburg tritt beim FC Bayern München an (15 Uhr, TV: jeweils MagentaSport). Es ist der erste komplette Spieltag der Frauen-Bundesliga-Saison nach der Winterpause.

Jahrelang prägten Potsdam und Frankfurt die Liga. Zwischen 1998 und 2012 gewannen beide Klubs zusammen 13 Meisterschaften, sechs gingen an Potsdam, sieben an Frankfurt. Doch diese Dominanz ist gebrochen, seit der VfL Wolfsburg 2013 zum ersten Mal Meister wurde. Seitdem kamen drei weitere nationale Titel für die Niedersachsen dazu, darüber hinaus zwei Champions-League-Triumphe sowie fünf Pokalsiege. Im Sommer 2015 feierten die Frauen des FC Bayern dann ihre erste Meisterschaft seit 1976. Den Titel verteidigten sie im Folgejahr.

Nur noch vier Bundesligisten ohne Männerabteilung

Wolfsburg und Bayern sind zwei Vereine, in denen es auch eine starke Männerabteilung gibt. Dass gerade solche Klubs im Frauenfußball dominieren, ist kein Zufall. Auch Hoffenheim, Bremen, Duisburg, Mönchengladbach, Freiburg und Leverkusen unterhalten Männerteams und spielen mit ihren Frauenmannschaften aktuell in der Bundesliga. "Langfristig werden diese Vereine die Liga übernehmen," sagt Karin Danner, seit 1995 Managerin der Frauen des FC Bayern. Mit der SGS Essen, dem SG Sand sowie Potsdam und Frankfurt stehen heute schon nur noch vier Vereine ohne Männerabteilung in der zwölfköpfigen Bundesliga.

Bayern und Wolfsburg mit deutlich höheren Etats als die Konkurrenz

Den Vereinen mit Männerfußball-Abteilungen steht mehr Geld zur Verfügung, und sie sind damit im Kampf um die Topspielerinnen sowie beim Thema Infrastruktur im Vorteil. Bei Potsdam lag der Etat vergangene Saison bei etwa 1,8 Millionen Euro. Frankfurt soll sich in ähnlichen Dimensionen bewegen.

Bei den Bayern und Wolfsburg werden hingegen die Etats auf das Doppelte geschätzt. Hinter dem VfL steht der finanzkräftige VW-Konzern: In der Saison 2017/2018 soll der Etat des Frauenteams 3,5 Millionen Euro betragen haben. Im Vergleich zu den Ausgaben von VW für die VfL-Männer sind das zwar immer noch Kleinstbeträge, der Personaletat der Wolfsburger Männer soll 2017/2018 bei 78 Millionen Euro gelegen haben. Aber für die nationale Konkurrenz sind die 3,5 Millionen Euro der VfL-Frauen unerreichbar.

Die kleineren Klubs müssen oftmals mit kaum mehr als 500.000 Euro auskommen, viele Mitarbeiter sind hier ehrenamtlich. 2015 verzichtete der 1. FC Lübars auf den sportlich eigentlich erreichten Aufstieg - aus finanziellen Gründen. Die Berlinerinnen hatten in der Zweiten Bundesliga Nord nur einen Etat von 200.000 Euro. Viel größere Sprünge waren nicht möglich.

Die Zuschauerzahlen in den Stadien sinken seit Jahren

Siegfried Dietrich dürften die verschobenen Machtverhältnisse eigentlich nicht erfreuen. Dietrich ist Manager des 1. FFC Frankfurt und seit 1992 im Verein. Aber er sagt: "Ich bin weit weg davon zu jammern. Ich sehe das große Ganze, und das ist eher positiv." Der langjährige Ligasprecher hatte sich darum bemüht, dass bereits bestehende Männerklubs auch im Frauenfußball einsteigen. Sie würden für "mehr Wettbewerb, mehr Aufmerksamkeit und eine größere Attraktivität" sorgen, glaubte Dietrich.

Die Zuschauerzahlen in den Stadien der Frauen-Bundesliga sinken seit 2013. Während damals noch durchschnittlich 1185 Besucher pro Spiel kamen, waren es in der vergangenen Saison nur noch durchschnittlich 846. Das dürfte auch an der vermehrten TV-Präsenz liegen, sagt Dietrich. Der Sender Sport1 überträgt seit der Saison 2016/2017 ausgewählte Topspiele der Frauen-Bundesliga. Auch MagentaSport (früher Telekomsport) hat Übertragungsrechte.

Beim Thema attraktiverer Wettbewerb hingegen ist die Frage, ob die Vorherrschaft des FC Bayern und des VfL Wolfsburg nicht für weniger Spannung gesorgt hat. Dietrich wertet das anders: "Im ersten Moment wirkt das natürlich wie eine neue Dominanz, aber der Wettbewerb ist das Entscheidende. Es wäre schlimm, wenn weiterhin nur Potsdam und Frankfurt um die Meisterschaft spielen würden. Dann wäre das sehr langweilig", sagt der Frankfurter Manager.

Olympique Lyon ist der Topverein

Um die Meisterschaft spielt Frankfurt schon länger nicht mehr. Wolfsburg und Bayern sind enteilt. Momentan liegt der 1. FFC als Sechster 15 Punkte hinter dem Tabellenführer Wolfsburg. Potsdam hat als Tabellendritter acht Zähler Rückstand. Im vergangenen Jahr lag Potsdam elf Zähler hinter Meister Wolfsburg, Frankfurt sogar 25 Punkte. "Dass Frankfurt und Potsdam wieder an die Spitze kommen, sehe ich nicht. Ihnen fehlen dazu die finanziellen und infrastrukturellen Möglichkeiten", sagt Bayern-Chefin Danner.

Auf internationaler Bühne fehlt Danners Bayern noch der ganz große Titel, und der Kampf um ihn dürfte schwerer werden: Auch internationale Großklubs wie Manchester City, Paris-Saint-Germain oder der FC Barcelona bauen ihre Frauenabteilung aus. Zuletzt haben Real Madrid und Manchester United eigene Teams gegründet. Die Bundesliga genießt bisher noch den Ruf, eine der besten Ligen der Welt zu sein. "Sie steht für mich in Europa an der Spitze, weil der Wettbewerb in der Breite besser aufgestellt ist", sagt Dietrich.

Fest steht aber auch: In den vergangenen drei Jahren ging der Champions-League-Titel jeweils nach Frankreich an Olympique Lyon mit der norwegischen Ballon-d'or-Gewinnerin Ada Hegerberg und der deutschen Nationalelf-Kapitänin Dzsenifer Marozsán. Die 26-Jährige soll in Lyon ein fünfstelliges Monatsgehalt kassieren. Das sind Dimensionen, in die auch Wolfsburg und Bayern noch nicht vorgestoßen sind.

Ob dieses Jahr der Champions-League-Titel für eine deutsche Elf möglich ist? Die Bayern stehen im Viertelfinale, genauso wie der VfL Wolfsburg, der allerdings auf Topklub Lyon trifft. Im vergangenen Finale der Königsklasse hat der VfL 1:4 nach Verlängerung gegen die Französinnen verloren. Aber: Ein deutsches Endspiel ist noch möglich. Das gab es zuletzt 2006 - damals zwischen Potsdam und Frankfurt.


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