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Der Bereitschaftsarzt tut's oft auch

Immer öfter auf den Straßen unterwegs. Notarzt und Rettungswagen werden aber manchmal gar nicht gebraucht.

Auf dem Land findet sich oft kein Arzt mehr in der Nähe. Insbesondere ältere Menschen haben immer seltener die Chance, spontan und zu Fuß zum Doktor zu gehen, wenn es irgendwo zwickt. Die Einsatzzahlen des Rettungsdienstes in der Region steigen daher seit Jahren an. Die „112" ist oft die einzige Möglichkeit, Hilfe zu bekommen - gäbe es nicht den ärztlichen Bereitschaftsdienst.

Für akute Beschwerden, die nicht lebensbedrohlich sind, gibt es rund um die Uhr eine ärztliche Betreuung, die nur wenig bekannt ist. Rund 70 Ärzte in Brandenburg arbeiten jede Nacht im Bereitschaftsdienst. Unter der Rufnummer 11 61 17 werden Erkrankte deutschlandweit zum nächsten diensthabenden Arzt vermittelt - sowohl nachts um drei Uhr, als auch am Ostersonntagmorgen. Eben immer dann, wenn die Arztpraxen geschlossen haben. Turnusmäßig wechseln sich Ärzte im Bereitschaftsdienst ab. Sie sind dann entweder in ihrer eigenen Praxis tätig oder besuchen die Patienten mit dem Auto.

Doch weil viele Betroffene die Hotline der ärztlichen Bereitschaftsdienste gar nicht kennen, wählen sie oftmals auch in nicht lebensbedrohlichen Fällen die 112. Die mögliche Folge: Andere, tatsächlich lebensbedrohlich erkrankte Patienten müssen warten. Die Kapazitäten des Rettungsdienstes sind oft ausgelastet. Dass die Einsatzzahlen seit Jahren stark steigen, erleichtert die Versorgung nicht. 2010 hat der Rettungsdienst in Teltow-Fläming täglich 38 Einsätze gehabt. Im vergangenen Jahr waren es schon 50. Ein Zuwachs um 33 Prozent in sechs Jahren. Zahlen aus Dahme-Spreewald wurden nicht übermittelt.

Dass in zu vielen Fällen der Notruf gewählt wird, erklärt sich der Leiter der Rettungsleitstelle in Cottbus, Ingolf Zellmann, unter anderem durch die ausweglose Situation mancher Patienten. Viele alte Leute seien schlichtweg nicht in der Lage, selbstständig zum Arzt zu kommen. Selbst können sie oft nicht mehr fahren, die Busfahrpläne auf dem Land sind licht. Also würden viele die 112 wählen, weil sie keine Alternative kennen, sagt Zellmann, dessen Leitstelle auch die Notrufe aus dem Landkreis Dahme-Spreewald entgegen nimmt. Für diese Gruppe von Patienten bieten auch die Bereitschaftsärzte keine Abhilfe. Zwar besuchen sie die Patienten mit dem Auto - sie arbeiten aber nur nachts. Tagsüber sind Betroffene daher auf ihren Hausarzt angewiesen.

Trotzdem müssten alte Menschen deshalb nicht den Notruf wählen, wenn sie einen Arzt brauchten, sagt Peter Noack, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB). „Senioren können bei ihrem Hausarzt anrufen und sich einen Krankentransport bestellen, der sie zu ihrem Arzt fährt", sagt Noack. Dafür müsse aber eine Indikation, also die Notwendigkeit bestehen, beispielsweise weil der Patient nicht mehr alleine laufen kann. Dann würde die Krankenkasse auch die Kosten übernehmen, sagt er.


Nach Ansicht von Ingolf Zellmann gibt es noch einen weiteren Grund für die Überlastung des Rettungsdienstes: Die Patienten müssten vor jedem Anruf selbst entscheiden, ob sie den Notruf wählen oder den Bereitschaftsdienst, also die 11 61 17, anrufen. Manche würden ihre gesundheitliche Lage prekärer einschätzen als sie ist - und sich sicherheitshalber für die 112 entscheiden. So entsteht ein weiterer Einsatz für den Rettungsdienst, der eventuell keiner sein müsste.

Der Leiter des Rettungsdienstes in Teltow-Fläming, Denny Mieles, teilt diese Einschätzung. „Der Patient kann schwer differenzieren zwischen einem echten Notfall - etwa einem Schlaganfall - und nicht-lebensbedrohlichen Beschwerden", sagt Mieles. Auch für die Disponenten in der Leitstelle sei die Bewertung eines Anrufs nicht einfach. Im Zweifelsfall würde eher ein Rettungswagen geschickt, um kein Risiko einzugehen. So kommt es hin und wieder zu Duplizitäten im Einsatzgebiet: Zwei Notfälle in einem Gebiet - aber nur ein Rettungswagen ist verfügbar.

Eine ähnliche Problematik zeigt sich in den Notaufnahmen. Der Andrang ist oft groß und die Wartezeiten sind lang. Um dem entgegenzuwirken, hat die KVBB die KV Regio Med Bereitschaftspraxen eingeführt. Fünf davon gibt es bereits im Land, ihre Lage orientiert sich am örtlichen Bedarf. Die erste Praxis dieser Art in der Region eröffnet im April in Königs Wusterhausen. Sie ist dann - wie die Notaufnahme - im Achenbach-Krankenhaus zu finden. „So wollen wir den Notaufnahmen die Arbeit abnehmen", sagt Peter Noack, Vorsitzender der KVBB.

Ingolf Zellmann, Leiter der Rettungsleitstelle in Cottbus, begrüßt solche Vorhaben und insbesondere die Lage der Praxis. Die habe den positiven Nebeneffekt, dass Patienten das Gefühl hätten, ins Krankenhaus zu gehen. Sie würden dabei allerdings nicht die Notaufnahme blockieren, sagt er.

Bei den Rufnummern sieht Zellmann noch Handlungsbedarf. „Die beiden Systeme, Notruf und Bereitschaftsdienst, sollten mehr vernetzt und verschmolzen werden", sagt Zellmann. Ideal wäre es, wenn sowohl die Notrufe als auch die Anrufer der 11 61 17 in den Rettungsleitstellen landen würden. Dann könnten die gut ausgebildeten Disponenten den Patienten die Entscheidung abnehmen, ob es sich bei ihrem Anliegen um einen Notfall handelt oder nicht - ob sie also ein Fall für den Rettungswagen oder für den Bereitschaftsarzt sind. Genau so funktioniert seine Rettungsleitstelle bereits heute. Die Anrufe beider Rufnummern laufen dort bei den selben Disponenten auf und werden dann bewertet.


Die KVBB will solche Systeme nicht flächendeckend etablieren. „Wir wollen zwischen beiden Rufnummern eine gute Schnittstelle haben. Aber die gemeinsame Leitstelle von Rettungs- und Bereitschaftsdienst wollen wir nicht", sagt Peter Noack. Zu hoch seien die Kosten dafür, die KVBB könne ihre eigene Leitstelle alleine günstiger betreiben. Außerdem nehme die Bereitschafts-Leitstelle andere Aufgaben wahr. „Wir wollen daher eine klare Abgrenzung, aber eng zusammenarbeiten." Ist ein Anrufer der 112 also in Wirklichkeit ein Fall für den Bereitschaftsdienst, dann soll dieser direkt an die Leitstelle des Bereitschaftsdienstes übergeben werden können - und umgekehrt. So sollen zumindest die Anrufe, die von der Leitstelle als nicht lebensbedrohlich eingestuft worden sind, abgegeben werden können.

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