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Der Kampf um Einfluss

Bild: dpa/Andreas Gora

Lars-Windhorst-Story, Teil 1 

Vor gut zwei Jahren stieg Lars Windhorst bei Hertha BSC ein. 375 Millionen Euro flossen seither. Es ist das größte Investment der Liga-Historie. Das Ergebnis? Mau. Über Missverständnisse und Machtansprüche. Von J. Mohren, J. Rüger und S. Wenzel

Friedrichstraße 95, Berlin-Mitte. Der "Hochseiltänzer" - so nennt ihn ein Journalist, der ihn bereits seit mehr als einem Jahrzehnt kennt - empfängt zum Interview in seinem Büro über den Dächern im Zentrum der Hauptstadt. Aus den Fenstern im 16. Stock des Internationalen Handelszentrums eröffnet sich der weite Blick über die Berliner Skyline. Viele Termine hat er an diesem Tag schon hinter sich. "Business first. Geschäftliche Sachen müssen erstmal erledigt werden", sagt er und lächelt dabei das selbstbewusste Lächeln eines Machers.

Er, Lars Windhorst. Der Mann, der mit seiner Tennor Holding beruflich mit hohen Summen balanciert - und zu dessen unternehmerischen Hochseilakten seit gut zwei Jahren auch Hertha BSC gehört. Mitte 2019 stieg der 44-Jährige beim Fußball-Bundesligisten ein, hat seither 375 Millionen Euro in den Klub gesteckt. Nie investierte in der Historie der Bundesliga jemand mehr in einen Verein. Die Zwischenbilanz ist bekanntlich ernüchternd: Das Geld brachte keinen sportlichen Erfolg - dafür aber jede Menge Unruhe. Denn seit Windhorsts Millionen fließen, geht es letztendlich immer wieder um eins: die Entscheidungsmacht bei Hertha.

Präsident Gegenbauer ist der starke Mann

Hanns-Braun-Straße 2, Berlin-Charlottenburg. Werner Gegenbauer gibt sein Interview in der Geschäftsstelle des Bundesligisten. Hinter dem Präsidenten des Klubs prangt das Logo der Blau-Weißen. Es sind schon die beiden verschiedenen Orte, die ein klares Signal aussenden: Windhorst ist der Investor von außen. Gegenbauer ist Hertha BSC. Seit 2008 ist der 71-Jährige der Boss, vier Mal haben ihn die Mitglieder in der Zwischenzeit wiedergewählt - wenn auch zuletzt alles andere als souverän: Gerade einmal 54 Prozent der Mitglieder stimmten im Oktober 2020 für Gegenbauer. Einen Gegenkandidaten gab es nicht. Spricht man mit langjährigen Hertha-Beobachtern über Gegenbauers Führungsstil, fällt das Wort "Patriarch".

Die Personalien Gegenbauer und Windhorst zeigen das Spannungsfeld. Zwischen Patriarch und Hochseiltänzer. Zwischen Präsident und Investor. Zwischen Hertha BSC und Tennor Holding. Für Windhorst ist seine Rolle eine neue. Bisher war seine Logik aus Investments in der Wirtschaft: Geld geben heißt Einfluss bekommen. "Im normalen Geschäftsleben bringt sich Windhorst in alle seine Geschäfte ein. Entweder persönlich oder durch Leute, denen er vertraut. Er ist niemand, der Geduld hat mit irgendwelchen mittelmäßigen oder schlechten Managern, die die Investments vergeigen", sagt Uwe Ritzer, Wirtschaftskorrespondent bei der "Süddeutschen Zeitung". Bei Hertha BSC ist die Lage für ihn komplizierter. Denn die Strukturen des Vereins machen den Machertyp zum fast machtlosen Zuschauer am Spielfeldrand.

Weniger Anteile als bislang angenommen

Windhorst hat mit seinen 375 Millionen Euro Anteile an der GmbH und Co. KGaA gekauft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien. In diese ist - wie bei den meisten Bundesliga-Klubs - die Profiabteilung von Hertha BSC ausgelagert. An dieser GmbH und Co. KGaA besitzt der Investor 64,7 Prozent der Anteile und damit etwas weniger, als die ursprünglich avisierten und bisher angenommenen 66,6 Prozent. Das ergaben Recherchen des rbb. Grund seien Wertverschiebungen, heißt es vom Sprecher von Windhorst. Bei Hertha-Präsident Gegenbauer klingt das ähnlich: "Es sind in dieser Investitionsphase, die natürlich auch durch die Pandemie belastet war, die ja schlussendlich die meisten Unternehmen getroffen hat, auch mal Vereinbarungen angepasst und geändert worden", sagt er. Das spiele aber jetzt "alles keine Rolle mehr, da diese Phase vorbei ist."

Fakt ist: Seine 64,7 Prozent an der GmbH und Co. KGaA bringen Windhorst im Machtgefüge von Hertha kaum etwas. Genauso wenig, wie es 66,6 Prozent der Anteile getan hätten. Zwar sitzen Windhorsts Vertreter im Aufsichtsrat und er hat Stimmrecht in der Hauptversammlung - aber: In beiden Organen werden keine wichtigen Entscheidungen getroffen. Wo Richtungsweisendes verhandelt wird, hat der Verein stets die klare Mehrheit gegenüber seinem Investor.

Investor ohne Einfluss bei wichtigen Entscheidungen

Ein gutes Beispiel ist der Beirat. In ihm wird auch über sportliche Entscheidungen diskutiert. So müssen etwa alle Investitionen, die einen Transaktionswert von 15 Millionen Euro übersteigen, von diesem Gremium abgenickt werden. Dazu zählen also auch teure Transfers. Ebenso bedarf es der Zustimmung bei Vereinbarungen "zu einer strategischen Partnerschaft mit grundlegender Bedeutung für die Gesellschaft". Was sehr technisch klingt, lässt sich schnell mit Leben füllen: So sind das Hauptsponsoring oder der Ausrüstervertrag betroffen.

Dieser Beirat hat acht Mitglieder. Der Investor darf gerade einmal eines davon stellen. Entscheidungsgewalt sieht anders aus. Erstaunlich mutet zudem an, wie er diesen Posten besetzte: Nämlich mit sich selbst und damit mit jemandem, der bekanntlich wenig Fußball-Expertise mitbringt. Seine prominenten sportlichen Berater - einst etwa auch Jürgen Klinsmann und Jens Lehmann - entsandte Windhorst hingegen in den Aufsichtsrat, ein rein wirtschaftliches Gremium.

In die tatsächliche Geschäftsführung der Hertha BSC Verwaltung GmbH kann Windhorst nicht eingreifen. Und auch bei der Ernennung des CEO Carsten Schmidt war er faktisch ohne Mitspracherecht. Die Geschäftsführer der ausgelagerten Profiabteilung bestellt nämlich das Vereinspräsidium. An diesen Verhältnissen kann Windhorst nicht rütteln - zumindest nicht grundlegend. Ganz unabhängig davon, wie viele Anteile er an der GmbH und Co. KGaA hält. Es ist die 50+1-Regel, die hier einen eindeutigen Riegel vorschiebt: Die Mehrheit der Aktien darf der Investor haben, der Klub aber behält die Mehrheit der Stimmen.

Hertha BSC setzt auf klare Trennung

Es sind strukturelle Bedingungen, um die Windhorst wusste, als er sich für das Investment entschied. Dennoch stellte er sich die Zusammenarbeit anders vor - weil er einen Gestaltungsspielraum sah zwischen Papier und gelebter Praxis. Er habe in seiner Laufbahn immer auf Menschen gesetzt, sagt er. "Ich bin in der Lage, Menschen zu vertrauen, dass sie das Richtige tun, dass sie das tun, was man abspricht." Mit dieser Haltung sei er in das Fußball-Engagement gegangen "und ich habe gedacht: Am Ende wollen doch hoffentlich beide den Erfolg als gemeinsames Ziel und von daher wird man auch ohne die rechtliche Kontrollmöglichkeit schaffen müssen, sich auf einen gemeinsamen Weg zu einigen", sagt der 44-Jährige.

Es war die Vorstellung von einem Mehr an Miteinander. "Ich habe erwartet, dass man mehr als Team konstruktiv und positiv an Projekten und Themen arbeitet, sich austauscht und wirklich mit Freude, Kreativität und Dynamik den Verein entwickelt und auf eine neue Ebene hebt. Dazu ist es bisher nicht so richtig gekommen", sagt Windhorst. Eine deutliche Botschaft - wohl gerichtet an Werner Gegenbauer.

Denn genau der steht als Präsident tatsächlich für eine ganz harte Grenze zwischen dem Klub und seinem Großinvestor - und formuliert diese auch mit absoluter Klarheit. "Es ist eigentlich ganz einfach", sagt der 71-Jährige. "Der Verein führt und informiert. Selbstverständlich ist es das gute Recht von Lars Windhorst oder Tennor, ihre eigenen Erwartungen an das Investment zu formulieren. Aber die Ziele von Hertha BSC formuliert die Geschäftsführung der KG oder des Vereins." Punkt. Gemeinsamkeit klingt wahrlich anders.

Gegenbauer: "Über 50+1 wird nicht diskutiert"

Und sie sieht auch anders aus. Der Verein verzichtet bewusst auf Termine mit seinem Investor. Bislang gab es nur eine einzige Ausnahme: Als Jürgen Klinsmann den Klub mit seinem denkwürdigen Abgang förmlich überrollt hatte, saß Windhorst danach mit den Hertha-Verantwortlichen auf dem Podium. Auftritte im Team seien "eben vom Verein nicht gewünscht", behauptet Windhorst. Es gebe Vorbehalte und "vielleicht auch die Sorge, dass man dann die 50+1-Regel wieder falsch auslegen könnte". Ohne gemeinsame Plattform bleiben Windhorst nur verbale Einwürfe vom Spielfeldrand. "Es wird auch immer wieder betont: Der Investor darf nur über Hertha BSC reden und der Verein ist der einzige, der für Hertha BSC spricht."

Es gehe nicht darum, jemandem den Mund zu verbieten, sagt Gegenbauer. Aber: "Unsere Aufgabe ist es nach wie vor darauf hinzuweisen, wie die faktische Situation ist - und das tun wir. Das wird uns dann ab und zu um den Bart geschmiert als zu harsch und nicht konstruktiv." Er ist dennoch fest entschlossen, an dieser Linie festzuhalten. Man sei es den Mitgliedern von Hertha BSC schuldig, "um klar zu machen, was für ein Geschäft hier gemacht wurde: Nämlich eines auf der Basis unserer Satzung und der Basis der DFL-Regularien." Dafür stehe er, sagt Gegenbauer: "Solange ich Präsident bin, wird über 50+1 im Verein nicht diskutiert."

Geht der Investor in die Offensive?

Windhorst selbst kann mit dieser Argumentation nicht viel anfangen. Für ihn ist der ständige Verweis auf die 50+1-Regel mehr ein Vorwand, Ratschläge von ihm als Investor abzublocken - ja: ihn auszubremsen. "Es ist wie eine heilige Mauer", sagt er. Aus seiner Sicht sei es etwas zu bequem zu sagen, "es gibt 50+1, dahinter können wir uns verstecken. Es gibt Investor und Verein. Ich glaube, das muss nicht so sein."

Er klingt dabei nicht wie jemand, der bereit ist, diesen Status Quo dauerhaft zu akzeptieren und dabei zu beobachten, wie jährliche Verluste seine Millionen auffressen - ohne dass es dafür als Gegenwert sportlichen Erfolg gäbe. "Seine Stärke ist es zweifelsohne, dass er unglaublich gute Nerven hat. Er hat einen Plan und verfolgt ein Ziel. Und das tut er konsequent und rigoros", sagt "SZ"-Journalist Uwe Ritzer über Windhorst. "Ich bin immer in der Offensive und wenn ich mal in der Defensive bin, bekämpfe ich die mit Offensive", sagt der Investor über sich selbst. Der Hochseiltänzer will bei und mit Hertha BSC nicht stürzen. Seine Ansage ist dementsprechend klar: "Wir werden in den nächsten Jahren alles tun, dass wir erfolgreich werden. Alles - und damit meine ich wirklich alles."

Welche Rolle die Mitglieder in den Plänen von Lars Windhorst spielen - und wie der Investor über seine Perspektiven im Klub denkt, lesen Sie im zweiten Teil der Story am Sonntag.

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