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Fünf Gründe für Unions Coup gegen Gladbach

Bild: imago images/Matthias Koch

Union Berlin mischt aktuell die Liga auf. Nun musste der Spitzenreiter aus Mönchengladbach dran glauben. Mit Glück hatte das rein gar nichts zu tun. Fünf Gründe für den Erfolg - von einer innigen Umarmung über Vossi bis zur Effizienz. Von Johannes Mohren

1. Stürmische Eintracht

Anthony Ujah kannte nach seinem Treffer zum 1:0 nur eine Richtung. Der 29-Jährige sprintete - wilde Luftküsse gen Himmel werfend - so zielgenau zur Reservebank, wie zuvor die Flanke von Marcus Ingvartsen auf seinem Kopf gelandet war. Dort sprang der nigerianische Neuzugang in die offenen Arme seines Stürmer-Kollegen Sebastian Polter, der dick eingemümmelt in seine Jacke auf den Tor-Triumphator wartete. Eine innige Umarmung folgte.

Die Erklärung für den Jubellauf? "Wir haben eine kleine...", setzte Ujah nach dem Spiel im Innenraum des Stadions an, als ihm gut ein Dutzend Journalisten ihre aufnahmebereiten Handys entgegenhielten. Dann stoppte er aber mitten im Satz ab. Und das weniger, weil er nach Worten suchte - als vielmehr, weil er nichts verraten wollte. "Ich kann es nicht genau sagen. Nur der Trainer kann das. Wenn er entscheidet, darüber zu reden, kann er das machen. Aber es kommt nicht von mir."

Das Rätsel stand nun im Raum. Doch Urs Fischer war keinesfalls geneigt, die Neugierde zu befriedigen, die sein Stürmer geweckt hatte. "Die Antwort von Anthony war ja eigentlich klasse", sagte er - und grinste ein wenig schelmisch. "Das bleibt in der Kabine." Die Botschaft war jedoch klar. Die Abteilung Offensive bei Union Berlin hält zusammen. Auch wenn sie - Sebastian Andersson ausgenommen - eben auch öfter mal auf der Bank sitzt. "Wir harmonieren gut. Wir unterstützen einander. Egal, wer spielt", sagte auch Ujah. Dass davon das Team profitiert, zeigt die jüngere Vergangenheit eindrucksvoll: Polter - gegen Gladbach Empfangskomitee seines Sturmpartners - war schließlich gegen Hertha BSC selbst noch umjubelter Held.

2. Vossi und die Fans

Die Tränen flossen, als Fabian Voss adé sagte. Nach 13 Jahren war es gegen den Spitzenreiter vom Niederrhein das letzte Mal, dass er - den sie alle nur Vossi nennen - den Fans auf einem der Vorsänger-Podeste einheizte. Er war mit durch die Niederungen des Fußballs gegangen. Hatte angepeitscht, als ihm bei weitem nicht so ein mächtiger - ja, im positivsten Sinne ohrenbetäubender - Stimmungsschwall entgegenschlug, wie an jenem Samstagnachmittag unter Flutlicht. Als der Verein Ober- statt Bundesliga spielte. Und die Gegner noch Namen hatten wie Falkensee-Finkenkrug und nicht Borussia Mönchengladbach hießen.

Schon in der Pause gab es Transparente. Voller Dankbarkeit. Auf der Waldseite, dort wo das wummernde Fanherz der Eisernen am lautesten schlägt. Aber auch im Gästeblock, in dem die Gladbacher, die mit den Köpenickern freundschaftlich verbandelt sind, den Mann mit dem Megaphon würdigten. Und Damir Kreilach - Ex-Union-Spieler und inzwischen in den USA aktiv - war eigens für den Abschied seines Kumpels aus der Kurve eingeflogen.

Nach dem Spiel schleuderte ihn die Mannschaft in die Luft. Allesamt in Themen-Shirts, der Capo-Legende zu Ehren. Urs Fischer streichelte Vossi beinahe sanft über die Haare. Es waren Bilder, die wie ein starkes Symbol standen für die besondere Beziehung zwischen Fans und Verein. Und auch für die rot-weiße (Stimmungs-)Festung Stadion an der Alten Försterei. Die hatte das Team auch gegen Gladbach wieder gepusht. Zum dritten Heimsieg in Folge. "Diese Unterstützung ist sehr wichtig", sagte Fischer. "Die Wucht unseres Publikums spürt man schon. Nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer. Sie stehen hinter uns wie eine Eins. Das gibt Selbstvertrauen. In so engen Spielen verleiht dir das zusätzliche Kraft.


3. Mut und Effizienz

Nein, so hatte sich das Max Eberl nicht vorgestellt. "Wir sind enttäuscht. Keine Frage. Wir hätten den Lauf schon gerne fortgesetzt", sagte er. Und der Sportdirektor der Gladbacher - schon aus Spieler-Zeiten mit bitteren (Pokal-)Erinnerungen an Köpenick - hatte unter mehreren Gründen für die Niederlage einen zentralen ausgemacht: "Die Effektivität hat den Ausschlag gegeben." Es war ein Satz, dem wohl kaum jemand widersprochen hätte. Ganz im Gegenteil. Als Union-Kapitän Christopher Trimmel zur Analyse ansetzte, fiel - neben anderen - in leichter Abwandlung ebenfalls das Wort mit E. "Wir sind sehr viel gelaufen, wir haben gekämpft bis zum Schluss und dann war da vorne natürlich auch noch die Effizienz", sagte der Österreicher.

Doch es war mehr als das. Fischer blickte in das ein oder andere doch eher erstaunte Gesicht, als er auf der Pressekonferenz sagte: "Rein fußballerisch fand ich uns heute nicht so toll." Denn der Positiv-Trend der vergangenen Wochen war erneut zu sehen. Union agierte mutig. Suchte auch den Weg nach vorne. Und fand ihn immer wieder.

Eine Tatsache, die auch Eberl nicht entgangen war, ja: Er griff tief in die Komplimente-Kiste: "Union hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Wir gehen immer davon aus, dass ein Aufsteiger nicht Fußball spielen kann. Aber sie machen das eben herausragend." Und selbst, wenn diese Worte auch ein wenig vom Versuch getrieben gewesen sein mögen, die eigene zumindest äußerst ideenlose Leistung zu kaschieren (siehe 5.), so passte das Fazit letztendlich doch unzweifelhaft zum Spiel:"Wir haben gegen einen guten Gegner gespielt, der würdig in der Bundesliga und total angekommen ist."

4. Gikiewicz und die Null

Es lief die 38. Minute, als Alassane Plea alleine auf Rafal Gikiewicz zustürmte - und die rund 2.500 Gladbacher Fans im Stadion an der Alten Försterei sich schon bereit machten zum Jubeln. Das 1:1 schien ganz (!) nah. Aus gutem Grund. Denn der 26-jährige Franzose schwebt zwar nicht in lewandowskiesken Sphären, hat sich aber durchaus auch als zuverlässiger Chancenverwerter einen Namen gemacht.

Die absolute Spezialität? Auswärtstreffer. Elf von 16 Toren erzielte er in seinen bislang knapp eineinhalb Bundesliga-Jahren fernab des Borussia-Parks. Nun stürmte er also Richtung Union-Gehäuse, schoss - doch statt kollektiver Freude folgten Szenen der einsamen Ernüchterung. Der Spielverderber? Ganz genau, Gikiewicz. "Er hält uns das 1:0 fest", sagte Verteidiger Keven Schlotterbeck. Eine Feststellung, ebenso nüchtern wie richtig.

Acht Zu-Null-Spiele hatte sich der Pole für die Saison vorgenommen. Und was anfänglich keiner für möglich gehalten hätte - man erinnere sich daran, wie Halstenberg, Sabitzer, Werner und Nkunku gleich am ersten Spieltag über die Köpenicker herfielen - scheint inzwischen immer realistischer. Denn es waren zuletzt nicht nur drei Heimsiege in Folge, das Team von Urs Fischer kassierte in diesen Spielen auch keinen einzigen Gegentreffer. Das Bollwerk - gefürchtet in der zweiten Liga - steht wieder. Auch dank starker Leistungen von Gikiewicz. Der war schon vor dem Gladbach-Spiel sicher, dass sein Ziel alles andere als rot-weiße Träumerei ist. "Ich schaffe das. Ohne Frage", hatte er im rbb|24-Interview gesagt.


5. Ein einfallsloser Spitzenreiter

Bei allem - absolut berechtigten (!) - Lob für den Aufsteiger aus Köpenick war es auch Gladbach selbst, das den Coup ermöglichte. 14 Minuten spielten sie wie das Spitzenteam, das sie in der Tabelle sind. Sie zeigten das, was sie in den vergangenen Wochen überhaupt in diese Position gebracht hatte. Und das temporeiche, direkte Spiel in die Spitze wäre auch fast belohnt worden, als Patrick Herrmann nach einer Flanke von Plea haarscharf nur den Pfosten traf. Es war übrigens ein Spiegelbild der Situation, die Ujah wenig später auf der anderen Seite erfolgreicher vollendete.

Doch danach - und gerade in der zweiten Halbzeit - passte nicht mehr viel zusammen. Die verkürzte Zusammenfassung? Ballbesitz ja, Chancen nein. Wirklich in Gefahr gerieten die Köpenicker nicht mehr. Weil sie ihren Job gut machten - und Gladbach seinen weniger. "Da waren wir insgesamt einfach zu wenig zielstrebig. Vor allen Dingen im letzten Drittel. Union hat das ganz fleißig und sehr leidenschaftlich zu Ende verteidigt. Und so kann man dann auch von einem verdienten Sieg sprechen", sagte Gladbach-Coach Marco Rose.

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