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Schachmann, der gekrönte Senkrechtstarter aus Berlin

Bild: imago/Thomas Frey

Er ist 24 Jahre alt, lebt in Köpenick - und erobert die Radsport-Welt: Maximilian Schachmann ist in dieser Saison richtig durchgestartet. Die vorläufige Krönung: Der WM-Titel im Teamzeitfahren in Innsbruck. Und dort warten noch weitere Chancen. Von Johannes Mohren

Als der Sieg feststand, gab es kein Halten mehr. Die Männer in den blauen Trikots von Quick-Step Floors sprangen auf und hüpften wild im Kreis. Wasser spritzte durch die Luft. Jubelfäuste wurden gen Himmel gereckt. Es waren Momente der kollektiven Ausgelassenheit. Und mittendrin: Maximilian Schachmann, der strahlend jedem in die Arme fiel, der seinen Weg kreuzte. Das Gold im Teamzeitfahren mit seiner belgischen Mannschaft bei der Straßenrad-Weltmeisterschaft in Innsbruck war der erste Welttitel für den 24-jährigen Berliner - und die vorläufige Krönung seiner noch jungen Karriere. 

Schachmann, der Senkrechtstarter: Das ist die Zuschreibung, die er momentan vielleicht am häufigsten bekommt. Der Berliner ist in diesem Jahr in die Weltelite seines Sports vorgefahren. Doch das kommt gar nicht so plötzlich, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. "Ich glaube, meine Entwicklungskurve ist seit Jahren ansteigend", sagt Schachmann, "jetzt kam vielleicht vom letzten zu diesem Jahr einfach der Schritt, dass man heraussticht."

Plötzlich im Rampenlicht

Herausstechen, das bedeutet Rampenlicht. Schachmann ist im Eiltempo zu einem der Gesichter einer neuen Generation im deutschen Radsport geworden. Neben dem Berliner gibt es gleich eine Handvoll talentierter Radprofis, viele wie Schachmann Jahrgang 1994, etwa Nico Denz, Nils Politt oder Pascal Ackermann, ein weiterer Hoffnungsträger, Emanuel Buchmann, ist Jahrgang 1992.

Für Schachmann ist der WM-Triumph auch der verdiente Lohn für harte Arbeit - und unzählige Trainingskilometer, nicht zuletzt auch durch Brandenburg. "Ich freue mich, dass das jetzt so Früchte trägt", sagt er. Früchte, die sich immer öfter in Topplatzierungen ausdrücken lassen.

Zuletzt fuhr Schachmann bei der Neuauflage der Deutschland-Tour stark - und schaffte vor heimischem Publikum einen Etappenerfolg. Der angestrebte Gesamtsieg bei der viertägigen Rundfahrt blieb ihm als Dritter zwar knapp verwehrt. Aber er bestätigte den Eindruck, dass mit ihm - auch im Konzert der Großen - zu rechnen ist. Bei der Europameisterschaft gewann er Bronze im Zeitfahren, beim Giro d'Italia eine Etappe und auch bei den Frühjahrs-Klassikern zeigte er gute Leistungen.

Nun im Nationaltrikot

Das sorgt auch für Selbstbewusstsein. Fast abgeklärt klang das, was Schachmann nach seinem WM-Triumph am Sonntag in die Mikrofone sprach. "Wir sind hier mit nur einem Ziel angereist: der Goldmedaille", sagte er. Dabei war der Triumph alles andere als selbstverständlich, die Konkurrenz hart, doch die Topteams Sunweb und BMC Racing lagen im Ziel 18 beziehungsweise 19 Sekunden hinter dem Schachmann-Team.

In Innsbruck kann er seine gute Form noch zweimal unter Beweis stellen: anders als beim Teamzeitfahren der Profimannschaften nun im Trikot der Nationalmannschaft. Einem Leibchen, das Schachmann noch zusätzlich beflügelt. Die Nationalfarben zu tragen, sagt der 24-jährige Berliner, sei immer etwas Besonderes: "Das gibt immer noch einen Schub, die Extra-Prozent, die man dann am Ende braucht."

Hoffnungsträger im Zeitfahren und Straßenrennen

Zunächst zieht es Schachmann beim Einzelzeitfahren am Mittwoch (26. September) über, bei dem er und der Cottbuser Tony Martin die deutschen Farben vertreten. Vier Tage später, am Sonntag (30. September), führt er die deutsche Mannschaft, zusammen mit Buchmann, beim Straßenrennen sogar als Kapitän an. In der kommenden Saison werden die beiden deutschen Hoffnungsträger im deutschen Team bora-hansgrohe ständig Seite an Seite fahren.

Von den gestiegenen Erwartungen an ihn lässt sich Schachmann in Innsbruck aber nicht verrückt machen. Gelassenheit soll den Weg zum Erfolg ebnen. Solide Rennen will er abliefern - und dann schauen, wozu es reicht. "Wenn es am Ende mit einer Top-Zehn oder Top-Fünfzehn-Platzierung klappt, wäre das super", sagt er, aber "vielleicht erwische ich einen super Tag und da geht noch mehr." Dann gäbe es wohl wieder solche Momente der Ausgelassenheit. Mit ganz vielen Umarmungen. Wenn auch nicht mit den Männern in Blau vom Quick-Step-Floors-Team.

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