Es ist noch nicht klar, wie sich der Ausschuss entwickeln wird, aber es wird ein System sichtbar. Es gibt auf der einen Seite die Fraktionen, die um Aufklärung bemüht sind, das sind vor allem SPÖ und Neos. Auf der anderen Seite gibt es die ÖVP, die eine völlig andere Strategie verfolgt. Die beinhaltet erstens: Die Täter sind die Freiheitlichen (gemeint sind FPÖ-Politiker, jW). Zweitens: Die ÖVP ist das Opfer. Und drittens: Wir diskreditieren den Ausschuss, damit wir vor der Untersuchung sicher sind.
Lohnt sich die Aufarbeitung also kaum?Wir sind gerade am Anfang, aber ich muss sagen, es kommt zum Teil wirklich Erstaunliches heraus. Bei der Befragung von Norbert Hofer von der FPÖ vergangenen Donnerstag hatten wir einen ganz entscheidenden Punkt. Schon vor vielen Wochen hatten wir vom Onlinemedium Zackzack eine Recherche veröffentlicht. Dort haben wir aufgezeigt, dass sich Kurz und Strache 2017 auf einen Proporzschlüssel von 2:1 bei allen Postenvergaben geeinigt hatten. Das bedeutet: Bei jedem ÖVP-geführten Ministerium, wie etwa dem Finanzministerium, bekommen die Konservativen in den zugehörigen Betrieben - Post, Telekom, OMV, Verbund, Casinos etc. - zwei Posten, die Freiheitlichen dagegen nur einen. Bei einem von den Freiheitlichen geführten Ministerium, etwa dem Verkehrsministerium mit ÖBB, Asfinag und Austro Control, bekommt die FPÖ zwei Posten, die ÖVP einen. Hofer, als ehemaliger Verkehrsminister, hat vorm Ausschuss unter Wahrheitspflicht bestätigt, dass es diese Geheimvereinbarung so gegeben hat. Das zeigt: Der Architekt der Parteibuchwirtschaft heißt nicht Strache, sondern Kurz!
Gab es dieses Proporzsystem nicht schon immer?Das ist richtig. Es hat aber zwei Parteien gegeben, die seit Jahren behaupten, dass sie das nie machen würden und dass das für sie überhaupt nicht in Frage kommt: Das ist die türkise ÖVP und das ist die Freiheitliche Partei unter Strache. Jetzt sind sie im Untersuchungsausschuss als unverschämte Lügner enttarnt worden.
Kurz und ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel sagten vor dem Ausschuss, sie hätten von all dem nichts gewusst.Der Geheimvertrag ist zwischen Strache und Kurz persönlich geschlossen worden. Das war Teil der Regierungsverhandlungen, das hat Hofer im Ausschuss bestätigt. Es kann sein - aber da müssen wir erst das Protokoll überprüfen -, dass Kurz oder Blümel falsch ausgesagt haben. Dann gibt es ein Verfahren wegen Falschaussage.
Agiert die Opposition im Ausschuss taktisch klug?Ja und nein. Das ist kein einfacher Untersuchungsausschuss. Es gibt eine grauenhafte Vorsitzführung durch den ÖVP-Präsidenten Wolfgang Sobotka - das ist ein Parteisoldat, der schwere Beschädigungen des Parlaments in Kauf nimmt, um Kurz zu schützen. Das macht die Arbeit viel schwerer. Aber sonst machen es SPÖ und Neos im Grunde gut.
Wie beurteilen Sie die Rolle der Grünen, die nun nicht wie gewöhnlich in der Opposition, sondern in der Regierung sind?Es ist für die Grünen ziemlich schwierig. Es gibt mit David Stögmüller einen Abgeordneten, der wirklich versucht, ordentliche Arbeit zu leisten. Das ist sicher schwierig, weil die Klubführung der Grünen voll auf ÖVP-Linie ist und die eigenen Abgeordneten diszipliniert.
In den Medien wird der Ausschuss vielfach als zahnlos kritisiert. Kann viel dabei rauskommen?Das ist bereits Teil der ÖVP-Desinformation: Zahnloser Ausschuss, da kommt eh nichts bei raus ... Das ist das Wunschdenken der Konservativen und damit das, was ÖVP-Mitläufer in Medien schreiben. Dadurch zeigt sich, dass die Partei in einem besorgniserregenden Maße österreichische Medien unter ihrer Kontrolle hat.