Michael Müller zahlt pro Jahr 177,84 Euro zu viel. Allein für Mineralwasser. 177,84 Euro, das sind etwa 13 Tageslöhne. Oder drei Monate Taschengeld.
Müller sitzt im Gefängnis. Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldheim in Sachsen, rund 350 Insassen. Müller heißt eigentlich anders, er will seinen Namen aber nicht öffentlich nennen, denn hier geht es nicht um die Tat, die ihm zur Last gelegt wird. Hier geht es um die Preise, die er und seine Mitgefangenen für Wasser und Wurst zahlen müssen. Müller trinkt pro Woche 18 Flaschen Mineralwasser. Im Supermarkt würde er dafür aktuell im Jahr 234 Euro zahlen, im Gefängnis sind es 411,84 Euro. 177,84 Euro Unterschied, 76 Prozent mehr. Auch viele andere Produkte sind teurer als in regulären Einkaufsläden.
Gefangene erhalten Mahlzeiten normalerweise über die Gemeinschaftsversorgung. Wer zwischendurch Schokolade, nach dem Sport einen Quark essen oder Wasser trinken möchte, muss das mit eigenem Geld bezahlen. Das gilt auch für Shampoo, Waschmittel, Rasierapparate, Briefporto und Telefonkosten. Viele Gefangene kommen bereits mit Schulden ins Gefängnis und häufen sie weiter an, weshalb sie sich teure Lebensmittel umso schlechter leisten können.
Geld bekommen Gefangene, wenn sie arbeiten. In den meisten Bundesländern sind sie dazu verpflichtet. Der Lohn ist allerdings sehr niedrig, durchschnittlich 14 Euro pro Tag. Können sie nicht arbeiten, bekommen sie ein Taschengeld von knapp 1,40 Euro pro Tag. Das könnte sich nun ändern. Noch im Sommer steht ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts an. Wahrscheinlich ist, dass der Lohn steigen muss, die Gefangenen dann aber mehr selbst zahlen müssen für Kost und Logis - also einen höheren Anteil an den Haftkosten selbst tragen müssen.
Was das Essen angeht: noch mehr, als ohnehin schon.
Arbeit gilt in der Haft als Maßnahme, die der Resozialisierung dient. Die Gefangenen sollen einen einigermaßen geregelten Tagesablauf haben und Geld verdienen. Dabei soll die Höhe des Entgelts ihnen auch vor Augen führen, dass Erwerbsarbeit zum Bestreiten der eigenen Lebenshaltungskosten sinnvoll ist. Doch wieso gilt ein ähnlicher Maßstab nicht genauso andersherum für das Lebensmittelangebot?
Gefangene haben kaum eine Lobby. Was hinter den Mauern passiert, wissen die wenigsten. Gefängnisinsassen verbüßen eine Strafe, sind deshalb aber nicht ohne Rechte. Müller hat beim zuständigen Amtsgericht in Döbeln Klage gegen die Gefängnisleitung in Waldheim eingereicht. Sie ist gesetzlich verpflichtet, den Gefangenen einen Einkauf zu marktgerechten Preisen zu ermöglichen. Müller meint, dass die JVA Waldheim ihre Pflicht nicht erfüllt. Das Gericht lässt sich nun fast schon zwei Jahre Zeit mit der Entscheidung. Im Dezember vergangenen Jahres hat Müller zum letzten Mal etwas vom Amtsgericht gehört.
Urteil könnte „weitreichende Folgen" haben
„Brot ist teurer geworden, um 15 Cent", sagt Norbert Konrad am Telefon. „Aber da beschwere ich mich gar nicht, das ist ja draußen auch so. " Konrad sitzt in der JVA Werl in Nordrhein-Westfalen. Besuche im Gefängnis sind schwierig, Telefonate lassen sich leichter organisieren. Auch in Werl lagen schon vor dem Ukrainekrieg die Preise vieler Produkte in der JVA höher als im Supermarkt. Konrad hat ebenfalls deshalb geklagt. Von Müllers Klage wusste er da nichts. Nun liegt seine Klage - auch seit knapp zwei Jahren - beim Amtsgericht in Arnsberg. Gerade hat die zuständige Richterin entschieden, dass ein externes Gutachten eingeholt werden soll. Das Urteil könne „weitreichende Folgen" haben, sagt eine Gerichtssprecherin.
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