In Kalifornien (USA) steht die demokratische Partei stark unter Druck. Gegen den Gouverneur gibt es ein Misstrauensvotum - Joe Biden kündigt Unterstützung an.
Sacramento - Im US-Bundesstaat Kalifornien findet am 14. September eine wichtige Wahl statt - eine außerordentliche Wahl, bei der der amtierende Gouverneur, der Demokrat Gavin Newsom, unterliegen könnte. Insbesondere republikanische Gegner:innen Gavin Newsoms haben mit über 1,7 Millionen genügend Unterschriften gesammelt, um am kommenden Dienstag eine „Recall"-Wahl abzuhalten. Dabei handelt es sich um eine Art Misstrauensvotum der wahlberechtigten Bürger:innen Kaliforniens. Stimmt eine Mehrheit dafür, wird Gavin Newsom, dessen Wiederwahl 2022 ohnehin regulär ansteht, abberufen. Die zweite Frage auf dem Stimmzettel dient dazu, im Fall einer Abwahl Newsoms zu bestimmen, wer von den 46 Kandidat:innen ihm nachfolgen soll. Hierbei genügt ebenfalls eine einfache Mehrheit, eine Stichwahl findet nicht statt.
Laut der Nachrichtenwebsite FiveThirtyEight, die den Mittelwert der aktuellen Umfragen bestimmt, sprechen sich derzeit 56,2 Prozent der Wähler:innen für den Verbleib Gavin Newsoms als Gouverneur aus, 41,6 Prozent befürworten seine Abwahl. Bei den Gegenkandidaten führt der 69-jährige afroamerikanische Radiomoderator, Rechtsanwalt und Republikaner Larry Elder mit einem Vorsprung von im Mittel 27,6 Prozentpunkten das Feld an. Dieser gehört, wie inzwischen ein Großteil seiner Partei, dem Trump-Lager an und spricht sich beispielsweise gegen „den Niedergang Kaliforniens", den Mindestlohn, coronabedingte Lockdowns, Maßnahmen zum Klimaschutz, eine Verschärfung des Waffenrechts, die „Dämonisierung" von Polizeibeamt:innen, die Black-Lives-Matter-Bewegung und für den Ausbau von Privatschulen sowie für Steuersenkungen aus.
Kürzlich geriet Larry Elder in eine rechtsextreme Bredouille, als er in einem Videointerview mit einer kalifornischen Lokalzeitung nach seiner Meinung gefragt, angab, seines Erachtens sei US-Präsident Joe Biden der rechtmäßige Gewinner der vergangenen Präsidentschaftswahl. Als daraufhin eine heftige Gegenreaktion vonseiten der Trump-Anhängerschaft folgte, die an den Verschwörungsmythos von Donald Trumps Wahlsieg glaubt, ruderte Larry Elder in einer rechten Radiosendung zurück, indem er seine vorherige Aussage revidierte.
Überdies überzeugt Larry Elder rechte, rassistische Wähler:innen mit Aussagen wie: „Ob es einem gefällt oder nicht, Sklaverei war legal. Den Sklavenhaltern wurde nach dem Bürgerkrieg ihr Eigentum weggenommen. Man könnte also argumentieren, dass Reparationen nicht nur Schwarzen zustehen, sondern auch Leuten, deren ‚Eigentum' abhandengekommen ist." Tatsächlich erhielten ehemalige Sklavenhalter eine umfangreiche Entschädigung für ihr ehemaliges menschliches „Eigentum", über dessen Leben, Arbeitskraft und Körper sie nach Abschaffung der Sklaverei zu ihrem Nachteil nicht länger verfügen konnten.
Mit derartigen Äußerungen ist der politische Rivale Larry Elders, Amtsinhaber Gavin Newsom, bisher nicht aufgefallen. Dennoch wird er im Wesentlichen wegen zweier Fehltritte kritisiert: Zum einen wegen eines Abendessens im letzten Jahr mit Freunden und Lobbyisten in einem der teuersten Restaurants der USA, bei dem drinnen gesessen und keine Masken getragen wurde. Zuvor hatte Gavin Newsom gegenüber der Bevölkerung Kaliforniens verfügt, sich nicht in Gruppen zu treffen, Abstandsregeln einzuhalten und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Des Weiteren zeigte sich Gavin Newsom abermals elitär, alles andere als volksnah und heuchlerisch, als seine Kinder wieder am Präsenzunterricht an ihrer Privatschule teilnehmen konnten, während die meisten öffentlichen Schulen aufgrund der Corona-Pandemie nur Fernunterricht abhalten durften.
Zur Rettung des ins Wanken geratenen Gouverneurs von Kalifornien eilen nun prominente Vertreter:innen der Demokraten zu Hilfe, wie US-Vizepräsidentin Kamala Harris und auch Joe Biden, der ebenfalls sein persönliches Erscheinen für den Wahlkampf-Endspurt nächste Woche ankündigte. Unterstützung erhält Gavin Newsom darüber hinaus von Ex-Präsident Barack Obama, der derzeit in einem Wahlwerbespot, zu sehen ist, der in Kalifornien ausgestrahlt wird. Auch der linke Senator Bernie Sanders sagt in einem Wahlwerbespot: „Das Letzte, was wir brauchen, ist irgendein rechter republikanischer Gouverneur in Kalifornien!"
Tatsache ist, dass eine Abwahl von Gavin Newsom als Gouverneur von Kalifornien weitreichende Konsequenzen auch über den Westküsten-Bundesstaat hinaus haben könnte. Die Politik in Washington könnte durch die Wahl von Larry Elder nachhaltig beeinflusst werden, wenn dieser, wie kürzlich in einer rechten Talk-Radiosendung angekündigt, eine:n republikanische:n Nachfolger:in für die demokratische Senatorin Diane Feinstein bestimmen sollte, sollte diese zurücktreten und Larry Elder Gouverneur werden. Die 88-Jährige vertritt Kalifornien bereits seit 1992 im US-Senat.
Ende letzten Jahres deckte das US-Magazin The New Yorker mit Hilfe anonymer Aussagen von Mitarbeiter:innen Feinsteins und auch von Politikerkolleg:innen auf, dass diese offenbar an Demenz leidet. Nichtsdestotrotz ist sie weiterhin Mitglied von Senatskomitees und an wichtigen politischen Entscheidungen und Anhörungen beteiligt. Ihre Ersetzung durch einen Republikaner würde die Mehrheitsverhältnisse der Demokratischen Partei zunichtemachen, die derzeit im Senat nur über die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme verfügt. Als Gouverneur hätte Larry Elder die Befugnis, anstelle von Diane Feistein eine:n republikanische:n Senator:in zu berufen und somit ohne eine Wahl die Mehrheitsverhältnisse im Senat zugunsten der Republikaner zu verändern.
Zuletzt von einem republikanischen Gouverneur regiert, wurde Kalifornien von 2003 bis 2011 - von Arnold Schwarzenegger, der ebenfalls durch eine Recall-Wahl ins Amt gelangte. (Johanna Soll)