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Jeder schaut auf jeden: Bei der „Ubuntu"-Philosophie zählt die Gemeinschaft

Ein Mensch ist ein Mensch durch andere Menschen. Möchte man „Ubuntu", jene Philosophie, der unter anderem Nelson Mandela folgte, auf ihre Kernessenz herunterbrechen, könnte man es jedenfalls so formulieren. Klingt kompliziert? Spätestens nach dieser Einführung nicht mehr. Was ist die Ubuntu-Philosophie?

Ist von „Ubuntu" die Rede, ist in erster Linie eine Philosophie gemeint. Bei Ubuntu geht es um Gemeinschaft. Darum, dass alle gleich gut versorgt sind und dass sich Menschen umeinander kümmern. Doch die Definition lässt sich ausweiten, denn Ubuntu ist nicht nur eine Theorie, es ist auch eine Lebensweise, Emotion und Bestrebung. Heute wird es vor allem in südafrikanischen Ländern praktiziert und auch das Wort selbst stammt aus den beiden südafrikanischen Sprachen Xohsa, eine der elf Amtssprachen Südafrikas, und Zulu.

Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela war der erste demokratisch gewählte Präsident Südafrikas. Er galt für viele als Personifikation von Ubuntu - vor allem, weil er sich bis zu seinem Tod 2013 hartnäckig für die Befreiung Schwarzer aus dem Apartheid-System und für die Wahrung von Menschenrechten einsetzte. Getragen wurde Mandelas Einsatz von einem ungebrochenen Sinn für den Frieden.

Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela prägte die Ubuntu-Philosophie

In einem Interview beschreibt Nelson Mandela seinem Gegenüber den Begriff Ubuntu anhand einer kleinen Geschichte. Darin erzählt Mandela von einem Siedler, der durch das Land reist und Rast in verschiedenen Städten und Dörfern macht. Sobald er ankommt, wird ihm Essen und eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten, ohne dass er selbst danach fragen muss. Er wird ganz selbstverständlich mit allem versorgt, was er braucht. Die Gemeinschaft kümmert sich um ihn.

Wichtig ist dennoch: Bei Ubuntu geht es nicht um Selbstlosigkeit. Sondern darum, die Gesellschaft, die einen umgibt, durch das eigene persönliche Wachstum zu verbessern, ihr etwas zurückzugeben. Sodass schlussendlich alle profitieren.

Bevor Mandela 1993 den Friedensnobelpreis verliehen bekommt, sitzt er ganze 27 Jahre wegen seines Kampfes für Menschenrechte im Gefängnis. Während dieser Zeit hält er seinen Mitinhaftierten Reden über die Menschenwürde und schreibt zahlreiche Briefe an seine Familie, in denen er Vergebung gegenüber jenen predigt, die für seine Inhaftierung verantwortlich sind. Und auch spätere Zitate von Mandela sind durch und durch von Ubuntu geprägt:

"Niemand wird so geboren, dass er andere wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder ihres Ursprungs hasst. Menschen müssen erst lernen, was es heißt zu hassen, und wenn sie Hass lernen können, dann kann man ihnen auch beibringen, wie man liebt, denn Liebe liegt dem menschlichen Herz näher als jeder Hass."

Bischof Desmond Tutu: Ubuntu tut der eigenen Gesundheit gut

Der südafrikanische Geistliche Desmond Tutu ist neben Nelson Mandela einer der berühmtesten Verbreiter der Ubuntu-Philosophie. Auch er ist Träger des Friedensnobelpreises.

"Kennen Sie das, wenn sie so sauer auf jemanden sind, dass sie Bauchweh bekommen und ihr Puls steigt?", fragt Bischof Tutu in einem Gespräch vor Publikum. Allein deswegen sei Vergebung schon mehr als bloße Nettigkeit. Wir tun es nicht (nur) zum Wohle des anderen, sondern auch, um unser "Bauchweh" zu beruhigen - wir sind nett zu uns selbst. Ubuntu, so sagen die Vertreterinnen der Philosophie, tut der eigenen Gesundheit gut.

Auch Ubuntu: Ein kostenloses und für alle zugängliches Betriebssystem

Wer sich ein wenig mit Betriebssystemen befasst, wird sicherlich bereits von „Ubuntu" gehört haben - wenn auch in einem weniger philosophischen Rahmen. Linux bietet, ähnlich wie Windows, Betriebssysteme an, die von internationalen Softwarespezialistinnen entwickelt werden. Der große Unterschied: Linux ist kostenfrei und somit für alle zugänglich.

Und weil diese Idee ganz im Sinne von Ubuntu ist, haben sich die Entwicklerinnen kurzerhand den Namen Ubuntu für eins ihrer vielen Betriebssysteme ausgeliehen. Somit trägt Ubuntu im weitesten Sinne auch in der Technik zum Gemeinwohl aller bei.

Zum Weiterlesen: Amartya Sen: "Globale Gerechtigkeit gelingt nur, wenn wir uns die Welt teilen"
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