Die polnische Regierungspartei PiS hetzt gegen Homosexuelle. Julia Maciocha hat jahrelang dagegen gekämpft. Jetzt überlegt sie, ihr Land zu verlassen.
Diesen Sonntag sind Parlamentswahlen in Polen. In den Umfragen liegt die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vorn. Viele Wähler unterstützten die nationalkonservative Partei bereits bei der letzten Abstimmung 2015. Seitdem ist das Land weiter nach rechts gerückt, konservative Stimmen sind lauter geworden, Hetze gegen Minderheiten hat zugenommen - unter anderem gegen Homosexuelle. Julia Maciocha organisiert seit einigen Jahren die Warschauer Pride-Parade. Was denkt sie über ihr Land?
Das erste Mal, dass ich in meinem Leben Todesangst empfunden habe, war in Białystok, einer Stadt in Ostpolen. Im Juni 2019 fand dort zum ersten Mal eine Pride statt, eine Parade von LGBT-Menschen, also Homo-, Bi- und Transsexuellen. Sie endete damit, dass Fußballfans uns Teilnehmende mit Steinen, Urinbeuteln und Eiern bewarfen. Ich glaube, sie waren eigentlich nicht gegen uns, sie wollten einfach nur jemanden verletzten. Ich schrieb damals meiner Mutter, dass ich sie liebe, denn ich wusste nicht, ob ich lebend rauskomme. Die Polizei war völlig überfordert. Gerettet hat uns wohl, dass die Angreifer so besoffen waren, dass sie nicht getroffen haben.
Homosexuelle Menschen wie ich haben es im tiefkatholischen schwer. Das Recht, eine Partnerschaft miteinander zu haben, zu heiraten oder ein Kind zu adoptieren, haben wir hier nicht. In Warschau, wo ich studiert habe und jetzt wohne, sieht man keine schwulen oder lesbischen Paare, die in der Öffentlichkeit Händchen halten oder sich küssen. Sie laufen einfach nur nebeneinander wie Freunde, denn alles andere kann schnell zu Beleidigungen führen - wenn nicht Schlimmeren. Wenn ich nach dem Feiern mit meiner Freundin im Taxi nach Hause fahre, sitzen wir getrennt und passen auf, worüber wir reden, weil wir nicht wissen, wie der Fahrer über uns denkt. Im schlimmsten Fall kann er uns aus dem Taxi werfen. Das ist Freunden von mir schon passiert.
"Für mich ist dieses Jahr das schwärzeste der polnischen LGBT-Bewegung." Julia Maciocha, Organisatorin der Warschauer Pride-Parade
Für mich ist dieses Jahr das schwärzeste der polnischen LGBT-Bewegung. Im April erklärte der Chef der nationalkonservativen Regierungspartei , Jarosław Kaczynski, die LGBT-Community als Bedrohung für Polen und Hauptfeind der diesjährigen Parlamentswahlen. Seitdem vergeht kaum eine Woche, in der uns die PiS nicht attackiert, unterstützt von regierungsnahen Medien. Ganze Regionen, in denen die PiS an der Regierung ist, haben sich schon symbolisch für LGBT-frei erklärt. Einmal wollte das regierungsnahe Magazin Gazeta Polska ihren Ausgaben homophobe Sticker beilegen. Ein Gericht stoppte die Aktion.
Wir als LGBT-Community wollen für unsere Rechte kämpfen und organisieren deshalb immer mehr Prides in immer mehr polnischen Städten, wie dieses Jahr etwa in Białystok. Bei uns in gingen im Juni wieder fast 50.000 Menschen auf die Straße. Auch der Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski nahm teil. Er setzt sich sehr für die LGBT-Community ein, und wird dafür von vielen Seiten angefeindet.
Ich habe zuerst als Freiwillige bei der Warschauer Pride mitgeholfen. 2016, als die damaligen Organisatoren aus beruflichen Gründen aufhörten, wurde ich gefragt, ob ich Hauptorganisatorin der Parade werden möchte. Ich war zuvor für Sicherheit verantwortlich gewesen und hatte die meiste Erfahrung. Ich lehnte ab, weil ich mich 22 zu jung fühlte, aber meine Freundinnen und Freunde überzeugten mich und ich wurde Präsidentin der Organisation, die die Pride veranstaltet.
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