Nach zwei Stunden fällt mir auf, dass Olaf Schnelle noch kein Mal diesen Begriff gebraucht hat, der doch eigentlich ständig hätte fallen müssen. Wir haben über die Natur in Zeiten des Klimawandels gesprochen und wie man als Gärtner darauf reagiert, über die Verbindung von Ökologie und Ökonomie und über die biologische Landwirtschaft im Großen wie im Kleinen. Begriffe wie Resilienz sind aufgetaucht, Stabilität und Effektivität. Aber warum, Herr Schnelle, fehlt der Begriff Nachhaltigkeit?
"Weil es nicht um Erhaltung geht, es geht um Aufbau", sagt der Gärtner. Darin steckt ein Großteil seiner Philosophie. Es ist ein Wachstumsdenken, das nicht das Ende im Blick hat, die Rendite, sondern den Anfang, die Ressourcen. Seine Ressource ist vor allem die Erde. Olaf Schnelle, dreiundfünfzig, ist nicht einfach nur Gärtner. Es ist ein Exot, vor allem hier in Mecklenburg-Vorpommern. Sie haben ihn schon den Türken genannt, wegen seiner schwarzen Haare und des Barts, in dem sich nur ein paar graue Haare finden. Und vor zwei Jahren, als die Flüchtlinge kamen, erzählt er, habe jemand aus der Gemeinde der nahen Stadt Grimmen angerufen und gefragt: "Du, Olaf, da sind die Migranten, die pflücken die Ebereschen. Was ernten die da?" "Das waren keine Migranten, das war ich", sagte er.
Olaf Schnelles Ressource ist vor allem die Erde
Zu seinem Garten fährt man fast einen ganzen Kilometer an einem dieser gigantischen Felder entlang, die die Landschaft südlich der Ostseeküste prägen. Ein zartes Dunkelgrün auf dem Acker fließt bis an den Horizont, unterbrochen von Hochspannungsmasten, hie und da ein paar Baumreihen. Es ist diese weitläufige Einöde, die wie kaum sonst in Deutschland zeigt, welchen Einfluss die industrielle Landwirtschaft auf die Änderungen am Klima hat. Sandstürme, die am besten sichtbare Erosion des Bodens, sind für die Menschen hier nichts Ungewohntes mehr. Ebenso wenig wie die Dürresommer. Der von 2018 war nur der bisher drastischste. Vielerorts wuchs der Mais nur zwei statt vier Meter hoch, und wanderte nach der Noternte im August gleich in die Biogasanlage. Die Kolben waren kaum entwickelt, selbst fürs Vieh ist das zu wenig.
Inmitten der Felder liegt Dorow, eine Ansammlung von gut einem Dutzend Häusern. Und auf einem Grundstück -seine Nachbarn hätten darauf nicht mal genug Platz, um ihre Landmaschinen zu parken - wächst Schnelles Grünzeug.
Vor vier Jahren hat der Mann, der vor zwanzig Jahren mit Essbare Landschaften den Wildkräutersalat in Deutschland bekannt machte, hier neu angefangen. Noch immer pflanzt und sammelt er vor allem für die Spitzengastronomie ... (Weiter auf effilee.de)