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Wofür ich dem Krebs dankbar bin

Alljährlich am 4. Februar ist Weltkrebstag. Ein Anlass, diese scheußliche Krankheit auch mal von einer anderen Seite zu betrachten.

Heute ist Weltkrebstag und in elf Tagen ist meine Diagnose genau vier Jahre her. Damals wurde durch eine Routineuntersuchung bei mir Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert und meine Welt implodierte. Während der ersten Operation gab es eine Komplikation, durch die ich fast meine Beine verloren hätte. Es folgten eine vorbeugende Radiochemotherapie und weitere Eingriffe.


Inzwischen habe ich den Krebs vorerst überstanden, es war ein recht frühes Stadium. Ich hatte Glück im Unglück. Andere Menschen sind viel schlimmer dran, aber Leid ist immer individuell und lässt sich nicht vergleichen.


Durch den Krebs habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Sterblichkeit gespürt. Endlichkeit. Die Tatsache, dass ich nicht unverwundbar bin. Und darum bin ich dieser heimtückischen Krankheit trotz allem dankbar. Ich habe nämlich viel gelernt. Zum Beispiel das hier:


Ich folge meinem Herzen

Ich versuche noch mehr als früher, möglichst authentisch zu leben. Es ist unwichtig, was andere Leute denken oder sagen - darauf hat man eh keinen Einfluss. Wenn ich etwas wirklich will (oder eben nicht), dann höre ich auf meine innere Stimme. Sie ist durch die Krankheit lauter geworden und hat mir bisher keinen schlechten Rat erteilt.


Ich bin insgesamt dankbarer

Weil ich sie durch ein sogenanntes Kompartmentsyndrom, bei dem es zu Durchblutungsstörungen und Absterben des Gewebes kommt, fast verloren hätte, habe ich ein besonderes Verhältnis zu meinen Beinen. Manchmal laufe ich einfach so los - weil ich es kann. Ich tanze am Bahnsteig, egal, ob die Leute gucken. Ich wackle mit den Zehen und gehe barfuß. Oder ich bleibe stehen, starre selig grinsend in den blauen Himmel und freue mich, dass ich lebe. Dankbarkeit ist eine zutiefst glücklich machende Eigenschaft. Mehr davon für alle!


Ich ernähre mich bewusster

Statt Fertig-Schokomüsli oder zuckerhaltiger Cornflakes wie vor der Krankheit gibt es jetzt morgens Apfel-Amaranth-Joghurt oder Dinkelpancakes, statt Pizza mit doppelt Käse Zitronen-Minz-Couscous. Mein Körper ist mein Motor - er läuft mit dem, was ich in den Tank fülle. Und es macht Spaß, mit neuen Zutaten zu experimentieren. Dabei bin ich aber nie zu streng. Gesundheit ist wichtig, Genuss aber genau so. Was wäre das auch sonst für ein Leben?


Ich weiß, wer meine Freunde sind. Und wer nicht

So eine Erkrankung ist eine unglaubliche Belastung und zwar nicht nur für den Kranken. Auch das Umfeld leidet mit und muss extrem viel aushalten. Leider ist nicht jede Freundschaft oder Beziehung stark genug. Die Menschen, die nach so einer Geschichte noch da sind - das sind wahre Freunde. Und um die kümmere ich mich, so gut ich kann.


Ich habe die Welt gesehen

Zumindest einen Teil. Ohne den Krebs hätte ich nicht den Mut gehabt, alles hinzuschmeißen und allein auf eine sechsmonatige Reise zu gehen. Wie viele Menschen hätte ich wohl gedacht: "Das mache ich später, wenn ich in Rente bin!" Dass es soweit vielleicht gar nicht kommt, hat mir erst die Krankheit bewusst gemacht. Und ohne meinen wundervollen Patenonkel Sigi, den wir an den Krebs verloren haben und der mir einen kleineren Geldbetrag hinterlassen hat, wäre das auch nicht so ohne weiteres möglich gewesen.


Außerdem gehe ich regelmäßig alle vier Monate zwecks Nachsorge zur Gynäkologin, nicht nur einmal im Jahr wie früher. Denn das, so musste ich lernen, hat bei mir nicht gereicht.

Wir lernen vieles erst durch eigenes Erleben. Wir wissen Dinge erst zu schätzen, wenn sie in Gefahr sind.


Aber das muss ja nicht so sein, oder?

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