Weil die Hauptangeklagte und ihre mutmaßlichen Mittäter schweigen, werden seit zwei Jahren mühselig und detailversessen Beweise und Hinweise im NSU-Prozess zusammen getragen. Vieles scheint mittlerweile aufgeklärt, doch hin und wieder gibt es auch Neues. Indizien lassen nun vermuten, dass das NSU-Trio noch eineinhalb Woche vor Auffliegen in Leipzig unterwegs waren. Das Trio und seine Helfer sollen für die Ermordung von neun Migranten und einer deutschen Polizistin verantwortlich sein. Jennifer Stange hat für MDR info die neuen Hinweise recherchiert.
Die Parkzeit endete am 25. Oktober 2011 um 19:29, am Standort Liebigstraße. So steht es auf dem Parkschein. Er führt möglicherweise zu neuen Anhaltspunkten im NSU-Prozess. Wo der Schnipsel herkommt, erzählt Opferanwalt Hardy Langer:
In dem Wohnmobil, in dem am vierten November 2011 Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen aufgefunden wurden, fanden die Ermittler auf dem Ablagefach der Beifahrerseite einen Parkschein.
Weil nur die Straße, nicht der Ort darauf vermerkt sind, konnte der Parkschein von den Ermittlern wohl nicht zugeordnet werden und verschwand deshalb für Jahre in der Asservatenkammer. Anwalt Langer ist darauf gestoßen und meint, der Parkschein stammt aus einen Automaten vor dem Leipziger Uniklinikum. Michael Jana vom Verkehrsamt der Stadt Leipzig schaut sich eine Kopie an:
Ja in der Liebigstraße steht ein Parkscheinautomat und stand auch zum damaligen Zeitpunkt ein Parkscheinautomat mit dem Aufdruck Liebigstraße. Direkt zuordnen können wir das natürlich nicht. Der Parkschein sieht aus, wie die Parkscheine, die wir in Leipzig verwenden, oder zum damaligen Zeitpunkt verwendet haben.
Waren Mitglieder des NSU also eineinhalb Wochen vor ihrem letzten Bankraub Anfang November 2011 in Leipzig? Und wenn ja, was haben sie dort gewollt? Langer fügt ein weiteres Puzzleteil hinzu, ein Hinweise darauf, was sie ausgerechnet bei der Leipziger Uni-Klinik gewollt haben könnten.
Ein Unfallanzeige belegt dass ein Mitangeklagter dort am 17.Oktober 2011 genau in dieses Klinikum eingeliefert wurde und sich dort mindestens bis zum 27. Oktober 2011 befand.
Andre Eminger, aufgewachsen im sächsischen Johanngeorgenstadt, ist als NSU Unterstützer angeklagt und gilt als einer der engsten Vertrauten des Trios. Um zu klären ob und wie weit er auch für die Morde und andere Straftaten mitverantwortlich gemacht werden kann, müssen vor Gericht Unmengen von Detail rekonstruiert werden. Langer:
Es ist eben ein besonders Indiz, wenn ein Mitangeklagter, der sich dort im Krankenhaus befindet, von Mundlos Bonhardt und Zschäpe, oder einzelnen von ihnen besucht wird bis kurz vor Schluss.
Ein Indiz für Emingers enge persönliche Beziehung zum Trio. Eminger soll Wohnungen gebieten, Bahncards und Fahrzeuge besorgt haben. Auch den weißen Fiat-Caravan mit dem Mundlos und Böhnhardt in Jahr 2000 nach Köln gefahren und eine Bombe in einem Lebensmittelgeschäft platziert haben sollen. Die deutsch-iranische Tochter des Inhabers lag danach wochenlang im Koma. Eminger schweigt im Prozess vor dem Oberlandesgericht München. Ebenso die Mitangeklagten und andere Neonazis, die als Zeugen gehört werden.
Deshalb ist es ja auch so aufwendig und so schwierig und nur über Indizien möglich dort einzelne Beziehungen und Handlungsstränge nachzuweisen.
Langer hat vor der Sommerpause einen Beweisantrag gestellt, um offene Fragen rund um den Parkschein zu klären. Unter anderem sollen Personen gesucht werden, die das Trio oder einzelne möglicherweise im Leipziger Klinikum gesehen haben. - Knapp vier Jahre später. Bleibt nur zu hoffen, dass die Erinnerungen von Personal, Besuchern, oder Zimmernachbarn nicht genauso verblasst sind, wie die Ziffern und Buchstaben auf dem Parkschein. Gegenüber MDR info wollte sich das Klinikum mit Verweis auf polizeiliche Ermittlungen nicht äußern. Eine offizielle Entscheidung des Gerichts zu Langers Antrag steht noch aus.