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Teil 1: Faktencheck Griechenland - Genug gespart und reformiert?

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Die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket für Griechenland sind in vollem Gange. Politiker und Ökonomen wiederholen immer wieder die gleichen Sätze. Wir machen diese Woche den Faktencheck. Was ist dran an den Aussagen? Heute: Die Griechen haben nicht genug gespart! Und nicht genug reformiert!

„Das ist einfach falsch," sagt Ökonom Heiner Flassbeck. „Das ist das größte Spar- und Kürzungsprogramm, das je ein Land in den letzten 80 Jahren durchgeführt hat.“ Und tatsächlich: Griechenland hat seine Staatsausgaben seit Beginn der Krise von 128 Milliarden auf 83 Milliarden Euro reduziert. Das ist ein Minus von 35%. In der gleichen Zeit sind die Staatsausgaben in Deutschland um fast zehn Prozent gewachsen.

Vor allem öffentliche Investitionen, Sozialleistungen, Renten und Gehälter wurden massiv gekürzt. Will eine griechische Behörde jemanden neu einstellen, müssen vorher fünf Leute gehen – zumindest in der Theorie. Sommer- Oster- und Weihnachtsgeld wurden abgeschafft. „Sie haben den öffentlichen Dienst fast halbiert. Sie haben die Löhne gesenkt, sie haben den Mindestlohn gesenkt." Und laufend Steuern erhöht oder neue eingeführt, sagt Gustav Horn vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Die Einkommen sind durchschnittlich um 30 Prozent gesunken.
„All dies sind drastische Maßnahmen, die wir uns in Deutschland wahrscheinlich nie zumuten würden.“

Schwieriger wird die Einhaltung. Aber erste Erfolge gibt es: zum Beispiel sind die Lohnstückkosten sind gesunken. Sie sind wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit. Und auch das Haushaltsdefizit hat sich drastisch reduziert, von rund 15 auf 3,5%. Andererseits ist aber auch in Folge der Sparpolitik die griechische Wirtschaft um 25% eingebrochen. Jeder vierte Grieche ist arbeitslos. Noch mehr Sparen halten viele Ökonomen daher für falsch, wie Stefan Collignon: „Wenn ich zum Bäcker gehe, dann gebe ich dem Bäcker mein Geld und dadurch wird bei ihm Einkommen geschaffen, und er braucht Mehl, und daher wird beim Müller Einkommen geschaffen. Wenn man das nicht berücksichtig, dann bricht die Wirtschaft zusammen.“

Die griechische Regierung habe, sagt Nicolaus Heinen, Analyst bei der Deutschen Bank, diese Sparmaßnahmen nicht mit Strukturreformen begleitet. Was vor allem an Klientel- und Vetternwirtschaft liegt. In Deutschland arbeitet jeder siebte für den Staat. In Griechenland ist es jeder vierte; was daran liegt, dass Verwandten gerne mal ein Job zugeschoben wurde. Was am Ende beim Steuerbescheid raus kommt, steht und fällt mit dem Wohlwollen des Finanzbeamten. Und die einflussreichen Reeder und Apotheker konnten über Jahrzehnte ihre Privilegien wahren.

Es gibt vorsichtige Anfänge, das zu ändern. Zum Beispiel wurde die Gründung von Unternehmen vereinfacht. Das hat Griechenland in einem Ranking der Weltbank schon um vier Plätze nach vorne befördert – auf Platz 61 von 189. Aber: Es fehlen grundlegende Reformen, etwa in der Steuerverwaltung oder dem Justizwesen. Dazu sagt Analyst Heinen: „Reformen in homeopathischen Dosen helfen da auf keinen Fall weiter.“