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In Daressalam hat Mode noch eine klare Botschaft

Die Mode geht wieder einmal auf Safari - Beige, Khaki und Leoprints sind alte Bekannte. Zusätzlich sind nun bunte Muster in den europäischen Metropolen angekommen. Wer sich jetzt als Großstadt-Massai wähnt, muss jedoch feststellen: Mit traditionell afrikanischer Mode hat dies nur am Rande etwas zu tun, denn die funktioniert vor Ort deutlich anders, wie eine Shoppingtour in Daressalam zeigt.

Seit Juli 2010 ist die Metropole der ehemaligen deutschen Kolonie Partnerstadt Hamburgs, des Musterbeispiels deutscher Aufgeräumtheit. Gemeinsame Projekte zu Infrastruktur und Stadtplanung, Gesundheitsversorgung sowie Schulpartnerschaften sollen Daressalam etwas mehr Struktur geben. Ein Lernprozess für beide Städte.

Zu tun gibt es viel. Das wird schon bei der Fahrt in die Innenstadt, nach Kariakoo, deutlich. Die Straßen sind überlastet, Ampeln regeln nichts, es gilt das Recht des Schnelleren. Dazwischen knatternde Motorräder, Fußgänger und Busse, die woanders den Standards nicht mehr genügten und nun hier zu viele Menschen (in zu hoher Geschwindigkeit) an ihr Ziel zu bringen versuchen. Die Äquator- Sonne lässt das Thermometer auf über 35°C steigen.

Maßgeschneidertes vs. "Made in China"

Kariakoo ist Herz und Handelszentrum der Stadt. Die Einheimischen sagen, hier fände man alles vom Schuh bis zur Designerdroge. An einer Straßenecke hockt ein Mann mit einem Eimer, in dem er Hühner auswäscht, die kurz danach auf seinem Grill landen.

Es sind die Frauen, die die farbenfrohe Ästhetik des Landes schlendernd nach Daressalam bringen. In fröhlich bunten, drapierten Gewändern und mit in die Höhe gewickelten Turbanen, Körbe mit Lebensmitteln auf dem Kopf, stechen sie im sonnengebleichten Gewühl heraus.

Auch Magreth bummelt durch die Straßen Kariakoos. Die Tansanierin ist eine der Koordinatorinnen der Hamburger Städtepartnerschaft. Es ist Samstag, heute hat sie frei. Wer für die Regierung arbeitet, muss nur fünf Tage pro Woche anstelle der üblichen sechs arbeiten. Ein paar Ergänzungen für den Kleiderschrank müssen her. Das Gefühl, nie das Richtige zum Anziehen zu haben, ist kulturübergreifend. Klar kenne sie H&M, Zara und Co. von einem Besuch aus Deutschland, aber solche Läden gäbe es hier nicht, sagt sie. Kleidung wird in den meisten Fällen maßgeschneidert. Eine Tradition, die seit einigen Jahren mit günstig in China produzierten Kleidungsstücken in Konkurrenz steht.

Der Weg führt in eine schmucklose Halle, die lediglich von einigen Neonröhren ausgeleuchtet wird. Stoffhändlerinnen bieten hier ihre Waren in kleinen, abgetrennten Sektionen an. Ein Plakat an der Wand kündigt die Swahili Fashion Week im Dezember an, bei der sich Designer aus Mittel- und Ostafrika präsentieren. "Rafiki, Rafiki, schau dich um. Alle Stoffe wurden in Tansania gefertigt", preist die Händlerin am ersten Stand an. Rafiki, das heißt Freund auf Swahili. Als hellhäutige Europäerin ist es hier unmöglich, in der Masse unterzutauchen. Die Augen der Einheimischen haften an allen, die unübersehbar einer anderen Welt entstammen und im besten Fall Geld mitbringen. Die Atmosphäre erinnert an einen Flohmarkt. Ordentlich zusammengefaltet, stapeln sich Stoffe verschiedenster Farben, Muster und Qualitäten. Was die Hände der Kundin berühren, wird sogleich von einer heraneilenden Mitarbeiterin mit Schwung aus dem Stapel gezogen und entfaltet.

Ein rechteckiges Stück Stoff mit der Aufschrift "Kinder müssen laut sein" in Swahili entpuppt sich als Kanga, der zu einem knöchellangen Rock gebunden wird. Jeder Kanga trägt einen anderen Spruch. Während jene mit Bezug zu Gott Halt und Hoffnung geben sollen, eignet sich etwa "Schämst du dich nicht" vortrefflich als vielsagendes Geschenk. Auch "Dein Nachbar weiß schon, was er gemacht hat" dürfte im heimischen Mehrfamilienhaus für Gesprächsstoff sorgen.

Magreth entscheidet sich für einen Kanga mit göttlicher Botschaft für ihre Mutter ("Gott wird immer für dich sein") und einen Stoff für sich selbst, blau-grün gestreift mit Sonnenblumen. Die Muster sind von allem bestimmt, was das Land zu bieten hat: Tiere, die Massai, der Busch, der nach der Regenzeit zu neuem Leben erwacht. Gibt es etwas zu feiern oder einen besonderen Anlass, wird sich dies auf einem eigenen Stoff wiederfinden. Was bewegt, wird

Zum Schneider geht es hinaus aus der Innenstadt Richtung Meer, wo die Daressalamer ihre Wochenenden mit Schwimmen und Bao, einem Brettspiel, verbringen. Ein Container im Hinterhof eines Wohnblocks ist unscheinbares Schaffenszentrum und Büro. Ein Schreibtisch, einige Stühle und Vitrinen mit kostbaren Stoffen teilen den etwa 12 Quadratmeter großen Raum auf. Ein Ventilator surrt, die Klimaanlage ist kaputt. In der Werkstatt nebenan arbeitet die Nähmaschine. Magreth nimmt auf einem der abgewetzten Kunstledersessel Platz, bis sich die Chefin persönlich ihrer annimmt. Sie trägt einige zusammengerollte Poster herbei, die, nach ihrem Zustand zu urteilen, etwa gleichen Alters wie die Sitzgelegenheiten sind. Die Frau des Schneiders hütet sie wie einen Schatz. Die Poster zeigen Frauen in poppig-bunten Kleidern, jeder Look ordentlich aneinandergereiht, etwa 50 pro Bogen. Das Konzept erinnert an einen überladenen Katalog.

15 US-Dollar für ein Kleid

Magreth überfliegt die Outfits, verlangt nach einem weiteren Poster und noch einem, bis sie einen Schnitt gefunden hat, der ihr gefällt. "Die Poster sind eine gute Inspirationen, aber der Schneider kann auch selbst entwerfen oder kleine Änderungen einbauen", erklärt Magreth. Ein knielanges Kleid, eng an der Taille und mit Rüschen, die die Schultern und den Rücken umspielen, soll es werden. Eine Mitarbeiterin beginnt, das Kleid in seinen Schnittlinien akribisch zu skizzieren. Die Vorarbeit für den Schneider, der nun Maß nimmt und die Werte in die Skizze einträgt. Ein paar schmallippige Anweisungen zwischendurch, und schon ist er wieder verschwunden. Den verbalen Kundenkontakt überlässt er seinen Mitarbeiterinnen.

In zwei Wochen wird Magreth das Kleid abholen können und die 15 US-Dollar in bar bezahlen. Tansanische Schilling verlieren zusehends an Wert. Auf dem Weg zurück in die City saust ein brandneuer Hybrid-Bus vorbei. Er ist Teil der Nahverkehrsflotte, die unter anderem auf eigenen Busspuren das Verkehrsproblem der Innenstadt bis 2034 lösen soll. Die Einwohnerzahl wird dann auf über sieben Millionen angewachsen sein. Vielleicht kann sich dann Hamburg mit gerade mal 1,9 Millionen erwarteten Einwohnern etwas beim "großen" Partner abschauen.

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