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Das Bett der Zukunft weiß genau, wie Sie schlafen

Es ist schön zu wissen, dass George Clooney bereits im Hotelzimmer wartet. Der Gast schwebt zur Tür herein, Herr Clooney im Astronautenanzug kurz darauf über den Bildschirm. Der Film "Gravity" läuft. Er stand ganz oben auf der Lieblingsfilm-Liste.

Daran kann sich das Bett noch erinnern. Es erinnert sich sowieso an alles, was der Gast bereits wieder vergessen hat, weil er zum Beispiel in Gedanken noch mit der Besteigung des Eiffelturms beschäftigt ist. Das Bett jedenfalls dimmt bei der Rückkehr des müden Touristen schon mal das Licht, setzt Akzente in karibischem Türkis und hebt das Kopfteil einige Zentimeter in die optimale Lage zum Fotos-Anschauen. Kurz, das Bett schafft ein Ambiente und verdient sich somit seinen Namen: "Ambisuites". Der Plural im Wort ist Absicht.

Hotel-Bett mit Gedächtnis

Noch allerdings muss das Bett der Zukunft üben. Es steht in der Tischlerei "Vater" in der Nähe von Cottbus. Kein Fünfsternehotel weit und breit. Dafür grasen Pferde auf einer Weide direkt vor der Haustür. Auf den Baumwipfeln und Feldern liegt noch ein Rest Schnee, der in der Stadt schon vor Tagen weggetaut ist. Die Idylle bot die Ruhe und vor allem das Know-how, herauszufinden, wie sich die digitale Welt für einen komfortablen Schlafplatz nutzen lässt und was es braucht, um einen Schlafplatz zu entwickeln, der fast jegliche weitere Zimmereinrichtung überflüssig macht.

Ein gutes Jahr ist es her, dass der Hotelwäschehersteller Erwin Müller die Kreativschmiede Culture Form mit jener Vision beauftragte: ein Hotel-Bett mit großem Komfort und einem Gedächtnis für die Vorlieben des Gastes zu erfinden. "Das fängt bei der passenden Beleuchtung an, geht über Luftpolster, die den Härtegrad der Matratze regulieren, bis hin zur Temperatur der Fußheizung", sagt der Produktentwickler und Culture-Form-Geschäftsführer Andreas Sickert.

Wenige Tage vor seinem ersten großen Auftritt auf der Gastronomiemesse Internorga (noch bis zum 16. März) in Hamburg ist der Prototyp im Wert eines Mittelklassewagens zumindest äußerlich fertig. Drei Monate hat der Bau gedauert. Vieles ließ sich aufgrund der speziellen Anforderungen nur von Hand fertigen. Massives Eichenholz bildet nun eine Art modernes Himmelbett mit abgeflachten Kanten. Der Kopfbereich und die Balken sind von innen mit weicher Alcantara-Mikrofaser ausgeschlagen. So durchdesignt das Bett auch ist, filigran wirkt der 300 Kilo Technikprotz nicht. Aluminiumprofile durchziehen das Gerüst und machen es stabil. "Man könnte sich dranhängen. Ach was, zehn Leute könnten sich da dranhängen", flachst Robert Schorsch, der Mann für die Technik. Und die steht bei diesem Projekt im Vordergrund.

Für Andreas Sickert ist klar: Es reicht nicht mehr, nur gut und bequem auf Reisen zu schlafen. "Ich möchte die gewohnte Atmosphäre von zu Hause mitnehmen, mich unterhalten lassen, ein Erlebnis schaffen." Konkret heißt das, der Gast lädt auf seinem Smartphone eine spezielle App herunter und richtet einen Account ein, der sein Gastprofil speichert. Vermutlich fährt er dann den integrierten 46-Zoll-Bildschirm im Fußende hoch, wischt und klickt sich durch die eigene Video- und Audio-Mediathek, die sich die App bereits von seinem Smartphone gezogen hat. Und was hat das Hotelrestaurant eigentlich für Veganer auf der Karte? Und läuft nicht heute die neue Folge "Orange Is the New Black"? Ein Wisch, und Netflix öffnet sich. Theoretisch.

Man muss nicht unbedingt technikaffin sein

Heute klappt dieses Kunststück nicht. Das Internet in der Werkstatt ist zu schwach, und vor allem ist die notwendige App noch nicht zum Download für Besucher bereitgestellt. Allerdings lässt sich daraus anschaulich ableiten, was passiert, wenn weniger technikaffine Menschen ohne Smartphone und App im Ambisuites nächtigen. Für sie gibt es drei Knöpfe an den Seiten des Betts: einen für das Leselicht, einen zweiten für die indirekte Beleuchtung am Betthimmel und einen dritten, gekennzeichnet mit einem geschlossenen Auge, um mit einem Antippen allen elektronischen Komfort in den Schlafmodus zu schicken. Für Bücherwürmer wäre das völlig ausreichend, aber um die geht es den Bettenherstellern nicht.

Zunächst assistiert nun das firmeneigene, bereits programmierte iPad bei weiteren Tests. Erst einmal in den TV-Modus, die LED-Leisten am Bett färben sich Kino-Rot. Zurück in den "Arbeitsumfeldmodus", helles, kaltes Weiß, igitt. Zeit, ein eigenes Lichtkonzept zu entwerfen. "Man kann diese Einstellungen als Setups hinterlegen und sollte der Gast wieder einmal in einem Ambisuites-Bett schlafen, wird es ihn direkt damit begrüßen", erklärt Andreas Sickert. Abwechselnd flimmert nun "Gravity" über den Bildschirm oder Adele ruft aus den Surround-Lautsprechern ein kräftiges "Hello" herüber. Robert Schorsch ist stolz auf die Qualität des Sounds. Zum Beweis dreht er einmal voll auf. Klingt gut, doch ob das der Nachbargast im Hotel zu schätzen wisse? Und manchmal fällt den Tüftlern die Technik buchstäblich auf die Füße. Neulich drohte einer von ihnen im Maul zwischen Bettkasten und beweglichem Kopfteil stecken zu bleiben, als sich letzteres unerwartet schloss. Derartige Kinderkrankheiten sollen bis zur Markteinführung behoben sein.

Schlaflose Nächte hingegen könnten Feng-Shui-Anhänger befürchten, unter denen jegliche Form von Technik im Schlafzimmer verpönt ist. Auch Schlafforscher raten von Fernseher, Telefon und Co. in der Nähe des Bettes ab. Zu viel Elektrosmog bringe um den Schlaf. Diese Annahme erklärt wiederum das gewöhnungsbedürftige Design des Hightech-Betts. Denn die Aluprofile im Gerüst und in den Stoff des Bettdachs eingewebte Metallfäden "machen aus der Konstruktion einen Faradayischen Käfig", erklärt der Konstrukteur. Das gleiche Prinzip leitet im Auto die Energie von Blitzeinschlägen über die Karosserie in den Boden ab, hier funktioniert es als Elektrosmog-Ableiter. Bliebe noch das Smartphone oder Tablet auf dem Kopfkissen.

Schlafstatistik via App abrufbar

Wer sich nicht sicher ist, ob er wirklich gut geschlafen hat, wirft am nächsten Morgen über die App einen Blick in die Statistik. Aha, einmal um ein Uhr aufgewacht, 30-minütiges Umherwälzen gegen drei Uhr, danach alles ruhig. Die detaillierte Feststellung, eventuell nicht gut genächtigt zu haben, mag für den Hotelgast interessant sein. Ein Pro für das Hightech-Bett wäre sie allerdings nicht, muss auch Techniker Robert Schorsch zugeben. Aber wer sich von seiner Smartwatch ständig die Fitnesswerte anzeigen lässt, wird auch diese Technik schätzen.

Ein rotes Kabel schlängelt sich hinter dem Kopfteil durch die Werkstatt. Hinter einem Regal mit Schraubenschachteln endet es in einer Steckdose. "Das ist alles, was die Hotels, in denen das Bett irgendwann stehen wird, bereitstellen müssen. Eine 230-Volt-Steckdose", sagt Andreas Sickert und verschränkt zufrieden die Arme. Na dann, auf eine gute Nacht, Mr. Clooney!

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