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Ditib-Seelsorger in Gefängnissen

Wenn Soner Durmaz anfängt zu singen, wird es still um ihn herum. Zwölf Männer knien auf dem Boden. Dicht an dicht, jeder auf einem Gebetsteppich. An der Wand hängen Suren, gedruckte Verse aus dem Koran. Der Raum unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht von anderen muslimischen Gebetsräumen - mit der Ausnahme, dass er gut verschlossen hinter mehreren Sicherheitstüren in der Justizvollzugsanstalt Hannover liegt.

Nach Angaben des niedersächsischen Justizministeriums bieten derzeit sieben von vierzehn Gefängnissen regelmäßige muslimische Seelsorge an. Insgesamt sind 24 Geistliche im Einsatz, die von den zwei größten muslimischen Verbänden, Ditib und Schura vorgeschlagen wurden. Davon haben 13 Seelsorger islamische Theologie studiert, die restlichen elf sind wie Soner Durmaz erfahrene Laien. Christliche Gefangene haben in deutschen Gefängnissen schon länger religiösen Beistand durch Seelsorger.

„Vertrauen aufbauen, das dauert", sagt Durmaz. Der 53-Jährige ist ehrenamtlich tätig, soll aber bald von der JVA Hannover unter Vertrag genommen werden. Er lächelt, ist ein bisschen stolz. Der erste vom Land angestellte muslimische Gefangenenseelsorger. Ein Vorstoß, wenn man bedenkt, dass der Staatsvertrag zwischen den Muslimen in Niedersachsen und der Regierung Anfang des Jahres noch auf Eis gelegt worden war. „Ich bin hier für religiöse Themen und nicht für Politik", beteuert Durmaz. Aber genau dort liegt das Problem: Spitzelvorwürfe gegen Ditib-Imame und politische Einflussnahme der Religionsbehörde Diyanet hätten Zweifel hinsichtlich einer zu starken Abhängigkeit vom türkischen Staat verstärkt, schrieb die CDU-Landtagsfraktion in einem Antrag im Februar. „Es ist die Aufgabe von Ministerpräsident Weil, das Verhältnis der Landesregierung zu Ditib zu klären", sagte Fraktionschef Björn Thümler. Das betreffe auch die Gefängnisseelsorge, in der sich der Verband aktiv engagiert.

Stephan Weil (SPD) betonte im März, dass der Kurswechsel der türkischen Regierung problematisch sei für die Zusammenarbeit mit dem Moscheeverband. Man wisse nicht, wie weit die Verbindungen von Ditib in die Reihen der türkischen Regierung reichten. Der geplante Islamvertrag, so wie es ihn in Hamburg und Bremen gibt, hätte unter anderem die Gefängnisseelsorge formal regeln sollen. Dann wurde er in letzter Minute gekippt; ein Zeichen des Misstrauens in den Augen vieler Muslime.

Seit 2014 werden die ehrenamtlichen Seelsorger offiziell vom Land Niedersachsen berufen. Bewerber müssen sich einer Überprüfung durch das Landeskriminalamt unterziehen. Die angehenden Gefängnisseelsorger dürfen im ersten halben Jahr nur in Begleitung von Justizbeamten oder bestätigten Seelsorgern in Kontakt mit den Gefangenen treten. Weitere sechs Monate später prüft das Gefängnis erneut den Verlauf der Zusammenarbeit. Das Justizministerium beurteilt die bisherige Erfahrung mit den niedersächsischen Landesverbänden von Ditib und Schura als „unproblematisch und konstruktiv", ohne „sicherheitsrelevante Auffälligkeiten". In Nordrhein-Westfalen sorgte eine Sicherheitsüberprüfung der Ditib-Seelsorger kürzlich für heftige Kritik bei den Verbänden. Ein Großteil der Geistlichen verweigerte sich einer geforderten Überprüfung durch den Landesverfassungsschutz, die im September 2016 Pflicht wurde. Ihnen wurde daraufhin der Zugang zu den Gefängnissen durch das Landesjustizministerium verwehrt, was die Zahl der Ditib-Seelsorger von 115 im Februar 2015 auf zwölf in diesem Jahr schrumpfen ließ. Wie es in den übrigen Bundesländern um die Gefängnisseelsorge steht, werde nicht erfasst, heißt es beim Bundesjustizministerium.

An diesem Freitag ist es im Gebetsraum der JVA Hannover ruhig. Soner Durmaz bietet den Muslimen seit sieben Jahren Beistand, feiert mit ihnen den Ramadan oder das Opferfest. Am Anfang kamen nur drei Inhaftierte, manchmal keiner. Mittlerweile ist die Gruppe auf etwa 20 Männer aus unterschiedlichen Ländern gewachsen, Tendenz steigend.

„Du vergisst hier alles", sagt ein Inhaftierter nach dem Gebet. „Das hat nichts mit Knast zu tun." Die Männer reden laut über ihre Familien, trinken Kaffee. „Das ist ein Schutzraum für alle", sagt ein Gefangener. „Und es ist egal, ob du Kleinkrimineller bist oder warst oder ein harter Gewalttäter", sagt ein anderer Mann, der seine neunjährige Strafe absitzt. Doch die anderthalb Stunden freitags vergehen immer schnell.

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