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Schlafwandeln ist der Wissenschaft immer noch ein Rätsel

Das Gehirn von Schlafwandlern ist teils aktiv, teils nicht. Warum das so ist wissen Forscher nicht. Foto: getty

Münster. Aufstehen ohne aufzuwachen: Ein bis drei Prozent der Erwachsenen sind Schlafwandler. Was sie nachts aus dem Bett treibt, ist weitgehend unbekannt.

Warum stehen manche Menschen im Schlaf auf? Laufen mit geöffneten Augen und starrem Blick zum Kühlschrank, unterhalten sich mit Mitbewohnern und gehen dann wieder ins Bett? Das Gehirn von Schlafwandlern ist teils aktiv, teils nicht. Warum dieses partielle Erwachen stattfindet, ist der Wissenschaft immer noch ein Rätsel.

„Man kann das Schlafwandeln schlecht untersuchen", sagt Professor Peter Young, Direktor der Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen in Münster. Im Schlaflabor lasse sich das Umherwandeln meist schlecht live beobachten, weil das Verhalten in der ungewohnten Umgebung ein anderes sei.

Eines scheint klar zu sein: Besonders die Hirnareale für Muskelanspannung und Bewegung sind während des Wandelns aktiv. Und: Die Betroffenen erinnern sich nicht an ihre Wandelphase - auch, wenn sie nachts eine Unterhaltung geführt haben - sie befanden sich in der Tiefschlafphase.

Nächtliche Touren können gefährlich werden

Die meisten Schlafwandler wandeln jedoch nicht. „Meist setzen sie sich im Bett nur auf, zupfen an der Bettdecke, erzählen Dinge oder setzen ihre Brille auf", weiß Peter Young. Solche Episoden dauern auch nur wenige Minuten bis zu einer halben Stunde. Etwa 20 bis 25 Prozent der Schlafwandler stehen tatsächlich auf und vollbringen normale Dinge des Alltags. Schlafwandler sind ansprechbar, können Fragen beantworten, sprechen aber meist etwas „verwaschen".

Die nächtlichen Touren können gefährlich werden. „Wir hatten schon Menschen, die nachts auf den Balkon gegangen sind und herunterfielen", sagt Peter Young. Das Verletzungsrisiko bei Schlafwandlern ist also hoch. Wer das Wandeln mitbekommt, sollte daher unbedingt den Schlafwandler entweder zu seinem Bett zurückführen oder bei Gefahr mit allen Mitteln wecken. Dabei kann es passieren, dass der Wandler im ersten Augenblick des Weckens verwirrt reagiert und eine leichte aggressive Grundstimmung zeigt, so Young.

Um die Gefahrenquellen zu minimieren, sollten Fenster und Balkontüren verschlossen werden. Motorik und Koordination sind bei Schlafwandlern nicht besonders ausgeprägt, so dass sie oft anecken und sich blaue Flecken holen.

Schlafwandler sollten sich in einem Schlaflabor vorstellen

Schlafwandeln ist keine Krankheit, scheint aber auch Veranlagung zu sein. Besonders Kinder sind betroffen. „Es liegt wahrscheinlich an der fehlenden Reife des Gehirns", sagt Peter Young. Sie seien indes später nicht anfälliger für neurologische Erkrankungen. Normalerweise verlieren sich schlafwandlerische Episoden in der Pubertät. Auch das ist ein Anzeichen dafür, dass Schlafwandeln auf das noch wachsende Gehirn zurückzuführen ist.

Es gibt Auslöser für das Schlafwandeln: Medikamente wie Beruhigungsmittel, aber auch Schlafentzug, Fieber und Stress. Die eine Therapie gibt es nicht - und in nicht schwerwiegenden Fällen braucht es sie auch nicht. So mancher Schlafwandler wandelt nur alle paar Monate. Es helfe, ausreichend zu schlafen, Stress abzubauen und eventuell eine Verhaltenstherapie. Ärzte raten nur in besonders schweren Fällen zu Medikamenten. Infrage kommen bestimmte Schlafmittel oder auch Antidepressiva.

Auch wenn in den meisten Fällen hinter dem Schlafwandeln nichts Dramatisches steckt: Peter Young rät jedem Wandler, sich in einem Schlaflabor vorzustellen. Schlafwandeln kann nämlich auch ein Hinweis auf neurologische Erkrankungen wie Epilepsie sein.

Schlafwandeln kann auch mit der REM-Schlaf-Verhaltensstörung verwechselt werden. Diese tritt häufig bei älteren Menschen auf. Betroffene leben ihre Träume nachts aus und bewegen sich passend zu dem, was sie gerade in ihrem Traum erleben. So kann es passieren, dass der Schlafende um sich schlägt und laut spricht. Eine teils gefährliche Angelegenheit für den Partner im Bett, und auch diese Störung sollte abgeklärt werden, da sie Vorbote neurologischer Erkrankungen sein kann.

Janna Cornelissen

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