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Portmonnaie vergessen? Macht gar nichts

15. April 2010 - 16:01 Uhr

Einfach mit dem Finger zahlen!


Eigentlich kennt man diese coolen Fingerabdruck-Scanner nur aus Agenten-Filmen: Die Bedrohung der Welt wird hinter Sicherheitsschleusen versteckt. Hinein kommt nur, wer das passende Muster unter dem Finger besitzt. Doch was wie Zukunftsmusik klingt, ist bereits Realität: Jetzt kann man sogar den Einkauf per Fingerabdruck bezahlen.

Wer erwartet so eine High-End-Technologie in einem Lebensmittelmarkt im nordrhein-westfälischen Hürth? Hier testet die Rewe-Gruppe das von der Firma 'Dermalog' entwickelte 'Finger-Payment-System'. 


Doch die Verbraucher sind eher skeptisch eingestellt gegenüber dieser neuen Bezahlmethode. Sind meine Daten sicher? Kann man den Fingerabdruck fälschen? Wie funktioniert das überhaupt? Wir, Timo (28, Volontär) und Jane (24, Praktikantin), haben uns auf den Weg nach Hürth gemacht.


Gleich neben dem Eingang, direkt neben glänzenden Äpfeln und duftenden Orangen, weist ein Registrierungs-Terminal den Kunden auf die neue Bezahlmöglichkeit hin. Die Marktleiterin hilft mir beim Anmelden. "Die Registrierung muss durch eine Mitarbeiterin bestätigt werden", erklärt sie mir. Ich tippe meinen Namen, Adresse und das Geburtsdatum ein. Damit ich nicht schummele, vergleicht eine Mitarbeiterin meine Angaben mit meinem Personalausweis. Weiter geht's mit der EC-Karte, die durch ein Lesegerät an der Seite des Terminals gezogen wird. Das Gerät liest meine Kontodaten, die ich auf dem Bildschirm zur Sicherheit bestätigen muss. Das eigentlich Spannende kommt jetzt: "Bitte legen Sie ihren rechten Zeigefinger auf den Scanner!", befiehlt das Gerät. Da lasse ich mich natürlich nicht lange bitten und lege meinen Finger wie gewünscht auf eine kleine Glasscheibe, den Scanner. Vom Einleseprozess merke ich nichts, und flott geht es mit dem linken Finger weiter. Zur Kontrolle wiederholt sich der Vorgang ein zweites Mal.


Aber warum werden beide Finger eingescannt?


"Wenn man sich in den Finger schneidet oder ihn sich bricht, kann man noch den Finger der anderen Hand nehmen. Man kann aber auch von Vornherein festlegen, dass man mit dem Daumen bezahlen möchte", so Anja Delang, Pressereferentin der REWE-Gruppe. An dieser Stelle muss die Marktleiterin ihren Finger einscannen, um den Anmeldevorgang zu bestätigen. Doch wie das mit Theorie und Praxis so ist: Das Gerät streikt und erkennt ihren Abdruck nicht. "Wenn die Finger trocken und kalt sind, kann so was schon mal passieren", erklärt sie. Das Gerät druckt einen Vertrag aus. Ich unterschreibe ihn und kann loslegen.


Doch wer garantiert mir eigentlich, dass nicht jemand mit einer Kopie meines Fingerabdrucks seine Einkäufe bezahlt? Schließlich hat der Chaos Computer Club herausgefunden, dass Fingerscanner überlistet werden können. Die Experten nahmen einen Abdruck von einem Glas und erstellten eine Folien-Attrappe. "Das Beispiel ist uns bekannt. Der Test wurde allerdings mit einem älteren Gerät eines anderen Herstellers durchgeführt. 'Dermalog' nutzt eine Lebendfingererkennung, mit der Körpertemperatur und Blutzirkulation im Finger gemessen werden. Das System ist sicher", behauptet Delang. Sie erklärt uns auch, wie das Zahlen per Fingerabdruck eigentlich funktioniert.

Lesen Sie auf Seite 2: Keine Speicherung des ganzen Fingerabdrucks


Keine Speicherung des ganzen Fingerabdrucks


"Es werden nur Merkmale eines Abdrucks gespeichert, sogenannte Minutien. Das sind die charakteristischen Punkte der Hautrillen, die bei jedem Menschen einmalig sind. Um einen kompletten Fingerabdruck zu speichern, benötigt man zirka 40 bis 60, bei unserem Zahlungssystem nur sieben bis neun Minutien", so Delang. Daraus errechnet das System einen Zahlencode, der bei dem Tochterunternehmen 'Finger Payment' gespeichert wird. Beim Bezahlen wird der Fingerabdruck mit dem gespeicherten Zahlencode verglichen. Um die Verwaltung der Bankdaten und das Lastschriftverfahren kümmert sich 'easycash'.


Während beim Bezahlen per EC-Karte nur die Bank und der Supermarkt beteiligt sind, haben jetzt schon vier verschiedene Parteien Einblick in unsere Daten: Die REWE-Gruppe, 'FingerPayment', 'easycash' und das jeweilige Kreditinstitut.


Vier verschiedene Parteien haben Einblick in unsere Daten


Ganz schön viele Unternehmen, finden wir. Das denkt auch Bettina Geyk, Sprecherin der NRW-Landesdatenschutzbeauftragten: "Je mehr Parteien an dem Prozess beteiligt sind, desto größere Probleme sind auch für die Datensicherheit zu befürchten", sagt sie uns. Viele Kunden sehen das genauso: "Uns kommt das Ganze spanisch vor", erklärt uns ein älteres Ehepaar. Egal, ob jung oder alt, skeptisch sind viele Leute, die wir im Supermarkt auf die neue Bezahlmethode ansprechen. Dabei hat die Methode durchaus Vorteile: "Wer im Sommer am See ist, muss kein Portemonnaie mitnehmen. Es kann nichts geklaut oder vergessen werden, seine Finger hat man immer dabei. Und die Methode ist wesentlich schneller, als mit Bargeld oder Karte zu zahlen", verteidigt Delang das System. Und tatsächlich: Das Zahlen an der Kasse geht ruckzuck. In wenigen Sekunden ist Timos Finger gescannt.


Ob sich der neue Trend zum Zahlen per Fingerabdruck tatsächlich durchsetzt, bleibt abzuwarten. Denn bisher ist das Ganze nur ein Testlauf zu Forschungszwecken. Im Hürther Supermarkt kaufen zirka 10.000 Leute pro Woche ein. 500 von ihnen haben sich bisher für das neue Zahlsystem angemeldet - hauptsächlich Stammkunden. In Zeiten von Datenschutzdebatten bleiben die Leute offenbar skeptisch.


Autoren:

Jane Schmitt, Timo Steinhaus
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