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Entschuldigungen: Entschuldigen Sie?

Doppelt hält besser ist immer ein guter Ratschlag. Außer bei Entschuldigungen. Wenn man da nachlegen muss, ist meistens etwas danebengegangen. Das konnte man neulich beim Radiosender Bayern 3 beobachten. Der entschuldigte sich gleich in mehreren Statements bei den Fans einer südkoreanischen Boygroup.

Der Radiomoderator Matthias Matuschik hatte sich in seiner Show auf überspitzte Weise darüber geärgert, dass die international erfolgreiche koreanische Pop-Band BTS einen Song der britischen Indie-Band Coldplay gecovert hatte. Matuschik sagte: "BTS ist so wie Sars, irgendein Scheißvirus", gegen das es "hoffentlich bald ebenfalls eine Impfung" gebe. Und dann versicherte er noch, dass er auf keinen Fall fremdenfeindlich sei, denn er "habe ein Auto aus Südkorea", und das finde er auch sehr gut.

Das half irgendwie nicht. Ein Mitschnitt seiner Sendung gelangte ins Netz, und die verärgerten Fans der Band starteten die Hashtags #RacismBayern3 und #Bayern3Apologize. Der Sender entschuldigte sich also. Zuerst, hier etwas verkürzt wiedergegeben, dafür, dass die Fans Matuschiks Äußerungen "als verletzend und rassistisch empfunden" hatten. Dann, nachdem diese Entschuldigung nicht so gut ankam, noch einmal mit der Spezifikation: "Wenn Aussagen von vielen Menschen als beleidigend oder rassistisch empfunden werden, dann waren sie es auch."

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Das kommt einem als Beobachter auf seltsame Weise fremd und vertraut zugleich vor. Fremd, weil die große Beliebtheit des Genres Korean Pop, kurz K-Pop, noch nicht bei jedem angekommen ist. Und vielleicht auch, weil die sprachlichen Unterschiede zwischen den beiden Statements auf den ersten Blick nicht allen einleuchten wollen.

Und dann wiederum vertraut, weil diese Form der öffentlichen Entschuldigung - inklusive der Aufregung in den sozialen Netzwerken - zu einer Art gesellschaftlichem Ritual geworden ist. Immer wieder hört oder liest man davon, dass sich irgendjemand für irgendwas bei irgendwem entschuldigt hat.

VW entschuldigt sich für einen Werbeclip, in dem eine große weiße Hand einen schwarzen Menschen aus dem Bild schnippt: "Wir distanzieren uns davon und entschuldigen uns."

Jens Spahn entschuldigt sich dafür, dass er auf dem CDU-Parteitag in der Fragerunde keine Frage stellt, sondern Werbung für sich und Armin Laschet macht: "Ich sehe im Nachhinein: Es war nicht das passende Format. Das bedauere ich."

Der Satire-Politiker Martin Sonneborn entschuldigt sich dafür, einen chinesischen Akzent nachgeäfft zu haben: "Es tut mir leid, dass Menschen durch die Reproduktion dieser Stereotype verletzt wurden."

Die Süddeutsche Zeitung entschuldigt sich für einen Text über einen Pianisten, den der Pianist und einige Leser als antisemitisch empfanden: "Das tut uns leid, und deswegen bitten wir Igor Levit persönlich wie auch unsere Leserinnen und Leser um Entschuldigung."

Christian Lindner entschuldigt sich, weil er während Corona jemanden umarmt hat: "Am Ende bleibt man Mensch. Tut mir leid!"

Und der WDR entschuldigt sich für eine Folge seiner Show Die letzte Instanz, in der sich vier deutsche Prominente recht einig darüber waren, dass man ja wohl den Begriff mit Z für diese eine Schnitzelsoße noch verwenden dürfe. "Wir lernen daraus und werden das besser machen."

Leben wir also in einer Ära der Entschuldigung? Werden plötzlich mehr Fehler gemacht? Oder sind die Leute empfindlicher geworden?

Vielleicht lässt sich am besten herausfinden, wie es um die deutsche Entschuldigungskultur steht, indem man rausgeht und die Leute fragt. Denn mit Entschuldigungen kennt sich doch wirklich jeder aus.

Wir befinden uns in Eimsbüttel, einem beliebten Viertel Hamburgs, vom Studentenwohnheim bis zur Villa ist hier alles zu finden. Vor der U-Bahn-Station Osterstraße steht ein Mann mit Gitarre und spielt ein Lied. Er heißt Orkun, "wie Orkan mit U", sagt er und nimmt einen Schluck aus seiner Bierdose. Entschuldigungen? Ja klar spielen die in seinem Leben eine Rolle. Erst gestern habe sich seine Frau bei ihm entschuldigt. Kurz vor dem Schlafengehen, da sei sie immer schlecht gelaunt und grummelig. "Sie kommt aus der Mitte des Schwarzwaldes, ist eine echte deutsche Brünhild", sagt Orkun, "ich bin Türke, da knallt es öfter." Der Unterschied sei nur: Sie entschuldige sich meistens gleich. "Irgendwann sage ich dann: Ja, ja, schon okay, willst du auch einen Kaffee?" Heimlich sei er aber immer noch sauer.

Eimsbüttel ist ein entschuldigungsfreudiges Pflaster. Die 13-jährige Snezana entschuldigte sich gestern, weil sie das Geld verlor, das ihre Mutter ihr gegeben hatte.

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