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Eine Einigung führt nur über Russland

Fast vier Jahre ist es her, dass Russland die ukrainische Halbinsel Krim in einer verdeckten Militäraktion annektiert hat. In einem umstrittenen Referendum haben die Bewohner der Krim für den Anschluss an Russland gestimmt, der im März 2014 erfolgte. Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Gelegenheit genutzt. Die bot sich, weil die Ukraine durch Proteste gegen den korrupten Machthaber Viktor Janukowitsch und seine anti-europäische Politik destabilisiert war. Dazu kam ein Konflikt im Osten des Landes, zu dem Putin maßgeblich beigetragen hat. Die Armee und pro-russische Separatisten bekämpften sich über Monate.

Seitdem hat sich die Situation auf der Halbinsel und im Osten der Ukraine nicht geändert - schon gar nicht zum Besseren. Menschen leben unter unwürdigen Bedingungen. Auf der Krim wie in der Ost-Ukraine. In Donezk haben Familien seit Wochen den Keller nicht verlassen - aus Angst, in Schusswechsel zu geraten. In der Stadt gibt es nur noch einen Zahnarzt für knapp zweieinhalb Millionen Einwohner. Immer wieder flammen kriegerische Handlungen auf - der ausgehandelte Waffenstillstand ist brüchig.

Russland dementiert UN-Bericht

Zuletzt hatte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte die Krim-Halbinsel als vorübergehend besetztes Gebiet eingestuft - sehr zum Ärger Russlands. Außerdem hatte das Kommissariat verlauten lassen, dass die Minderheit der Krimtataren unter der Besatzung zu leiden hätte. Zudem ist in dem Bericht die Rede von willkürlichen Festnahmen und Einsperrungen, Fällen von Misshandlungen und Folter sowie von gewaltsamem Verschwindenlassen. Russland dementiert diesen Bericht - natürlich. Die Kritik speise sich aus „manipulierten Fakten und Informationen aus ungeprüften Quellen", sagte der Vizeaußenminister Gennadi Gatilow. Seiner Ansicht nach „untergräbt der Bericht das Vertrauen in die Strukturen der Vereinten Nationen".

Dass der Vizeminister für die UN-Strukturen spricht, ist wenig verwunderlich. Nutzt doch sein Land diese aus: Russland kann als ständiges Mitglied und somit als Veto-Macht des UN-Sicherheitsrates jegliche Resolution blockieren - mit ein Grund, warum dort noch nicht über den Konflikt in der Ost-Ukraine beraten worden ist. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte angeregt, Truppen mit UN-Mandat auszusenden, um die Situation zu beobachten. Undenkbar - selbst, wenn sich die anderen Veto-Mächte einigen, wird Russland nicht zustimmen. Ein Nebeneffekt einer UN-Mission wäre, dass „manipulierte Quellen und ungeprüfte Informationen" vermeidbar sind. Vor Ort werden OSZE-Beobachter eingesetzt - inklusive Verhaftungen und Repressionen gegen diese. Mittlerweile stellte Putin eine erneute Resolution in Aussicht, die den Einsatz von Blauhelmen regelt, allerdings trägt die Ukraine diese nicht mit und ein Zustandekommen bleibt fraglich.

Die Fronten sind verhärtet

Das zeigt, wie schwer es ist, eine Lösung des Konfliktes - besser: der Konflikte - in der Ukraine zu finden. Auf der einen Seite steht ein gespaltenes und gepeinigtes Land, das zwar von großen Teilen der westlichen Welt unterstützt wird. Auf der anderen Seite steht Putins Russland, das versucht, seinen Machtbereich zumindest zu sichern. Auch wirtschaftliche Sanktionen haben daran nichts geändert. Sie treffen Russland ebenso sehr wie die Handelspartner; allen voran die Bundesrepublik, deren Exporte nach Russland sich nahezu halbiert haben. Nicht zu vergessen die größten Leidtragenden: die Menschen, die in den Regionen leben - seien es Russen, Ukrainer oder Krimtataren. Um diese Menschen geht es. Ihnen muss eine Perspektive geboten werden; diese ist im Moment nicht in Sicht und damit auch keine Lösung.

Aber wie kann eine Lösung aussehen? Die Ukraine will um jeden Preis in die Nato. Das wird Russland nicht unterstützen. Auch eine Resolution, die den Ukrainern zum Vorteil gereicht, ist nicht möglich. Das zeigt, dass eine Lösung nur mit dem Einverständnis Russlands erfolgen kann. Der russische Präsident kämpft um die Zuneigung seiner Landsleute. Die Annexion der Krim brachte ihm eine gehörige Portion ein. Ein Vertrag mit der Ukraine zulasten Russlands würde das gewiss nicht tun. Putin hat alle Handlungsspielräume, auch die aktuelle Situation ist für ihn vertretbar. Also muss die Ukraine Abstriche hinnehmen und sich - zumindest vorerst - von einer Nato-Mitgliedschaft verabschieden. Ob sie das tun wird, darf bezweifelt werden. Die Fronten sind verhärtet; der Weg führt nur an den Verhandlungstisch, wenn sich eine Seite - die Ukraine - auf die andere zubewegt.

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