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Weltgesundheitsorganisation: Hallo Zika, bist du noch da?

Lange Zeit war das Zika-Virus so etwas wie der kleine harmlose Bruder des tödlichen Dengue-Virus. Es löste leichtes Fieber aus, Pusteln auf der Haut, hinterließ einen dröhnenden Kopf, schmerzende Gelenke, aber nach ein paar Tagen Bettruhe war es dann auch vorbei. Ende 2015 änderte sich das gewaltig, als Zika sich plötzlich rasend schnell in Brasilien ausbreitete. Und dabei dramatische Spuren hinterließ: Tausende Kinder mit viel zu kleinen Köpfen, seltsam geformt und an Stirn und Hinterkopf abgeflacht, kamen zur Welt. Von Mücken auf Schwangere übertragen war das Virus über ihr Blut in die Gebärmutter und bis in die Zellen der ungeborenen Kinder gewandert, wo es die Fehlbildungen verursacht hatte.

Von Brasilien ausgehend sprang das Virus weiter, schon Anfang Februar 2016 waren 28 Länder in Lateinamerika und der Karibik befallen. Als deshalb dann am 1. Februar 2016 die Weltgesundheitsorganisation den globalen Gesundheitsnotstand ausrief, war das Virus zur vermeintlichen Gefahr für den ganzen Planeten mutiert.

Aber so schnell wie das Virus kam, scheint es nun auch wieder verschwunden zu sein: Heute - genau zwei Jahre später - ist Zika fast vergessen. Von der einstigen Aufregung ist rein gar nichts geblieben. Nur wer aufmerksam Ausschau hält, findet an Flughäfen noch die vergilbten Schilder, die vor den Gefahren des Virus warnen. Was ist passiert?

Wie groß sind die Spuren, die Zika hinterlassen hat?

Das zu ermitteln, ist verdammt schwer. Es fängt schon bei den Zahlen an. "Niemand weiß genau, wie viele Menschen sich infiziert haben", sagt Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und Zika-Spezialist. Der Grund: Die Zahlen, die der regionale Arm der WHO, die Panamerikanische Gesundheitsorganisation (PAHO) zur Verfügung hat, beziehen sich nur auf die, die die typischen Symptome hatten. Das waren zwischen 2015 und heute fast 600.000 Menschen in Nord-, Süd-, und Mittelamerika ( PAHO, 2018, pdf). Bei gerade einmal 220.000 davon wurde per Labortest eine Infektion nachgewiesen. Beim Großteil der Zika-Infizierten verlief die Infektion aber asymptomatisch, sie bekamen von der Infektion nichts mit. Forscher gehen deshalb davon aus, dass sich allein in Brasilien mehr als 1,5 Millionen Menschen infiziert haben.

Zika-Virus

1947 von Dengue-Forschern in Versuchsaffen entdeckt - in einem Wald namens Zika in Uganda - wurde das Virus fünf Jahre später im Menschen nachgewiesen. Die Mücken der Gattung Aedes übertragen es. Das geschieht zurzeit am häufigsten durch die Gelbfiebermücke Aedes aegypti. Diese ist in den Tropen und in den Subtropen verbreitet. Der Virus kann aber auch beim Sex, über Bluttransfusionen und über die Plazenta einer Schwangeren auf das ungeborene Kind übertragen werden.

Es gibt zwei Linien des Virus: eine afrikanische und eine asiatische ( Haddow et al., 2012 & Faye et al., 2014). Letztere löste bisherige Ausbrüche in Afrika, Amerika, Asien und der Pazifikregion aus ( Enfissi et al., 2016). Sie alle waren überschaubar.

Aufmerksam auf den Erreger aus der Familie der Flaviviren wurden Virologen im Jahr 2007. Damals erkrankten mehr als 100 Menschen auf der Pazifikinsel Yap in Mikronesien. 2013 dann der nächste größere Ausbruch: In Französisch-Polynesien bekam rund ein Zehntel der Bevölkerung Zika.

Zika war bislang nicht als schwerwiegende Krankheit bekannt. Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass sie sich infiziert haben. Entweder bekommen sie keine Symptome oder leichtes Fieber, Hautausschlag oder eine Bindehautentzündung. All das klingt nach zwei bis sieben Tagen ab.

Problematischer sind die möglichen Folgeerkrankungen: Mikrozephalie oder das Guillain-Barré-Syndrom. So war die Zahl Neugeborener mit einer Schädelfehlbildung einige Monate nach Beginn der Zika-Epidemie angestiegen. Im April 2016 teilte die US-Gesundheitsbehörde CDC mit, der Zusammenhang zwischen Virus und Fehlbildung sei bewiesen. Entsprechende Ergebnisse veröffentlichten die CDC-Forscher im New England Journal of Medicine ( Rasmussen et al., 2016).

Guillain-Barré ist eine Nervenerkrankung. Sie beginnt meist mit Lähmungen in den Beinen, die sich dann auf Arme und Gesicht ausbreiten. Im Zusammenhang mit Zika ist es gehäuft zu schweren Fällen dieser Autoimmunkrankheit gekommen.

Noch gibt es keine spezifische Therapie oder einen Impfstoff zum Schutz gegen Zika. Allerdings sind mehrere Impfstoffkandidaten im Test. Bis diese auf den Markt kommen, ist die beste Vorsorge, sich vor Mückenstichen zu schützen und stark betroffene Gebiete zu meiden. Antikörpertest s können zeigen, wer bereits mit dem Virus infiziert war. Diese Tests sind aber aufwendig, teilweise schlagen sie auch aus, wenn jemand sich mit den engen Verwandten des Zika-Virus, wie Dengue und Chikungunya, infiziert hat.

Dazu kommen Tausende von Fällen in Südostasien, wo der kleine Stadtstaat Singapur allein mindestens 450 vermeldete. Auch viele deutsche Amerika-Reisende wurden nach ihrer Rückkehr positiv auf das Virus getestet, mindestens einer übertrug es auch beim Sex auf seine Partnerin ( Robert-Koch-Institut, 2016, pdf).

Das Virus befällt mit Vorliebe Nervengewebe und richtet dort Schäden an. Bei einem sich noch entwickelnden Fötus führt das zu Hirnfehlbildungen. Das geschädigte Hirn entwickelt sich nicht richtig und ist oft kleiner als üblich. Die PAHO schätzt die Zahl der Mikrozephalien in ganz Amerika, die auf Zika zurückgeht, auf 3.700, ein Großteil davon, etwa 2.900, wurden aus Brasilien berichtet. Eine Studie der amerikanischen Seuchenschutzbehörde schätzt, dass eine von 20 Frauen, die sich in der Schwangerschaft mit Zika ansteckt, ein Kind mit Fehlbildungen zur Welt brachte ( CDC: Shapiro-Mendoza, 2017).

"Aber die Zika-Mikrozephalie könnte nur die Spitze des Eisbergs sein" erzählt Peter Jay Hotez, der die National School of Tropical Medicine in Houston, Texas, leitet. "Es gibt noch viele andere neurologische Ausprägungen einer Zika-Infektion." Gemeint sind Schäden, die die Eltern und Ärzte nicht direkt nach der Geburt gemerkt haben: Taubheit, Hörprobleme, Epilepsien, aber auch Entwicklungsprobleme und Lernschwierigkeiten unter älteren Kindern. Wie viele Kinder davon betroffen sind, ist völlig unklar, aber es dürften viele Tausend sein.

Und selbst bei Erwachsenen kann die Infektion Spuren hinterlassen: Nach einer Infektion mit dem Virus erkranken sie häufiger am Guillain-Barré-Syndrom (GBS). Bei dieser Erkrankung scheint sich das Immunsystem des Kranken gegen die eigenen Nervenscheiden zu richten, nach und nach fallen deshalb die Nerven aus. Schrittweise wandert die Lähmung über den ganzen Körper. Obwohl das nur vorübergehend ist, kann es zu schweren Komplikationen kommen, wie Herzrhythmusstörungen und einem Aussetzen der Atemmuskulatur. Eine brasilianische Studie zeigt, was Mediziner schon nach früheren Ausbrüchen vermutet hatten ( Cao-Lormeau, 2016): Von den GBS-Patienten hatten viele vorher Zika durchgemacht (JAMA Neurology: Da Silva et al, 2017).

Seit Beginn der Epidemie in 2015, sagt Peter Hotez, habe man extrem viel über das Virus gelernt. Dass die WHO den globalen Gesundheitsnotstand ausrief, setzte viele Gelder für die Forschung frei. Trotzdem ist den Forschern vieles noch ein Rätsel. "Es bedarf", sagt Hotez, "einer ganzen Generation von Kinderneurologen und Kinderpsychiatern, um die Neurologie hinter Zika zu verstehen."

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