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Alt-J: Geschichte einer enttäuschten Hoffnung - WELT

Am Ende des Erfolgs (v.l.): Gus Unger-Hamilton, Thom Green und Joe Newman sind Alt-J

Alt-J gilt seit Jahren als nächste große Art-Pop-Band aus Großbritannien. Ihr neues Album „Relaxer" ist ihr bisher knackigstes, am stärksten fokussiertes Werk. Und das ist leider ein Problem.

Das traurige Ende des Erfolgs von Alt-J nahm im Grunde genommen schon vor zwei Jahren seinen Lauf. Als zwei sichtlich bekiffte, Reiscracker essende Jugendliche aus England einen Song namens „Put It In Butt" ins Netz stellten, in dem sie die Songwriting-Methoden der Band gnadenlos durch den Kakao zogen - spärliche Instrumentierung, Nonsens-Texte, quietschige Stimme -, offenbarte es doch einiges über die Funktionsweise von Alt-J. Die nahmen den Witz sportlich und luden sogar einen Screenshot aus dem Video als ihr neues Twitter-Profilbild hoch. Doch der Eindruck, dass hier jemand aufgeflogen ist, blieb bestehen.

Seit 2012 schreiben Alt-J, damals vier, inzwischen drei Musiknerds aus Leeds, eine der unwahrscheinlichsten Erfolgsgeschichten im Pop. Das Debütalbum „An Awesome Wave" gewann den renommierten Mercury Prize, nach dem zweiten Album „This Is All Yours" spielte die Band eine ausverkaufte Show im New Yorker Madison Square Garden und hatte, für britische Künstler keine Selbstverständlichkeit, sogar Erfolg in Amerika. Warum, verstand keiner so genau. Musikalisch bewegten sich Alt-J irgendwo zwischen Beta Band, Grizzly Bear und schwächeren Radiohead-Songs - also genau der Mischung, die es braucht, um für einen Sommer als große Hoffnung der Indie-Welt durchzugehen und danach in Vergessenheit zu geraten.

Die Halbwertszeit von Alt-J war überraschend lang, doch nun nähert sie sich mit dem dritten Album der Band ihrem Ende. Es heißt „Relaxer" und plätschert acht Songs und 39 Minuten lang vor sich hin. Das klingt zunächst nach einem knackigen und fokussierten Werk. Und genau das ist „Relaxer" auch, allerdings nicht zum Vorteil der Band. Dass Alt-J auf die dekorativen Elemente ihres bisherigen Sounds verzichten, offenbart die gähnende Langeweile ihres Kerns.

Und beim Sex läuft Radiohead

Über die Miley-Cyrus-Samples, die merkwürdigen Flöten und die Mittelalterklänge von „This Is All Yours" konnte man sich immerhin noch streiten. „Relaxer" dagegen bietet in musikalischer Hinsicht keinerlei Angriffsfläche. Meistens verlassen sich Joe Newman, Gus Unger-Hamilton und Thom Green auf eine simple Gitarrenmelodie, die vorzugsweise mit Streichern und wenig Percussion untermalt wird.

Im Eröffnungsstück „3WW" kommt dabei sogar eine halbwegs hübsche Melodie heraus, danach hangelt sich die Band von einer Belanglosigkeit zur nächsten, bis das Album mit einem völlig überdrehten Orchester in „Pleader" endet. Das einzige weitere Highlight ist „Hit Me Like That Snare", in dem Newman darüber singt, wie er Sex hat, während „A Moon Shaped Pool" von Radiohead läuft. Hätte er da mal besser zugehört, wüsste er jetzt, wie guter Art-Pop klingen kann.

„Relaxer" wäre den Ärger nicht wert, hätte die Karriere von Alt-J nicht so vielversprechend begonnen. Man hatte zwar stets das Gefühl, dass die Band nie so recht wusste, was sie eigentlich wollte, doch gerade diese sympathische Orientierungslosigkeit machte Songs wie „Tesselate" oder „Breezeblocks" zu etwas Besonderem. Alt-J haben 2012 aus Versehen ein Vakuum gefüllt, das in der stehen gebliebenen Indie-Welt entstanden war. Bands wie Dirty Projectors, Grizzly Bear und Animal Collective hatten ihre großen Meisterwerke 2009 veröffentlicht, und Alt-J boten sich als Nachfolger an. Dieses Versprechen haben sie nicht einlösen können. Genauso unbeholfen, wie Alt-J in ihre Rolle hineingestolpert sind, verlassen sie sie auch wieder.

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