Die Tochter einer Heimbewohnerin klagt wiederholt über Pflegemängel. Weil die Ismaninger Einrichtung sie nicht mehr zu ihrer Mutter lässt, zieht sie nun vor Gericht - kein Einzelfall. Ein Anwalt spricht von "Isolationsfolter".
Christine König klingt verzweifelt. Sie weiß nicht, was die kommenden Monate für sie bringen werden. Gern hätte die 53-Jährige die Faschingstage mit ihrer Mutter verbracht. Die lebt in einem Pflegeheim in Ismaning. Doch ihre Tochter darf sie dort nicht besuchen; sie hat Hausverbot in der Einrichtung. "Ich möchte meine Mutter gern sehen", sagt König. "Sie ist 81, ich weiß nicht, wie viel Zeit sie noch hat."
Christine Königs Mutter leidet an Demenz, seit dreieinhalb Jahren lebt sie in dem Ismaninger Pflegeheim, im beschützenden Wohnbereich für Bewohner mit besonderem Betreuungsbedarf. König besuchte die Mutter anfangs mehrmals die Woche, wusch, unterhielt und umsorgte sie. Und fand immer wieder Situationen vor, die sie nicht so belassen wollte.
Sie bemängelte Nachlässigkeiten bei der Versorgung der Mutter, zu laxe Sturzprophylaxe, aus ihrer Sicht unangemessene Kleidung. "Ich habe immer wieder Pflegemängel gerügt", sagt König, die selbst Pflegefachkraft ist. Die Beschwerden häuften sich, die Situation wurde angespannter, es kam immer wieder zu teils lautstarken Auseinandersetzungen mit der Einrichtungsleitung und Pflegekräften. Das Heim erließ schließlich ein Hausverbot gegen König.
"Für Heime ist die Unterstützung durch Angehörige wertvoll."Das ist der Einrichtung laut Gesetz möglich, schließlich hat sie das Hausrecht. Allerdings setzt das Bayerische Pflege- und Wohnqualitätsgesetz dem enge Grenzen: In Artikel 5 heißt es dort ausdrücklich, der Träger oder die Leitung eines Pflegeheims dürfe gegen Besucher von Bewohnern ein Hausverbot "nur insoweit aussprechen, als dies unerlässlich ist, um eine unzumutbare Beeinträchtigung des Betriebs der stationären Einrichtung abzuwenden". Dieser Passus, der 2008 eingeführt wurde und nicht in allen Bundesländern in dieser Form existiert, sei eine wichtige Neuerung im bayerischen Pflegerecht gewesen, erklärt Alexander Frey.
Der Münchner Rechtsanwalt hat sich seit bald 40 Jahren auf Betreuungs- und Sozialrecht spezialisiert. Der Mitgründer des kritischen Arbeitskreises "Forum Pflege aktuell" fordert seit Jahren mit Nachdruck Verbesserungen im deutschen Pflegesystem und setzt sich für eine Stärkung der Rechte von Betreuten und Angehörigen ein. Schon vier Mal hat Frey dafür Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht, bislang jedoch immer vergeblich. Seine jüngste Klage lehnten die Karlsruher Richter im November 2016 ohne Begründung ab. Nun will der Anwalt mit seinem Anliegen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. ...