In Sachsen hat ein Hauptschüler der 9. Klasse 40 Stunden Politikunterricht. In Niedersachsen dagegen hätte er 400 Stunden. Dass politische Bildung in sächsischen Schulen zu kurz kommt, ist unter Bildungsexperten unbestritten. In Schmochtitz bei Bautzen haben Lehrer nun diskutiert, wie die politische Bildung in Sachsen besser werden kann. Iris Milde war dabei.
Atmo
Diskussion
Autorin
Rund fünfzig Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen sitzen in Kleingruppen zusammen und diskutieren, warum politische Bildung und Demokratieerziehung in sächsischen Schulen kaum stattfindet. Gerade bewegt sich das Gespräch, um das Thema Vermittlung von Werten und Regeln. Sie machen ihrem Ärger Luft, wie dieser Berufsschullehrer.
Teilnehmer
Oder wir stehen gemeinsam auf, beginnen das, Handys sind in einer Box...
Teilnehmerin
Regeln, Normen.
Teilnehmer
Genau. Meine Normen, die ich kennengelernt habe, die ich für wichtig empfinde, da habe ich aber nur ein Jahr Zeit. In dem Jahr schaffe ich bisschen was. Und dann entlasse ich sie wieder und dann verkommt das alles.
Autorin
Immer wieder fällt das Wort „Zeit“: zu wenige Unterrichtsstunden für politische Bildung und zu wenig Zeit neben der Wissensvermittlung, um über aktuelle Themen zu diskutieren und für den Meinungsaustausch unter den Schülern. Kritisiert wird auch der chronische Personalmangel an den Schulen oder die mangelnde Fortbildung von Lehrern aller Fächer. Denn in jedem Fach könnten Werte vermittelt werden, ist Gemeinschaftskundelehrerin Birgit Rößler aus Dresden überzeugt.
Rößler
Diese Flüchtlingsproblematik kann ich wunderbar zum Beispiel im Matheunterricht bearbeiten, indem ich einfach mal Statistiken auswerte oder einfach mal berechne, ja wie hoch ist denn nun prozentual wirklich der Ausländeranteil in Sachsen.
Autorin
Auch Kerstin Erler, Lehrerin an einer Förderschule in Dippoldiswalde, ist froh, dass das Thema endlich angepackt wird.
Erler
Ich finde, das muss irgendwann mal bisschen forciert werden, weil wir sonst unsere nächsten Generationen verlieren.
Autorin
Die schonungslose Kritik der Lehrer ist gewollt. Die Winterakademie fand in diesem Jahr zum ersten Mal statt und soll als regelmäßiges Fortbildungsformat für Lehrer mit Themen rund um die politischen Bildung etabliert werden. In dieser ersten Akademie ging es darum, dass die Lehrer konkrete Anregungen für Verbesserungen geben, sagt Ralf Seifert vom Sächsischen Kultusministerium.
Seifert
Und das ist meine große Hoffnung, weil natürlich kann man nicht am grünen Tisch jetzt einfach umsteuern. Wir müssen alle, die in dem Umsteuerungsprozessen beteiligt sind, auch mitnehmen und dazu braucht es deren Perspektive und Bedarfslagen. Und die holen wir uns hier authentisch ab.
Autorin
Die Winterakademie ist Teil eines neuen Handlungskonzepts, das im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus erarbeitet wurde. Von Experten wurden 31 Maßnahmen empfohlen. Alle sollen in den kommenden drei Jahren auch umgesetzt werden.
Seifert
Ganz zentrale Punkte sind dabei, dass der Gemeinschaftskundeunterricht ab der 7. Klasse an den weiterführenden Schulen eingerichtet werden kann, dass wir uns sehr stark der Fortbildungslandschaft im Freistaat Sachsen widmen wollen, nicht nur für die Lehrer des gesellschaftswissenschaftlichen sondern für alle Lehrerinnen und Lehrer im Schulsystem.
Autorin
Die Lehrer haben Ministeriumsvertreter Seifert einen Rucksack voller Ideen mit auf den Weg gegeben. Unter anderem schlagen sie vor, dass es eine Schulstunde gibt, in der sich Schüler sozial engagieren, zum Beispiel im Pflegeheim. Denn Demokratie zu leben heiße auch, etwas für die Gemeinschaft zu leisten.
MDR aktuell, 4.2.2018
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