Koch
Mein Name ist Felicitas Koch und ich bin quasi hier in der Sächsischen Jugendstiftung für die Koordination des Freiwilligen Jahres Politik in Sachsen zuständig. Im FSJ Politik haben junge Menschen, die Chance ein Jahr lang in verschiedenen politischen Organisationen mitzuarbeiten.
Atmo
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Autorin
Das FSJ Politik ist offen für alle Jugendliche unabhängig vom Schulabschluss. Die Realität sieht anders aus. Felicitas Koch blättert in Seminarbögen. Abitur, Abitur, Bachelor, kein einziger Freiwilliger mit Haupt- oder Realschulabschluss.
Koch
Viele kommen schon aus gut gebildeten Familien, wo die Eltern selbst ein Studium aufweisen können.
Autorin
Angebote der politischen und demokratischen Bildung sind, abgesehen vom Schulfach Gemeinschaftskunde, freiwillig und erreichen nur eine Minderheit. Das muss sich ändern, meint die Sächsische Jugendstiftung und organisierte deshalb den Impulstag „Freiheit als Pflicht?“, zu dem Akteure aus der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch der Politik eingeladen waren.
Atmo
Moderator
Soll Demokratiebildung auf dem Hintergrund Pflicht werden?
Teilnehmerin
Ja, das System hat den Auftrag, die Mündigkeit herzustellen, Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, demokratische Entscheidungen zu treffen und mitbestimmen zu können...
Büttner
Es ist klar, dass junge Leute nicht als Demokraten geboren werden, sondern dass es dafür ganz, ganz unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen geben muss, die man sich im Verlauf des Lebens aneignen kann. Und dem entgegen steht, dass es ganz, ganz wenige Erfahrungsräume gibt, in denen Jugendliche das wirklich leben können.
Autorin
Sagt Andrea Büttner, Geschäftsführerin der Sächsischen Jugendstiftung. Erfahrungsräume heißt, dass Jugendliche an konkreten Projekten und Fragestellungen lernen, wie Demokratie funktioniert.
Büttner
Wie funktionieren denn Aushandlungsprozesse auf Augenhöhe, wie kann ich mich beteiligen, wie treffe ich Entscheidungen, was gehört dazu?
Autorin
Aber muss man, um alle zu erreichen, diese Erfahrungsräume nicht genau dort schaffen, wo Kinder und Jugendliche sowieso sind? Muss Demokratiebildung in Schule, Kita, in der Familienarbeit zur Pflicht werden? Sven Engert arbeitet mit jungen Straftätern und Langzeitarbeitslosen. Er führt mit ihnen fiktive Wahlen durch oder diskutiert Parteiprogramme.
Enger
Ich denke, ein Zwangssystem stellt durchaus eine Ressource dar, in einer besonderen Lebenslage, in der der Mensch gerade ist, sich mit Dingen zu beschäftigen, die er sonst vielleicht nicht an sich ranlassen würde. Ich gehe nicht davon aus, dass die jungen Leute aus dem Arrest oder vom Jobcenter freiwillig in unsere Seminare gekommen wären. Im Arrest haben ausnahmslos alle mitgemacht.
Autorin
Demokratiebildung flächendeckend? Dafür braucht es nicht nur die Akteure der Kinder- und Jugendhilfe, sondern auch politischen Willen. Doch seitens der Politik hat allein der stellvertretende sächsische Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) den Weg zum Impulstag gefunden.
Dulig
Ich denke in Sachsen braucht man einen neuen Impuls für Demokratiebildung und Demokratiebildung ist ja nicht Staatsbürgerkunde, sondern das heißt wir brauchen eine neue Auseinandersetzungskultur. Wir sind darauf angewiesen, dass wir Räume für Kinder und Jugendliche schaffen, wo sie lernen, ihre Meinung zu bilden und Auseinandersetzungen zu pflegen, ohne Gewalt anzuwenden.
Sendung: 30.9.2017, Frühprogramm
Original