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Verschwundene Millionärsgattin: Festgenommener Ehemann in U-Haft

Die Polizei glaubt, dass Anne-Elisabeth Hagen nicht entführt, sondern ermordet wurde. Ihr Mann Tom Hagen wurde festgenommenFoto: NTB Scanpix/via REUTERS

Oslo - Paukenschlag im vermeintlichen Entführungsfall der norwegischen Millionärsgattin. Jetzt ist Ehemann Tom Hagen in U-Haft - für vier Wochen!

Der Haftprüfungstermin gegen den festgenommenen norwegischen Millionär Tom Hagen (70, geschätztes Vermögen 190 Mio. Euro) dauerte vier Stunden. Nach drei weiteren Stunden kam am Mittwochabend nach langen Überlegungen der Gerichtsbeschluss.

Tom Hagen muss für vier Wochen in U-Haft. Die ersten beiden Wochen wird er sogar in völliger Isolation verbringen. Für den ganzen Zeitraum gilt: Keine Besuche, keine Nachrichten, keine Kontakte.

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In der Begründung des Gerichts heißt es: „Das Gericht betrachtet es als wahrscheinlich, dass es mehrere Beteiligte gab. Das Gericht verweist dabei auf die Tatsache, dass Anne-Elisabeth Hagen aus ihrem Wohnsitz entfernt wurde." Tom Hagens Anwalt Svein Hagen hat am Donnerstag Einspruch gegen die Haft eingelegt.

Anwalt Svein Holden im GerichtssaalFoto: HEIKO JUNGE / AFP

Entführt oder ermordet? Anne-Elisabeth Hagen (damals 68) verschwand am 31. Oktober 2018 aus ihrer Villa in Lørenskog bei Oslo. Ihr Mann, der Investor Tom Hagen, war um 9 Uhr morgens zur Arbeit gefahren. Um 9.14 Uhr telefonierte sie noch mit einer Verwandten. Um 9:48 Uhr kam ein Elektriker zu einem abgesprochenen Termin zur Villa. Niemand öffnete. Auch auf Anrufe kamen keine Reaktionen.

Mehrere Freunde versuchten im Laufe des Vormittags, die Frau zu erreichen. Ohne Erfolg. Um 13:30 fuhr Tom Hagen nach Hause. Angeblich, weil er sich Sorgen um seine Frau machte. Um 14:10 Uhr rief er bei der Polizei an und meldete, dass seine Frau entführt wurde. Im Haus gab es Spuren eines Überfalls, der Familienhund war im Bad eingesperrt.

Die Öffentlichkeit erfuhr von diesem Drama erst am 9. Januar 2019. Bis dahin hatten Hagen und Polizei immer wieder vergeblich versucht, mit den angeblichen Entführern in Kontakt zu kommen und alles geheim gehalten. Nur sein Anwalt Svein Holden durfte einen Blick darauf werfen. Svein Holden später gegenüber den wartenden Journalisten: „Die Anklage basiert auf ganzen anderen Punkten, als ihr alle glaubt." Die Polizei ging seit Januar 2019 Tausenden von Spuren und Hinweisen nach. Alle verliefen im Sand. Von Anne-Elisabeth Hagen fehlt bis heute jede Spur. Auch eine Kontaktaufnahme mit den angeblichen Entführern scheiterte immer wieder. Tom Hagen war am 31. Oktober 2018 vormittags im Büro. Er hat also ein Alibi für den Zeitraum als seine Frau verschwand. Aber für die Stunden nach 10 Uhr kann das offenbar niemand bestätigen. Außerdem fährt er einen PKW ohne GPS, und auch sein Handy ist so alt, dass eine Rückverfolgung nicht möglich ist. Rein technisch kann niemand überprüfen, wo Auto und Handy an diesem Vormittag waren. Was macht Tom Hagen verdächtig? Michael Green, Ex-Rocker und heute Sprecher des Verbandes „Ausgestiegene Bandenmitglieder" berichtete in der dänischen Zeitung „Ekstra Bladet" von einem Treffen mit Tom Hagen und seinem Anwalt. Er sollte sich im „Milieu" umhören, ob er irgendwo und bei irgendjemanden etwas über die Entführung erfahren könnte. Angeblich zeigte Tom Hagen jedoch kein besonderes Interesse an den möglichen Ergebnissen.

Am Dienstag nahm die Polizei schließlich Tom Hagen um 8.30 Uhr vor seinem Haus fest. Die Polizei legte ihre Beweise dem Haftrichter vor - allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Einige Teile der Ermittlung sind so geheim, dass sogar Tom Hagen den Saal verlassen musste.

Was kann das sein? Eine Antwort auf diese Frage gibt es bisher nicht. Folgende Punkte sind bisher bekannt: Tom Hagen fand nach dem Verschwinden seiner Frau ein acht Seiten langes Schreiben der Entführer. Dieses Schreiben stand bei den Ermittlungen der Polizei immer im Mittelpunkt. Wo wurde das Papier gekauft? Welcher Drucker wurde verwendet. Allerdings gab es auch - so Tom Hagen - Internet-Kontakte zu den Entführern. Hier sind Kopien oder andere Beweise „verschwunden".

Anwalt Svein Holden beantwortet die Fragen der JournalistenFoto: NTB SCANPIX / Reuters

Tom Hagen wandte sich kein einziges Mal an die Öffentlichkeit. Er bat nie um Mithilfe oder sprach die Entführer direkt an. Nie sagte er im TV: „Bitte gebt mir meine Frau zurück." Diese auffallende Zurückhaltung führte schon seit Sommer 2019 in Norwegen zu vielen Gerüchten. Die Polizei begründete die Festnahme mit dem Argument, dass sie Beweise dafür hat, dass Tom Hagen die Polizei absichtlich in die Irre geführt hat.

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