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Flüchtlinge aus Afghanistan und Pakistan, die über Russland nach Norwegen kamen, wurden auf der Insel Seiland in der Finnmark im Norden Norwegens in einem ehemaligen Internat in Altneset untergebracht
Foto: dpa Picture-Alliance / TERJE MORTENSEN
Anfang November kamen sie über die Grenze nördlich des Polarkreises in Norwegen an. Die meisten flüchtete aus Afghanistan und Pakistan, aber auch ein Syrer und ein Nepalese hatten den weiten Weg unternommen.
Die Norweger quartierten sie in einem früheren Landschulheim auf der Insel Seiland ein - 420 Kilometer nördlich des Polarkreises. Im Sommer ist die Insel voller Angeltouristen und Norweger, die hier ein Ferienhaus besitzen. Doch: Im Winter leben hier gerade einmal sechs Menschen.Jetzt ist man dabei, die Flüchtlinge mit Aktivitäten an das Winterleben zu gewöhnen. Sechs Helfer zogen mit den Flüchtlingen ins Landschulheim, halfen bei der Eingliederung der Neu-Bewohner.
Dabei waren die äußeren Bedingungen von Anfang an schwierig: In den ersten zwei Wochen war es kalt und stürmisch, immerhin schien jeden Tag noch kurz die Sonne. Dann legte sich Mitte November die Polarnacht über Seiland.
Die Sonne wird man hier erst im Februar wiedersehen ...Gleichzeitig fiel Schnee, die Temperaturen liegen im Moment bei minus 25 bis minus sieben Grad. Selbst Einheimische können in dieser Jahreszeit Probleme bekommen. Ganz zu schweigen von den Flüchtlingen, die aus ganz anderen Regionen der Welt kommen.
So stand Einigen beim ersten Kennenlernen des nordischen Winters die Panik regelrecht ins Gesicht geschrieben.Flüchtlingsheim-Leiter Pål Mannverk zur norwegischen Zeitung „VG": „Keiner würde sich wundern, wenn es hier mal zu einem Streit und Handgreiflichkeiten kommen würde. Aber bis jetzt geht alles gut. Wir reden viel miteinander und besprechen alle Ungereimtheiten, bevor es ausarten kann. Einer war etwa unzufrieden, weil er waschen musste. Aber das haben wir ihm dann erklärt. So ist es nun einmal in Norwegen. Wir können sie zwar zu nichts zwingen, aber wir müssen sie dazu bringen mitzuarbeiten."
Mannverk geht es bei der Mitarbeit der Flüchtlinge gar nicht so sehr darum, dass die Flüchtlinge eine Leistung erbringen müssen, sondern eher um die Gefahr des „Inselkollers". Shah Ayad Zaeebul Hasan (23) ist einer der Flüchtlinge, die sich erst an das Inseldasein am Polarkreis gewöhnen müssen: „Wir sind sehr dankbar. Aber hier ist nichts. Keine Stadt. Hier ist gar nichts. Nur Berge und Meer."
Um den gefürchteten Inselkoller zu vermeiden, werden die Flüchtlinge zu ungewohnten Aufgaben geschickt. Einige hacken im Wald Holz, andere gehen auf der stürmischen See mit den Einheimischen fischen. Es gibt Flüchtlinge, die für alle anderen kochen, einige räumen auf und andere putzen und waschen.Das Wichtigste ist, dass sich jeder gebraucht und gefordert fühlt, damit Streitigkeiten auf jeden Fall vermieden werden - so das Credo der Helfer.
Denn in einem möglichen Notfall ist Hilfe weit weg.Polizeimeister Morten Daae ist verantwortlich für Ruhe und Ordnung in der Gegend. Er hatte am Anfang Angst, bei Krisen nicht rechtzeitig eingreifen zu können, da seine Dienststelle auf dem Festland liegt und er für die Strecke normalerweise 90 Minuten braucht. Wenn das Wetter gut ist. „Aber nun haben wir für das Boot einen Anlegeplatz genau dort, wo die Überfahrt am kürzesten ist, und ein Auto ist auch immer da. Bei einem medizinischen Notfall könnten wir einen Hubschrauber einsetzen."
Flüchtlinge in der ÖdnisAuch in Schweden müssen Flüchtlinge damit rechnen, in weit entlegene Landstriche gebracht zu werden. Beispiel Sundsvall: Dort hatten sich Anfang November Flüchtlinge geweigert, den Bus zu verlassen. Man hatte sie in einer ehemaligen Wohnanlage unterbringen wollen, die seit einigen Jahren leer stand.
Aber die Flüchtlinge waren fast starr vor Angst, einige von ihnen dachten, man habe sie in ein ganz anderes Land gebracht. Der Bus war in Malmö in Südschweden fünfzehn Stunden vorher gestartet und dann nach der langen Fahrt im Wald stehengeblieben. Es war dunkel, jede Ortschaft mit Geschäften oder einer Schule ganz offensichtlich viele Kilometer weit entfernt.
Auch hier ging die Geschichte dennoch gut aus: Abed Alrahm Abokaff sagte wenige Tage später im Namen aller Flüchtlinge: „Wir möchten uns entschuldigen. Wir sind sehr dankbar. Es ist so schön hier und Schweden ist ein phantastisches Land."