Schreiben im Flow. Klingt schön, klappt selten. Mit tausend Regeln im Gepäck schreibt es sich beschwert. Was tun, wenn die Wörter in der Tastatur stecken bleiben?
- Anschaulich schreiben. Keine Bandwurmsätze, aber auch nicht bildzeitunglike. „Bildzeitunglike“ geht nicht – zu zusammengesetzt. Nicht summieren, schön treffend beschreiben. Wiederholungen vermeiden, aber immer noch besser als “Schwabenmetropolen” oder “Drahtesel”. Abgewetzte Sprichwörter sind böse. Fremdwörter auch.
So indoktriniert (Fremdwort!) saßen wir eingeschüchtert bei einem Prof im Seminar und sollten eine Einstiegsfrage für ein Interview aufschreiben. Eine nach der anderen las er vor und zerfetzte unsere Ideen in der Luft. Schön, dachte ich mir, dass wir wissen, was wir alles nicht sollen! Und jetzt? Mit tausend Regeln im Kopf lässt sich nicht sehr locker flockig loslegen. Der einzige Zuspruch kam von einem anderen Dozenten: „Wolf Schneider schreibt auch nicht direkt fehlerfrei. Auch er schreibt erst, streicht und ändert danach.“ Gut. Immerhin. Oh, Ein-Wort-Sätze – auch böse.
Dann habe ich sie gefunden: Übungen, das Schreiben zu trainieren, Schreibhemmungen zu überwinden und besser in den Fluss zu kommen. Hier eine kleine Auswahl und am Ende ein Buchtipp.
1. Stil lernen vom Könner
Schon mal einen Journalistenpreis-Träger imitiert? Stil und Ausdruck kann man lernen – warum nicht von einem Könner?
- Man nehme einen Absatz aus einem gelungenen Artikel,
- denke sich irgendein Thema aus,
- nun schreibt man auf Basis des prämierten Textes einen mit seinem Thema.
Ein Beispiel am Text „Welchen Fisch darf man noch essen?“ (von Lars Abromeit, Torsten Hampel und Katja Trippel; erschienen in Geo, am 25. Mai 2007)
„Er ist auf dem Meer, elf Seemeilen westlich von Mauretanien, aber er nimmt es kaum wahr. Nikolai Iwanowitsch Budgewitsch, Kapitän der “Balandis”, sieht keine Wellen und keine Gischt. Er hört keinen Wind; nicht einmal der Lärm des Schiffsmotors dringt bis hinauf auf die Brücke.“
Daraus wird zum Beispiel:
„Er ist im Wald, drei Kilometer westlich von Hamburg, aber er nimmt es kaum wahr. Herbert Meier, Besitzer eines alten Tunnelsystems, sieht keine Bäume und kein grün. Er hört keine Vögel; nicht einmal der Lärm von der Straße dringt hinunter in das Dunkel.“
2. Guter Text wird schlechter Text
Ein Gefühl fürs Schreiben haben, das ist unser aller Anliegen. Wenn der Anspruch gut und richtig zu schreiben so hemmt, kann man es umgekehrt versuchen: Aus einem guten Text, z. B. dem obigen, einen schlechten machen. Mit schön vielen Füllwörtern, Kommas, Synonymen …
3. Gegen Schreibblockaden – Free Writing
Der Klassiker des Creative Writing. Es geht darum, nicht über das Schreiben nachzudenken, schön in den Fluss zu kommen.
Aufgabe: Eine kurze Weile, ca. fünf Minuten, alles tippen, was einem gerade durch den Kopf geht. Einzige Regel: Einfach durchschreiben, keine Pause machen. Und, wichtig, den Text nur für sich schreiben (keine neue Schreibhemmung durch befürchtete Leser).
Buchtipp
„Unter Druck. Die journalistische Textwerkstatt. Erfahrungen, Analysen, Übungen“ von Friederike Herrmann.
Im ersten Teil schildern Journalisten aller Medien ihre persönlichen Probleme und Herausforderungen mit dem Schreiben. Dann gibt es konkrete Übungen zum Direkt-Anfangen.
Gute Hilfe und Leidensgenossen findet man in diesem Buch. Unterhaltsam und ein wenig selbstironisch.
Viel Spaß beim Schreiben und beim schönsten Beruf der Welt!
Text: Inga Meister
Foto: Nic´s events
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