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Ironman: "Wenn es einfach wäre, würde es Fußball heißen"

Einer der härtesten Wettkämpfe der Welt kommt am 13. August nach Hamburg: der Ironman. Wer sind die Leute, die ihrem Körper solche Strapazen antun? FINK.HAMBURG hat Ironman-Neulinge beim Training beobachtet. 

Die Sonne scheint, das ist schon einmal gut. Es ist aber auch so stürmisch, dass der Wind bereits die ersten Fahrräder umweht. Manche dieser Fahrräder sind sehr teuer, sie haben breite, flache Rahmen aus Karbon, Felgen, die aussehen wie riesige Frisbee-Ringe und Lenker wie Geweihe aus schwarzlackiertem Metall.


Nur Alexandra (41), ist mit einem ganz normalen Stadtfahrrad gekommen. „Zeig das bloß nicht!“ sagt sie lachend. Sie hat sich schon ein Rennrad bestellt, aber das kann sie erst heute Nachmittag abholen. Ein letztes Mal muss sie das Rookie-Training mit dem Drahtesel bestreiten. Rookie ist Englisch und bedeutet Frischling. Die Teilnehmer des Trainings bereiten sich auf ihren ersten Ironman vor, und Alexandra ist eine von ihnen. In den dunklen Trainings- und Neoprenanzügen ähnelt die Gruppe einer Armee aus Pinguinen.

    Gruppenbesprechung vor dem Schwimmen Letzte Besprechung vor dem Schwimmen. Gleich geht's ins kühle Nass. Foto: Ines Ludewig
Fahrrder der Athlethen Vielfalt in der Gruppe und im Material. Foto: Ines Ludewig
Umziehen vorm Schwimmen Der Neo ist gar nicht so leicht an und auszuziehen. Foto: Ines Ludewig  

Am 13. August findet der Ironman zum ersten Mal in Hamburg statt, nicht zu verwechseln mit dem ITU Triathlon, der am 15. und 16. Juli ausgerichtet wird. Der Unterschied zwischen Ironman und Triathlon? Der Ironman ist länger, gilt als einer der härtesten Wettkämpfe der Welt, und der Begriff ist markenrechtlich geschützt.

Die Rookie-Gruppe ist bunt gemischt. Vom Profi-Triathleten bis zum absoluten Triathlon-Frischling ist alles dabei. Der Jüngste ist 22 Jahre, der Älteste fast 60 Jahre alt. Eines haben sie aber gemeinsam: Den eisernen Willen die 3,8 km Schwimmen, 180,2 km Radfahren und 42,195 km Laufen zu schaffen. Und im Ziel dann die Worte „You are an Ironman“ zu hören.


Für Ungeübte sind die einzelnen Disziplinen noch nicht einmal für sich genommen zu schaffen. Die Kombination wird für alle Anwesenden ein 10- bis 15-stündiger Kampf sein – mit der Uhr und mit sich selbst.  Jeder Teilnehmer kommt dabei an seine physischen und psychischen Grenzen.


Mit positiver Energie bis ins Ziel

Alexandra sieht nicht aus wie ein typischer Ironman-Teilnehmer, weder männlich noch eisern. Sie ist aber extrem fit und gut vorbereitet. Seit November trainiert sie für den Ironman, seit Dezember nimmt sie an dem Rookie-Projekt teil. Triathlon macht sie schon seit elf Jahren. Der Ironman aber war nie ihr Ziel. Für die Hamburgerin war aber klar: Wenn sie einmal im Leben eine Langdistanz macht, dann nur zu Hause.


Immer gut drauf
Alexandra ist immer gut drauf und freut sich auf den Wettkampf. Foto: Ines Ludewig

Selbst dann, wenn Alexandra von den Tiefschlägen beim Training erzählt, strahlt sie. Einmal ist sie gestürzt. Das habe sie schon etwas zurückgeworfen. Laufen ist für sie die schwierigste Disziplin, aber im Großen und Ganzen klappt alles ganz gut. Wenn es mal schwierig wird, denkt sie daran, wie viel sie schon investiert hat. „Außerdem ist das Startgeld von 520 Euro bereits bezahlt“, sagt sie lachend. Für das Trainingsprogramm investiert Alexandra noch einmal 650 Euro.


„VASELINE OHNE PETROLEUM BIS UNTERS KNIE SCHMIEREN, DANN FLUTSCHT DER NEO VON ALLEIN“


Heute sollen die Wechsel trainiert werden – aus dem Wasser aufs Rad, vom Rad zum Laufen. „Die vierte Disziplin“ wie sie Trainer Sebastian nennt. Es ist sehr ärgerlich, wenn man sich extrem anstrengt, um nur zwei bis drei Sekunden schneller zu schwimmen, und dann zehn Sekunden verliert, während man sich aus seinem Neoprenanzug schält, der hier nur Neo heißt. Hier geht es vor allem um geübte Abläufe und Konzentration. In einer ersten Gruppenbesprechung zeigt Co-Trainer Frank alle Abläufe. Er weist auch auf einige Tücken hin und gibt konkrete Tipps: „Mit Vaseline ohne Petroleum bis unters Knie einschmieren, dann flutscht der Neo von allein.“ Es seien die kleinen Handgriffe, die Fehler vermeiden und Zeit sparen.

 

Nach dem Beispieldurchlauf von Frank sind die Rookies das erste Mal an der Reihe. Alle machen sich fertig und zwängen sich in die engen Anzüge. Der Startschuss ertönt. Zu diesem Zeitpunkt geht noch niemand ins Wasser, um nicht auszukühlen. Alle rennen vom Strand in Richtung Fahrräder. Dort ist die Wechselzone. Schon hier hebt sich der geübte Triathlet vom Hobbysportler ab. Hektik bricht aus, einige kommen einfach nicht schnell genug aus dem Anzug. Das Feld teilt sich. Während die ersten ihre Radrunde beenden, fahren andere erst los. Es folgt ein erneuter Wechsel zum Lauf, dann ist der erste Durchgang geschafft. Frank und Sebastian formulieren Manöverkritik.


Li bringt seinen Helm zurck Li bringt seinen Helm zurück. Foto: Ines Ludewig

Li, der Spaßvogel der Gruppe, hat bei der Besprechung die Lacher auf seiner Seite. Er hatte beim Wechsel vom Rad zum Laufen aus Versehen seinen Helm aufbehalten. Es gibt keine Regel, die verbietet, den Marathon mit Helm zu laufen, sagt Sebastian – aber er würde das nicht empfehlen.


Ingo (46), ein drahtiger Mann mit kurzem blondem Haar und Stoppelbart, war bei den Abläufen immer im vorderen Drittel. Er nimmt seit vier Jahren an Wettkämpfen teil. Zu Hause in Hamburg wagt er sich an den Ironman. Die Vorbereitung kostet ihn besonders viel Kraft. Er ist mehr als 40 Stunden die Woche beruflich unterwegs. Zudem hat er vier Kinder. Zum Glück hält ihm seine Frau den Rücken frei. Ohne sie würde es nicht gehen, sagt er.


Ingo startet durch Ingo ist einer der Schnelleren und startet auf dem Rad. Foto: Ines Ludewig

Die Organisation zwischen Ironman Vorbereitung, Job und Familie ist mit vielen Entbehrungen verbunden: früher aufstehen, später ins Bett gehen, weniger im Internet surfen, keine Bücher und kein Fernsehen mehr. Stattdessen morgens laufen, abends radfahren, auch am Wochenende wird trainiert. Freunde und Bekannte müssen Rücksicht nehmen, alle wissen, dass er bis August keine Zeit hat. Das ist nicht immer einfach. Einen Punkt in dem er gezweifelt hat oder sogar abbrechen wollte, habe es aber nicht gegeben. „Da bin ich nicht der Typ für.“ Die mentale Stärke, um den Ironman zu schaffen, holt er sich beim Training. Sein Ziel ist Ankommen, und das bestenfalls unter 13 Stunden.

Beim Hamburger Ironman sollen 2500 Athleten aus aller Welt mitmachen. Das Durchschnittsalter beträgt 43 Jahre. Unter allen Teilnehmern können sich 40 für einen der Plätze für die Ironman World Championship auf Hawaii qualifizieren. Dieses Ziel verfolgt aber keiner aus der Rookie Gruppe. Lars (22) ist nicht nur der Jüngste, sondern auch ein echter Frischling: Er hat noch nie einen Triathlon absolviert.


Lars hlt durch Lars hat mit seinem Vater gewettet, dass er den IRONMAN schafft. Foto: Ines Ludewig

Eigentlich ist er professioneller Segler. Grinsend erzählt er von der Wette mit seinem Vater. Wenn er es bis ins Ziel schafft, bekommt er von seinem Vater das Startgeld zurück und obendrauf noch das neuste iPhone. Vor dem ersten Training in der Gruppe hatte er ein wenig Angst. Jetzt hat er nur noch Respekt vor dem Wettkampf. Da ist nämlich jeder auf sich allein gestellt, „das ist etwas Anderes, als in der Gruppe zu trainieren“, sagt Lars.

Das Training in der Rookie-Gruppe geht jetzt in die heiße Phase, der Wettkampf liegt nur noch etwa sechs Wochen in der Zukunft. Alle haben noch Potenzial nach oben, sagt Frank und schließt eine typische Läuferweisheit an: „Wenn es einfach wäre, würde es Fußball heißen.“


Alexandra steigt jetzt erst einmal auf ihren Drahtesel und fährt los, um sich für die Strapazen zu belohnen: Wenn sie zu Hause ankommt, soll ihr nagelneues Rennrad geliefert werden. Beim nächsten Training wird sie noch schneller sein.