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Uli Hoeneß über die Rolle des Fußballs und sich selbst: Zwischen Wut und Mitleid

Uli Hoeneß über die Rolle des Fußballs und sich selbst

Clemens Tönnies und Uli Hoeneß treffen bei einer Veranstaltung aufeinander, vergessen warum sie dort sind und tun sich anschließend alles andere als einen Gefallen.


Dann ist Uli Hoeneß still. Für einen Moment ein Häufchen Mensch nur. Die Abteilung Attacke hat geschlossen jetzt, da vorn sitzt kein Tross mehr, kein Koloss aus Körper, Macht und Geist, sondern ein getriebener Mann, entleert von wenigen Worten. Der Bischof des Bistums Essen, Franz-Josef Overbeck, hatte angesetzt, hatte Hoeneß' Umgang mit seiner Steuerschuld und -strafe als Vorbild für Vergebungskultur beschrieben. Und dann sagt er, Hoeneß, ganz leise, als wäre für mehr keine Kraft übrig, als hätte er seit Jahren auf diese Worte gewartet, einfach nur: "Danke."

Die Rührung darüber bleibt die Ausnahme an diesem Abend in Bonn. Die "BAPP" hat geladen, die Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik. Eine Gesprächsrunde zum Thema "Sozialer Klebstoff? Die Rolle des Fußballs in Deutschland" sollte es werden. Auf dem Podium: Uli Hoeneß, Clemens Tönnies, Bischof Overbeck und der Moderator der Veranstaltung, Michael Bröcker, Chefredakteur der "Rheinischen Post." Der hat optisch erstaunliche Ähnlichkeit mit Matthias Steiner, dem Olympiasieger im Gewichtheben. Und um im Bild zu bleiben, muss man leider sagen: er hat sich verhoben. Denn anstatt dem Thema zu folgen, werden die 90 Minuten mit den illustren Gästen zu einem allgemeinen Ritt durch das mehr oder minder aktuelle Fußballgeschehen. Aber auch zu einer Zustandsbeschreibung des Bayern-Präsidenten.

Und immerhin die "Bild" freut sich über das Angebot, sie fasst noch am Abend prominent platziert zusammen, was Hoeneß so vor sich hinpoltert, sobald ihm von Bröcker das entsprechende Stichwort in die Gedanken gehoben wird. Es geht um den Kommerz im Fußball, über den Hoeneß sagt: "Ich mache mir viele Gedanken, habe aber nicht mal im Ansatz eine Lösung gefunden, wie man ohne Kommerzialisierung, ohne Globalisierung eine Chance haben will." Mit Chance meint er die Champions League, das wird auch klar, als er über den Austausch mit den eigenen Anhängern spricht: "Wir haben Fans in der Südkurve, die weniger Kommerz wollen, und dann sagen wir, also gut, dann können wir nicht mehr in der Champions League spielen, und dann heißt es: Das wollen wir schon."

Hoeneß sieht sich und seinen FC Bayern als Anständige, und er ist zurecht stolz, wenn er sagt: "Ich bin jetzt seit 40 Jahren beim FC Bayern. Damals hat der Klub zwölf Millionen Mark Umsatz gemacht. In diesem Jahr wird der Umsatz zwischen 650 und 700 Millionen Euro liegen. Und noch etwas: Der Stehplatz in der Allianz-Arena kostet acht Euro. Der hat damals acht Mark gekostet. Das ist auch der FC Bayern München. Wir haben nicht vergessen, wo wir alle herkommen. Und der kleine Mann kann bei Bayern München die Bundesliga für acht Euro schauen." Mit der letzten Silbe dreht sich sein Kopf, die Unterlippe schiebt sich nach vorn wie bei einem, der jetzt mal endlich klarstellen musste, was für ein Unrecht ihm permanent widerfährt, der lange dazu geschwiegen hatte und jetzt nicht mehr an sich halten konnte. Hoeneß hat diese Platte schon unzählige Male abgespielt, er weiß um ihre Wirkung. Der Applaus kann kommen. Und man sieht es ihm an, wie er den Leuten ihre Gedanken unterstellt: Doch kein Arschloch, der Hoeneß.

VERÖFFENTLICHT: 17.05.2019

Ilja Behnisch 211

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