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Protokoll eines blutigen Heimatbesuchs

Am Flughafen Kabul wird Ashkan angeschossen. In den Tagen danach fühlt er sich von deutschen Behörden im Stich gelassen.

Drei Tage saß Ashkan mit einer Schussverletzung in Kabul fest, bevor er evakuiert wurde. Dabei ist Ashkan deutscher Staatsbürger.

Es gibt ein Foto von Ashkan vor seinem Abflug in seine Heimat Afghanistan, wie er vor dem Gate am Frankfurter Flughafen steht. Glücklich, den Koffer voller Schokolade für die Familie. Von dem Moment seiner Rückkehr nach Frankfurt - genau einen Monat später - gibt es kein Foto. Dafür Polizeiprotokolle. Und seine Krankenakte, weil die Sanitäter ihn direkt vom Flughafen Frankfurt im Krankenwagen in den OP-Saal fahren. In seinem Arm sind da schon seit fast drei Tagen Granatsplitter, Überreste einer Kugel.

Ashkan ist wohl einer von nur zwei deutschen Staatsbürgern, die im Chaos Kabuls verletzt worden sind, bevor sie evakuiert werden konnten. Und Ashkan heißt eigentlich anders. Um seine Familie zu schützen, die weiter in Afghanistan lebt und viele Jahre für die afghanische Regierung gearbeitet hat, ist sein Name geändert. Der 27-Jährige ist in Kabul geboren und aufgewachsen. Nach der Schule studierte er Bauingenieurwesen in seiner Heimatstadt und war für das US-Militär tätig. Als die Taliban damals mitbekamen, dass er für westliche Streitkräfte arbeitet, drohten sie ihm mit dem Tod. Ashkan floh aus seinem Heimatland und lebt nun seit acht Jahren in Deutschland.

Anhand von E-Mails, Anruflisten, Fotos und Videoaufnahmen sind die Ereignisse seiner Evakuierung aus Kabul festgehalten. Der Autor und Ashkan kennen sich seit fünf Jahren. Sie sind miteinander befreundet und haben sich während Ashkans Aufenthalt ausgetauscht. Auch Auszüge aus ihrem Chatverlauf illustrieren die chaotischen Tage. Entstanden ist ein Protokoll, das Fragen aufwirft, vor allem aber zeigt, wie deutsche Behörden durch langsames Handeln und mangelhafte Kommunikation Menschenleben in Gefahr gebracht haben.

„Endlich nach 8 Jahren" hat Ashkan über das Foto geschrieben, das ihn am Flughafen Frankfurt zeigt. Noch vor dem Abflug hat er das Foto auf seinem Facebook-Profil hochgeladen. Die Sonnenbrille steckt locker unter dem dritten Hemdknopf. Er hat nur Handgepäck dabei, neben einigen Klamotten noch Süßigkeiten für die Familie. Snickers, Raffaelo und Bueno, weil sein Vater die so gerne mag.

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