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Englischer Garten "Monopteros", Foto: Helga Waess

Münchner Atelierbesuche. Heute: Tommy Kent

„MEINE WEISS-BLAUE SEHNSUCHT TREIBT MICH AN“

Text und Fotos: Helga Waess

                                              Foto Dimitri Davies   Foto Dimitri Davies
Überall an den Wänden hängen die brandneuen Kents. Bilder in allen Formaten stapeln sich im Flur und unter dem Fenster, der Geruch von Farben durchweht den Raum. Der Boden ist mit einer Plastikfolie abgedeckt  - sie ist übersät mit bunten Farbspritzern, Zeugen der jüngsten Arbeiten. Auf einem Tischchen warten Hunderte von Dosen, Farbtöpfe, Tiegel und Pinsel auf ihren nächsten Einsatz. Und, um das künstlerische Stilleben zu vervollständigen, lehnt in der Ecke eine Gitarre.

Wir sind zu Besuch bei Tommy Kent  in seinem Schwabinger Atelier am Englischen Garten. Der Meister der Farben und Formen empfängt uns in weißem Rollkragenpulli und Jeans. Sportlich, drahtig, jugendliche Ausstrahlung. Eine sympathische Mischung aus Bohémien und Gentleman. Und er ist Schöpfer einer wundervollen München-Serie, die wir exklusiv besichtigen dürfen, bevor sie auseinander gerissen und in alle Welt verkauft wird. Aber halt, sollten es nicht zehn Bilder sein? Da fehlen doch schon welche? Der charmante Single-Mann Tommy Kent nickt. Und verrät:

 „Zwei hängen noch bis Ende April in der Privatklinik Josephinum an der Schönfelstraße 16, der Monopteros und der Friedensengel." 

                                   Fotos: Helga Waess
      
"Hommage an den Architekten Leo von Klenze"  Detailansicht Monopterus         

Tommy Kents Bilder bestechen vor allem durch ihre expressive Farbigkeit – die Isarmetropole von ihrer schönsten Seite. Klassische Motive, die auch Touristen lieben, sind darunter, das Siegestor in Schwabing, der Englische Garten, so prächtig, als hätte soeben der Frühling seine leuchtenden Farben angeknipst. Die Frauenkirche im tief verschneiten Winter, mit Touristen aus aller Welt vereint. Das Oktoberfest so schön bunt, dass man das fröhliche Treiben förmlich hören, die gebrannten Mandeln fast riechen kann. Auch das Weltkulturerbe, Schloss Nymphenburg, und die Siegessäule fehlen nicht, ein Hauch Impressionismus durchweht auch sie; oft ist irgendwo ein romantisches Paar versteckt, das die schöpferische Harmonie zu einer Sinfonie komplettiert. Farbenfrohe Bilder zumeist, mit viel Grün, Blau, Gelb und Weiß - doch es gibt auch andere Töne, düstere, mit Schwarz abgemischte Farben zu Themen wie „Die Geister, die ich rief". 

Foto Helga Waess    
"Verortung. Roter Standortpunkt am Tor zum alten Schwabing"         Detailansicht  Siegestor                 

Und natürlich wollen wir jetzt jede Menge über Tommy Kent wissen. Wir sprachen mit ihm über den tieferen Sinn seiner Bilder und über Bausünden. Über Schwabings Vergangenheit als Künstlermekka und über seine ganz persönliche München-Phase. 
 
 Herr Kent, vor über 40 Jahren haben Sie zu malen angefangen, anfangs alles, was Ihnen in den Sinn kam, Formen, Landschaften, Akte, Farben. Dann kam die Frauenära mit Bildern von Marilyn Monroe und anderen Filmbeauties, später folgten Katzen, Blumen, auf Leinwand verewigte Leidenswege, zauberhafte mediterrane Menorca-Küsten- und Tiefseebilder. Jetzt, brandneu, die München-Phase.

Wie kam es dazu? 

Tommy Kent: „Ich habe letztes Jahr den Monopteros im Englischen Garten gemalt und ihn seinem Erbauer Leo von Klenze gewidmet. Und so entstand die Idee, nicht nur München-Motive abzumalen, sondern auch ihre Entstehungsgeschichte mit einzuarbeiten. Was dabei heraus kam, hat mich selbst erstaunt."

Foto Helga Waess    
  "Friedensengel, flieg über dem Nyphenburger Park"                                                        "München leuchtet"

Wie haben Sie Ihre Motive ausgewählt? 
Tommy Kent: „Ich habe dafür Bücher über München, seine Entstehungsgeschichte und seine Wahrzeichen gewälzt. Was mich als Architekt, aber auch als Künstler dabei interessiert hat, war die Frage, wie einige der Bauten, zum Beispiel die Theatinerkirche, urspünglich geplant waren. Dies ist ganz gut bei dem „Einsamen Schöpfungspaar vor der Theatinerkirche" zu sehen. Es soll den Glauben an Gott darstellen."

Also zurück zu den Wurzeln, aber in neuem Gewand?

Tommy Kent: „Viele Kirchen wurden inzwischen so aufgemotzt, dass sie nicht mehr dem Ursprungsbaustil entsprechen. Das macht mich traurig!"
Da spricht der Architekt! Nicht umsonst haben Sie ja mehrere Fassadenpreise gewonnen, unter anderem für das Wohnhaus in der Isabellastraße 25.

Tommy Kent: „Ich war gerne Architekt, habe aber vor Jahren erkannt, dass meine wahre Berufung im Malen liegt. Doch die Architektur ist ein Superbackground für mich, dadurch habe ich, so glaube ich jedenfalls, ein ganz gutes Gespür für Formen, Proportionen und Dimensionen entwickelt. Und ich beobachte genau. So war ich bestimmt ein Dutzend Mal am Siegestor, hab’ die Stellung der Pappeln und das Tor, übrigens ursprünglich ein Wahrzeichen der Liebenden und das Tor zum eigentlichen Schwabing, studiert und fotografiert. Das Oktoberfest steht für Freude und Lust, vor 200 Jahren und heute. Das Nymphenburger Schloss beim Bild ‚ Unter dem Schutz des Weltkulturerbes Nymphenburg’ trägt eine Art Schirm um die Dächer. Das steht dafür, dass Gott seine schützende Hand darüber hält." 

Foto Helga Waess     Foto Helga Waess 
"München und die Geister, die ich rief"                                                  "Blick der Bavaria auf ihr Oktoberfest 2010"

„Die scheinbar vordergründige dominante Farbigkeit meiner Bilder ist nur der Vorhang, wird transparent für die Suche nach dem einzig Wahrem, Großem, Einzigem, den oder das man vielleicht Gott nennen kann ..."

Sie sind religiös geworden?
Tommy Kent: „Das heißt nicht, dass ich jetzt immer in die Kirche gehe und bete. Aber ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass es eine höhere Macht geben muss. Was für eine Verschwendung wäre sonst das ausgeklügelte menschliche Wesen, wenn es nicht eine weitere Bestimmung gäbe! Mit meinen Bildern komme ich an einen Punkt, der in gewisser Weise etwas mit dem Glauben, mit Schöpfung zu tun hat. Das ist schwer zu erklären... Glaube hat für mich viele Facetten und ist auch ein Hoffnungsträger." 

Wie lange brauchen Sie für einen Kent?
Tommy Kent: „Mindestens sechs Wochen. Selbst wenn es fertig ist, hänge ich es öfter um, stelle es zwischendurch weg, begutachte es aus allen Perspektiven, bei Nacht, zur Mittagszeit, in den Morgenstunden. Es wirkt ja je nach Lichteinfall immer anders. Dann füge ich hier noch einen Pinselstrich oder eine kräftigere Farbe hinzu oder nehme was weg. Und lachen Sie nicht: Ich spreche auch mit meinen Bildern, und sie `sagen` mir, was noch fehlt... Fertig ist es eigentlich erst, wenn ich es verkaufe, wenn ich nicht mehr dran kann." Lacht. Und wird gleich wieder ernst. „Meine Bilder geben mir aber auch Kraft, haben mir in schweren Zeiten geholfen."  

Sie haben schon zweimal bei Gemeinschaftsausstellungen Bilder im Haus der Kunst exponiert. Ist das eine Messlatte für den Erfolg?
Tommy Kent: „Es ist auf jeden Fall gut für die Vita! Aber man darf nie stehen bleiben, muss seinen Stil immer weiterentwickeln und mit Farben und Materialien experimentieren. Ich habe schon Tipp-Ex, Kreide, aber auch Nagellack und Schminke integriert. Jetzt arbeite ich mit Öl, Acryl, Pigmentfarben, die ich selber anmische, und Spachtelmasse, in die ich Farben mixe. Zum Beispiel nehme ich Blautöne in allen Schattierungen, meine Lieblingsfarbe. Später wird das Ganze noch fixiert, so hält es für immer." 

Foto Helga Waess        
"Bier-Garten-Blick. Chinesischer Turm"                      Detailansicht                                 "Glaube? Einsames Schöpfungspaar vor der Theatiner Kirche"

Tommy Kent schenkt uns Kaffee nach. Von seiner Wohnzimmercouch aus sieht man direkt in den malerischen Englischen Garten. In der Ferne zwei Reiter, die auf ihren Rössern vorbeitraben. 

Wirklich sehr inspirierend bei Ihnen ...

Tommy Kent: „Ja! Obwohl sich das alte Schwabing schon sehr verändert hat. Wo früher die Kunstszene war, stehen jetzt riesige Bürokomplexe, McDonald’s- und Handyläden, unpersönliche Coffee-Shops und asiatische Schnellrestaurants. In der Occamstraße waren die Blauen Reiter angesiedet, und überall gab es Künstlercafés, Künstlerkreise und Vereine. Inzwischen gehört fast das ganze Viertel der Allianz, da wird leider gar nichts für die Künstler getan." 

Also ist München keine Kunstmetropole mehr?
Tommy Kent: „Hier läuft sehr viel über Beziehungen. Wer nicht die richtigen Leute kennt, ist außen vor und kann sich nur ganz schwer einen Namen machen. Aber ich kann mich nicht beschweren, ich habe jährlich mehrere Ausstellungen."
Kleine Rückblende: Wie hat sich Ihre Kunst in den letzten 20 Jahren verändert?
Tommy Kent: „Langsam bin ich zufrieden und kann sagen, dass meine Bilder Professionalität erreicht haben. An alten Bildern sehe ich, wie ich gewachsen bin, sehe eine Reifung meines Stils."

Wird Ihre München-Ära noch fortgesetzt?
Tommy Kent: „Bin schon dabei! Meine weiß-blaue Sehnsucht treibt mich an. Bild Nummer elf wird dann Neuschwanstein bei Nacht, mit unheimlichen Wolken und einem Vollmond, der das Schloss anstrahlt. 2005 habe ich schon König Ludwig gemalt, es ist eins meiner persönlichen Lieblingsbilder. Eine schillernde Persönlichkeit, seine Prunkbauten faszinieren mich immer wieder aufs Neue ...  Außerdem glaube ich, dass nach all der Zeit, die ich im Ausland verbracht habe, München nun maltechnisch für mich reif ist."
 
Unser Gespräch ist beendet, Tommy Kent hilft uns galant in den Mantel und hält uns die Tür auf. „Herzlichen Dank für Ihren Besuch." Ein Gentleman. Und ein begnadeter Maler. 
Daniela Schwan

Foto Helga Waess   Foto Dimitri Davies
"Unter dem Schutzdach des Weltkulturerbes.Nymphenburger Schloss"       Tommy Kent in seinem Schwabinger Atelier 

About Tommy Kent 

Tommy Kent wurde  als Guntram Kühbeck in München geboren - und führte drei Leben: Es gibt den Nummer-Eins-Hit-Sänger, der so populär wie Peter Kraus war, den Star-Architekten und den international erfolgreichen Maler Kent. Um sich sein Architekturstudium zu verdienen, trat er in den 50er-Jahren als Rock’n’Roller in Schwabinger Künstlerkneipen auf – und wurde vom Erfolg überrascht. Mit „Susie Darlin’" stürmte er die Charts, seine Zusammenarbeit mit dem Komponistenkönig Bert Kaempfert bescherte ihm den Aufstieg zu einem der erfolgreichsten deutschen Rock’n’Roll-Interpreten mit Songs wie „Sweet Baby Sweet", „Hey Sunny" und „Sag endlich ja": insgesamt über 40 Schallplatten und Auftritte in fünf Schlagerfilmen.

Sogar die Beatles verdanken nicht zuletzt Tommy Kent den ersten Anstupser zu ihrer Entdeckung. Als er die damals noch unbekannte Truppe 1961 in einem Hamburger Top Ten Club sah und hörte, empfahl er sie begeistert seinem Produzenten Kaempfert – und die weitere Geschichte um Paul McCartney und seinen Pilzköpfen ist hinreichend bekannt. Und: Es existiert ein McCartney-Dankschreiben, in dem Tommy Kent genannt wird.

Auch wenn Tommy Kent eine Platte nach der anderen aufnahm, verlor er seine (eigentliche) Berufung nicht aus den Augen, absolvierte ein Architektur- und Kunst-Studium in Los Angeles und konnte darauf zurückgreifen, als in den 70er-Jahren der Erfolg als Schlagersänger allmählich ausblieb.

Start frei für den Bildenden Künstler: Als Architekt sorgte er mit dem Bau des Spanischen Konsulats in München für Furore, er spezialisierte sich unter anderem auf die Restaurierung zerstörter Münchner Art Deco-Bauten, gewann Gestaltungs- und Fassadenpreise. Und seine Bilder, die auch in seinem Atelier auf Menorca entstanden sind, werden mittlerweile in Galerien in New York, Chicago, Los Angeles und Budapest ausgestellt. Eine aktuelle Ausstellung ist in diesem Jahr im exklusiven Londoner Stadtteil Mayfair geplant, und ein neues musikalisches Highlight ist ebenfalls in Arbeit.

Als fester Bestandteil der Münchner Kunstszene ist er nicht mehr wegzudenken, getreu seines Mottos: „Ich bin immer nur meinem Weg gefolgt, wie jeder Künstler, und habe schon sehr früh gespürt, dass alles in der Malerei eine präzise Ausdrucksform finden wird." Und er kennt auch die Schattenseiten dieses Lebens: „Finanziell ist das Künstlerdasein schwierig, aber ich weiß jetzt, dass Malen und Kunst kreieren meine wahre Bestimmung ist". ...

„Er verfeinert permanent seine Techniken, plant, zeichnet, verwirft und experimentiert so lange mit Untergründen, Farben und Materialien, bis er den angestrebten Ausdruck erzielt. Alles, was leicht, spontan und zufällig anmutet, gründet jedoch auf Studien und theoretisch durchdachten Kompositionen. Die hohe Sensibilität, welche sicherlich durch die musische Schulung besonders ausgeprägt ist, die Perfektion des Ausdrucks, welche wir dem Architekten verdanken, und die Eindringlichkeit und direkte Ansprache der Aussage machen jedes einzelne Gemälde zu einem Erlebnis."
Dr. Helga Wäß: „TOMMY KENT ... und München im Dialog", Collectart - Künstlerkatalog ISBN 978-3-8423-0080-4. 
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