Hier sprechen regelmäßig Menschen, die von Armut betroffen sind.
Ben (Name geändert) ist 23 Jahre alt und im dritten Jahr seiner Ausbildung in der Pflege. Im Monat hat er 1150 Euro netto zur Verfügung, die sich aus 680 Euro Ausbildungsgeld (Brutto: 862 Euro) und 470 Euro von seinen Eltern zusammensetzen. Außerdem arbeitet er zwei bis drei Mal im Monat im Nebenjob als Veranstalter. Dafür bekommt er im Schnitt noch einmal 200 Euro, die er spart. Ohne Unterstützung seiner Eltern, hätte er nur 680 Euro netto im Monat zur Verfügung.
Würdest du dich selbst als arm bezeichnen?Eigentlich müsste ich mich als arm bezeichnen, das Geld ist knapp, ich bin aber zufrieden mit dem, was ich habe. Ich habe ein gutes Netzwerk, das mir ermöglicht, am Wochenende umsonst auf Veranstaltungen zu gehen. Ich muss aber immer auf mein Geld achten und kann es nicht achtlos ausgeben.
Wieso wechselst du nicht den Ausbildungsbetrieb?Ich habe damals nach der Schule ein FSJ dort gemacht, danach haben sie mir angeboten, dort die Ausbildung zu machen. Ich wollte gar nicht Pfleger werden, sondern habe die Ausbildung nur gemacht, um Medizin zu studieren. Dafür habe ich in Kauf genommen, drei Jahre lang etwas weniger zu verdienen.
Da war ich aber auch noch jung und naiv.
Wie sähe dein Leben ohne Unterstützung deiner Familie aus?Dann würde ich wahrscheinlich nur arbeiten und nie etwas unternehmen können. Natürlich kann man ohne familiäre oder staatliche Unterstützung eine Ausbildung machen, aber nur mit sehr geringer Lebensqualität.
Woran merkst du täglich, dass du arm bist?Ich achte immer auf mein Geld. Manchmal, wenn ich ein paar Tage nicht aufs Konto geschaut habe und ein paar Ausgaben hatte, verliere ich trotzdem kurz den Überblick. Dann kann es passieren, dass ich mich schneller der Null annähere als geplant und ich zum Monatsende hin genau überlegen muss, was ich mir noch leisten kann.
Wie lange dauert es bis das Geld knapp wird?Ungefähr drei Wochen. Dann verzichte ich bis zum nächsten Lohn auf Freizeitaktivitäten wie essen gehen, bleibe zu Hause und mache nichts.
Was hast du dir zuletzt gegönnt?Ich war gerade im Urlaub in Spanien. Das ging aber nur, weil ich da umsonst bei Freunden wohnen konnte. Für den Flug habe ich 120 Euro gezahlt, ich habe extra früh gebucht. Für Essen und anderes sind dann nochmal 300 Euro weggegangen. Sowas kann ich mir aber wirklich nicht oft leisten.
Und worauf verzichtest du?Ich verzichte also auf gutes und regelmäßiges Essen. Da fällt öfter mal ein Abendbrot weg, weil ich das Geld nicht habe. Das klingt heftig, ist aber meine Art zu sparen.
Im Durchschnitt verdienen Auszubildende in Deutschland 876 Euro monatlich, du bekommst im dritten Ausbildungsjahr nur 862 Euro brutto. Ist das zu wenig?Ja, ich finde schon. Im ersten Jahr habe ich sogar nur 732 Euro brutto bekommen, im zweiten 781 Euro. Normalerweise bezahlen die Kliniken die Auszubildenden nach Tarif, das sind zwischen 900 und 1000 Euro brutto. Bei mir ist das nicht so. Woran das liegt weiß ich nicht, aber ich habe das Gefühl ausgebeutet zu werden.
Berufe in der Pflege sind bei Auszubildenden nicht besonders beliebt. Warum?Wir werden oft am Wochenende oder an freien Tagen angerufen und gefragt, ob wir einspringen können. Auf einer normalen Station sollen 20 Menschen von zwei Pflegern betreut werden. Steht nur einer zur Verfügung, wird noch ein Schüler dazu genommen. Der muss dann Aufgaben übernehmen, die er noch nicht gelernt hat und gefährdet den Patienten und sich selbst. Wir machen dann oft unbezahlte Überstunden und tun Dinge, die eigentlich illegal sind.
Was müsste sich in Deutschland deiner Meinung nach ändern, um deine Situation zu verbessern?Die tariflichen Regelungen müssten weiter greifen, dass alle Ausbilder sie anwenden müssen. Außerdem handeln private Einrichtungen natürlich nach eigenen wirtschaftlichen Interessen und dabei kommen Schüler schlecht weg. Meine Klinik verheizt die Schüler geradezu. Es wäre schön, wenn das nicht so wäre.
Außerdem sollten auch ältere Menschen, die die Pflege ja in Anspruch nehmen (werden) auf die Straße gehen und gegen die Zustände demonstrieren.
Wir lassen Menschen zu Wort kommen, die wissen, wie es ist arm zu sein: