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Web-Tipp: Literatur im Internet - WELT

Im Internet kann man so ziemlich alles „haulen" - also massenhaft einkaufen und anschließend präsentieren: Kleidung, Make-Up oder Food. Neuerdings - und das dürfte vor allem all denjenigen, die in diesen Tagen auf der Frankfurter Buchmesse das Fest des Jahres feiern - sauer aufstoßen: auch Bücher.

Ganze Youtube-Kanäle voller Book-Hauls lassen sich ausfindig machen. So wie der von Jessy („Melody Of Books"). Dort bekommt sie bis zu 4.000 Klicks, wenn sie mit einem Stapel neuer Bücher vor der Kamera steht - begeistertes Quietschen inklusive. Youtube-Kanäle dieser Art gleichen einer Supermarktkasse voller Bücher. Die Kanäle bedienen eher das, was der seichteren Unterhaltung zuzuordnen ist. Die Youtuber, deren Channels Namen wie „Mona", „Kossis Welt" oder „Melody Of Books" haben, mögen Genres wie Fantasy, Romantik oder auch Jugendbücher - sind sie doch selbst mitten in der Zielgruppe. Die Videos folgen dabei einem gewissen Schema F: Inhaltsangabe, ein „Oh-Mein-Gott-Wie-Schön-Ist-Denn-Das-Cover-Bitte?" und einer Kaufempfehlung - das obligatorische „Kommentiert, falls euch mein Video gefallen hat" darf am Ende nicht fehlen.

Schaut man sich in der Blogger-Szene um, stellt man fest, dass sich die Inhalte kaum davon unterscheiden: Statt Videos werden dort Texte veröffentlicht. Allerdings findet man dort auch Hochliteratur. Literaturkritik von Leuten, die nicht zu den etablierten Kritikern dieses Landes zählen, die sich aber durchaus lesen lassen kann. Diese Blogs werden häufig von Menschen betrieben, die „irgendwas mit Büchern" machen: Lektoren, Buchhändler und Journalisten. Die Szene ist vielfältig und besteht doch aus Einheitsbrei. Nacherzählungen, Biografie des Autors und ein positives Resümee am Ende. Selbst erfolgreiche Blogger wie Tobias Nazemi („Buchrevier") oder Karla Paul („Buchkolumne") scheinen Bücher nur zu rezensieren, wenn sie ohnehin denken, dass sie ihnen gefallen könnten.

Youtube-Channels und Buchblogs ersetzen zwar nicht das Feuilleton oder die Beratung beim Buchhändler des Vertrauens, sie zeigen aber, dass Literaturkritik weder quantitativ noch qualitativ auf dem Rückzug ist - und das ist schon viel wert!

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